Epoch Times Deutschland: Falun Gong – Der Mann, der Chinas Zensur durchbrach (Teil 2)

Falun Gong – Der Mann, der Chinas Zensur durchbrachTeil 1.

Zehn Jahre verbrachte der Informatiker Yu Chao (42) in Pekinger Gefängnissen, weil er Berichte über die Folter an Falun Gong-Praktizierenden ins Ausland geschleust hatte (siehe Teil 1). Im zweiten Teil schildert er seinen gefährlichen Wettlauf gegen den allgegenwärtigen Überwachungsstaat.

Sie verschlüsselten Emails, beobachteten Mc-Donalds-Filialen und entwarfen Taxi-Fluchtpläne: Was ein Grüppchen von sechs Pekinger Falun Gong-Praktizierenden unternahm, um Treffen zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Folteropfern zu arrangieren, klingt wie aus einem James Bond-Film.

Interviews mit politisch Verfolgten zu führen, war im kommunistischen China schon immer schwierig – und für alle Beteiligten gefährlich. Dementsprechend war es für westliche Medien fast unmöglich, nach Beginn der Verfolgung von Falun Gong im Jahr 1999 mit den betroffenen Chinesen zu kommunizieren.

Trotzdem gelang das Unmögliche. Von Juli 2000 bis August 2002 hatte Yu Chao aus Peking, damals Ende 20 und Informatiker einer internationalen Firma, mehr als zehn Interviews arrangiert: In der Anonymität der Millionenmetropole, mit der Lebensgefahr vor Augen. Das Ergebnis waren Reportagen, die den Opfern eine Stimme in der Weltöffentlichkeit gaben – unter anderem in der Washington Post und dem Wallstreet Journal.

Was ist Falun Gong?

Falun Gong, auch Falun Dafa genannt, ist eine traditionelle buddhistische Kultivierungsschule, die ursprünglich aus China stammt und 1992 veröffentlicht wurde. Wegen ihrer außergewöhnlichen Wirkung auf Körper und Geist erlangte sie in China in kürzester Zeit größte Beliebtheit: 1999 praktizierten geschätzte 100 Millionen Chinesen Falun Gong – fast ein Zehntel der Bevölkerung.

Aus Neid auf diese große Popularität startete Jiang Zemin, damals Staatsoberhaupt und Chef der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), im Juli 1999 eine landesweite Verfolgungskampagne.

Die Meditationspraxis hatte keinerlei politische Motive – und doch sah die KPCh ihre Macht existentiell bedroht: Neben den körperlichen Übungen geht es bei Falun Gong um ein Leben nach den Prinzipien von „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht“ – Prinzipien, die seit Tausenden von Jahren in der chinesischen Kultur verwurzelt sind. Diese friedliche Philosophie steht im direkten Gegensatz zur Kampf-Ideologie der Partei. Während ihrer 60-jährigen Diktatur hat die KPCh absichtlich Chinas Kultur zerstört und Feindseligkeit und Misstrauen in der Bevölkerung gesät, um ihr Regime aufrecht zu erhalten.
Allein gegen Chinas Stasi und Propaganda

„Als die Verfolgung von Falun Gong im Juli 1999 begann, waren die chinesischen Medien das wichtigste Werkzeug um die Verfolgung anzutreiben. Das Staatsfernsehen und die Zeitungen veröffentlichten eine Menge Artikel, die Falun Gong diffamierten und schürten damit öffentlich Hass gegen die Praktizierenden", erzählt Dana Cheng, US-Bürgerin mit chinesischen Wurzeln. „Die Propaganda hatte den Zweck, die Verfolgung zu rechtfertigen und die Öffentlichkeit irrezuführen. Selbst wenn die Praktizierenden nicht im Gefängnis waren – ganz China war ein Gefängnis, kreiert von den staatlichen Medien."

Die ausländische Presse hingegen benötigte die Erlaubnis der chinesischen Regierung, um sich in China bewegen zu dürfen oder bestimmte Gruppen zu interviewen. Mit politisch verfolgten Gruppen Kontakt aufzunehmen war unmöglich. Wegen des Mangels an Informationen übernahmen deshalb viele ausländische Medien die Falschberichte über die Verfolgung aus Chinas Staatsmedien. Damit arbeiteten sie unbeabsichtigt dem Regime in die Hände.

