Der Bund (CH): Zwei Berner legen sich mit China an

FALUN GONG / Simone Schlegel und Roland Isenschmid haben in Hongkong an einer Kundgebung gegen Menschenrechtsverletzungen durch China teilgenommen. Der Protest endete für die zwei Falun-Gong-Praktizierenden aus Bern mit einem Aufsehen erregenden Strafprozess. Beide wurden zu Geldbußen verurteilt.

Dem «Bund» war das Urteil des Hongkonger Gerichts von Mitte August folgende Meldung wert: «Ein Gericht in Hongkong hat erstmals Mitglieder der im übrigen China verbotenen Falun-Gong-Bewegung zu Geldbußen verurteilt. Unter ihnen waren vier Schweizer. Die 16 Mitglieder der Meditationsbewegung hätten bei einer Demonstration vor der chinesischen Vertretung in Hongkong gegen die öffentliche Ordnung verstossen, erklärte das Gericht.»

Auch die beiden Stadtberner Falun-Gong-Praktizierenden Simone Schlegel und Roland Isenschmid hatten im März dieses Jahres an der Kundgebung in Hongkong teilgenommen. «Wir wussten nicht, dass die Teilnahme so schwer wiegende Folgen haben würde», sagt die zweifache Mutter aus dem Murifeld. Knapp vier Stunden dauerte der Protest vor dem chinesischen Verbindungsbüro, dann wurden die Teilnehmenden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Auf den Bildern, die Schlegel mit nach Hause brachte, sind meditierende und friedlich am Boden sitzende Menschen abgebildet. Auf einem Transparent steht: «Jiang Zemin: Stop Killing!» Die gleiche Botschaft ist in großen chinesischen Schriftzeichen festgehalten. Auf weiteren Bildern sind Dutzende Polizisten zu sehen. Ein Foto zeigt eine ältere Teilnehmerin, die unsanft abgeführt wird.

26 Tage Verhandlung

Aus dem Kriminalgefängnis heraus kontaktierten Schlegel und Isenschmid per Handy die Schweizer Botschaft. Nach neun Stunden kamen sie frei. Das Hongkonger Strafgericht beschäftigte sich in der Folge 26 Tage lang mit dem Fall, bei dem es um so Grundsätzliches wie Versammlungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit ging. Es war der erste Prozess gegen Mitglieder der Falun-Gong-Bewegung (…). Das Urteil bestätigte die Befürchtungen, fünf Jahre nach der Übernahme durch China würden die Freiheitsrechte in der Sonderverwaltungszone unter dem Druck der kommunistischen Führung weiter ausgehöhlt. Dabei war der ehemals britischen Kronkolonie 1997 weit reichende Autonomie zugesichert worden.

Das Gericht verurteilte Schlegel und Isenschmid wegen «Behinderung von Passanten» zu Geldbußen von umgerechnet 250 Franken, andere Teilnehmer wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Angriffen auf Polizisten zu höheren Bußen. Die Verurteilten legten Berufung ein. Inzwischen habe «irgend eine unbekannte Person» die Bußen beglichen, berichtet Schlegel.

«Weder Kult noch Sekte»

Schlegel investiert viel Zeit und Energie in die Falun-Gong-Bewegung, die, wie sie immer wieder betont, «weder Kult noch Sekte ist», sondern Meditation. Nach dem Verbot 1999 wurde Falun Gong immer mehr zur Menschenrechtsbewegung, da viele Mitglieder in China in Arbeitslager gesteckt und zu Tode gefoltert wurden. Zwei Monate blieb die 28-jährige Mutter wegen des Protests und Gerichtsprozesses in Hongkong von ihrer Familie fern; und wenn es zur Appellation kommt, «will ich wieder dabei sein».

Schlegel kam vor zwei Jahren durch ein Flugblatt zu Falun Gong; seither hat sie in Bern und anderswo an zahlreichen Protestkundgebungen gegen die repressive chinesische Regierung teilgenommen. «Dank den fließenden harmonischen Meditationsübungen fühle ich mich besser», versichert Schlegel. Die Falun-Gong-Praxis basiert auf Buddhismus und Taoismus und soll den Menschen zu Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht führen, «Eigenschaften, die sich mit Repression nicht vertragen», sagt Schlegel. Für die tägliche Praxis fehle ihr aber die Zeit. Die Mitglieder praktizieren jeweils sonntags in einem Tanzlokal in der Altstadt und samstags im Brückenstrassenpark Marzili.

30.08.2002, Ausgabe-Nr. 201, Ressort Stadt Bern

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