Doch es gab Korrespondenten, die mehr erfahren und hinter Chinas Fassade blicken wollten: Dana Cheng kannte einige von ihnen. Von Amerika aus stellte sie den Kontakt her zwischen diesen Journalisten und Yu Chao, dem Mann, der Chinas Zensur durchbrach …

Das Untergrund-Team für Presse-Freiheit

Yu und der mit ihm befreundete Wang Weiyu hatten ein kleines Team gegründet, um die Informationsblockade des Regimes zu umgehen. Sie glaubten fest daran, dass Berichte ausländischer Medien der chinesischen Bevölkerung helfen könnten.

„Die Zusammenarbeit mit westlichen Journalisten war damals sehr gefährlich", sagt Wang, „und in der Tat hatte ich große Angst. Es war sehr schwierig, weil die KPCh ausländische Journalisten, die in China lebten, ständig beschattete – besonders in den Jahren 2000 bis 2002." Wie also kommunizieren, ohne dass es aufflog?

„Chinesische Agenten folgten den Reportern auf Schritt und Tritt. Einige Reporter waren durch die offensive Beschattung sogar in ihrem Privatleben eingeschränkt", so Dana Cheng. Eine spezielle Behörde, das „13. Büro“, zum Beispiel, ist allein dafür zuständig, die Aufenthaltsorte ausländischer Journalisten in China im Auge zu behalten. Sobald ein Reporter in ein Hotel eincheckt, ruft der dortige Empfang sofort das „13.Büro“ an, um seine Ankunft zu melden. Auch das Abhören von Telefonen gehört zur Routine.

Das Team dachte sich eine Strategie mit verschlüsselten E-Mails und Dateien aus. Yu half den Journalisten, Files in bis zu 30 Einzelteile aufzuteilen und downzuloaden. Dies war ihr Hauptkommunikationsweg. Sie kontaktierten Medien wie das Time Magazine, die BBC, die Washington Post, Associated Press und das Wall Street Journal. Einige Reporter reisten extra nach China, um über die Verfolgung zu berichten. Viele hatten bereits ein Büro in Peking.

Handys kamen auch zum Einsatz, jedoch mit ständig wechselnden SIM-Cards. Immer 30 Minuten vor einem Telefonat wurde die SIM-Card gewechselt.
Riskante Begegnung bei Mc Donald´s

Wenn das Treffen näher rückte, wurde es ernst: Stets gab es zwei Orte, die von Wang mehrfach ausgekundschaftet und auf ihre Sicherheit überprüft worden waren.

Der erste Treffpunkt diente dazu, herauszufinden, ob der Journalist von Agenten verfolgt wurde – und wenn ja, von wie vielen. Mc Donald´s-Filialen waren hierfür wie geschaffen: Durch die großen Fenster konnte man gut die Straße überblicken und beobachten, wer ins Lokal kam. Leute, die länger davor standen ohne hinein zu gehen, waren verdächtig.

Der Journalist hatte die Anweisung, ohne Essen zu kaufen, direkt in die zweite Etage zu kommen, wo das Team wartete. Wäre ihm jemand direkt gefolgt, hätte er sich nicht zu erkennen gegeben. Oft trafen sie eine Vor-Ort-Entscheidung, ob das Meeting stattfand oder nicht.

Die Chancen erwischt und verhaftet zu werden waren hoch. Manchmal hatte ein einziger Journalist bis zu sechs Agenten-Gruppen an den Fersen. Dann fuhr er mit dem Taxi zu einer Stelle, wo er sein Gefolge abschütteln konnte – zum Beispiel stieg er in einer Sackgasse aus, die in einem Fußgängertunnel endete. Fahrzeuge hatten dann keine Chance, ihn weiter zu verfolgen. Am Ende des Tunnels wartete schon das nächste Taxi auf ihn.

Innerhalb von zwei Jahren arrangierten Yu und sein Team ein dutzend Gespräche zwischen Falun Gong-Praktizierenden und ausländischen Reportern. Rund 20 Folteropfer wurden interviewt – und immer lief es glatt und sicher für alle Beteiligten ab. Eine Reportage, die Ian Johnson für das Wallstreet Journal schrieb, gewann im Jahr 2000 sogar einen Pulitzer-Preis. Unter dem Titel „A Deadly Exercise” schilderte der Bericht minutiös den Leidensweg der Frührentnerin Chen Zixiu, die zu Tode gefoltert wurde, weil sie auf ihr Recht bestand, Falun Gong zu praktizieren.

Sie bezahlten mit ihrer Freiheit

„Es waren nur ein paar von uns, die gegen den Staat und die Stasi arbeiteten", sagte Yu. „Wir wussten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis wir alle verhaftet würden." Je mehr Informationen sie an die Journalisten herausgaben, desto riskanter wurde es. „Für uns war das ein Balance-Akt zwischen unserer persönlichen Sicherheit und dem Schutz der grundlegenden Menschenrechte", sagt Yu, der damals schon eine Frau und einen kleien Sohn hatte.

Er war nie vor Ort, um einen Reporter zu treffen. Er organisierte das ganze nur per Email. Manche der chinesischen Interviewpartner wurden später festgenommen – einige davon, weil sie nicht aufhörten, öffentlich gegen die Verfolgung zu protestieren.

Im August 2002 wurden Yu, sein Mitstreiter Wang und ihre Ehefrauen festgenommen. Yu hatte es erwischt, weil er nicht nur der Kopf des „Teams für Pressefreiheit” gewesen war, sondern auch eine Untergrund-Druckerei betrieb, die 700.000 Flugblätter gegen die Verfolgung produziert hatte.

„Zwei meiner dortigen Mitstreiter wurden festgenommen und vielleicht haben sie meinen Namen genannt", sagt Yu. Er wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt, Wang zu acht Jahren und sechs Monaten. Vergangenes Jahr gelang beiden Männern die Flucht in die USA. Dort erzählten sie erstmals von ihrer abenteuerlichen Arbeit – und den schrecklichen Jahren im Gefängnis. (Siehe Teil 1: http://www.epochtimes.de/Falun-Gong-Der-Mann-der-Chinas-Zensur-durchbrach-Teil-1-a1147724z.html)

Heute haben sich die Medienbeschränkungen in China nur geringfügig gelockert, zum Beispiel wurden die Dreharbeiten zum Dokumentarfilm „Never Sorry“ über den Künstler Ai Weiwei erlaubt. Korrespondenten, die kritisch berichten, kämpfen jedoch weiterhin mit Visa-Ablehnungen und Restriktionen. Die immer noch andauernde Verfolgung von Falun Gong ist nach wie vor Tabuthema Nummer 1 und Informationen dazu werden mit allen Mitteln unterdrückt.

Hintergründe zu Falun Gong:

Falun Dafa, auch Falun Gong genannt, ist eine traditionelle buddhistische Kultivierungsschule, die ursprünglich aus China stammt und in mehr als 114 Ländern und Regionen der Welt praktiziert wird. Neben den körperlichen Übungen wird besonderer Wert auf ein Leben nach den Prinzipien von Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht gelegt, die seit Tausenden von Jahren in der chinesischen Kultur verwurzelt sind.

Seit dem 20. Juli 1999 unterliegt Falun Dafa in China einer irrationalen Verfolgung, die durch den ehemaligen Staatschef Jiang Zemin initiiert wurde. Schätzungen zufolge wurden seit dem Juli 1999 über 1 Million Falun Gong-Praktizierende festgenommen, über 500.000 Praktizierende, möglicherweise aber wesentlich mehr, zu häufig jahrelangem Arbeitslager gezwungen, in der Regel ohne ordentliches Gerichtsverfahren.

Die Verfolgung in China umfasst alle Lebensbereiche: Sie führt zum Verlust von Arbeitsplatz und Wohnung, schließt Schüler und Studenten von der Ausbildung aus, zwingt Frauen zur Abtreibung und Ehepaare zur Scheidung. Dem Falun Dafa-Informationszentrum liegen bis heute Informationen von über 3745 Todesfällen vor, zu denen es durch Folter in Polizeistationen und Arbeitslagern kam. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Dass systematischer Organraub von staatlichen Behörden angeleitet wird, ist kaum zu glauben und dennoch sind schätzungsweise 65.000 gesunde Falun Gong-Praktizierende Opfer von Organraub am lebendigen Leibe in China geworden.

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