Teil 2: Der Organhandel in China könnte ein 8-10 Millionen Dollar Geschäft sein

Im Mittelpunkt des Organhandel-Phänomens steht die Verfolgung der Meditationsgruppe Falun Gong. Die chinesische Regierung versucht seit längerem mittels Inhaftierungen, laut Zeugen mit Inhaftierungen in Arbeitslagern, sogar die Existenz der Gruppe auszulöschen. Gutmanns Untersuchungen zufolge werden sie häufig die Opfer des Organhandels. In unserem Gespräch ist sogar eine mögliche Vorbereitung von Genozid die Rede.

Das unterstehende Interview und die dazugehörigen Videomaterialien reflektieren nicht die Meinung des Bloggers, dafür wird keine Verantwortung übernommen. Das Ziel ist nicht China, die chinesische Regierung oder Militär im schlechten Licht darzustellen, sondern die Zusammenfassung der Untersuchungen, die aus dem Buch hervorgehen, zu beleuchten.

I: Lass uns über den Organhandel als Ganzes sprechen. Wie hat dieser begonnen, wie ist er organisiert und gibt es eine Zentrale, in der alles gesteuert wird? Bitte zeig uns die ganze Arbeitsweise auf.

„Das sind sehr gute Fragen, ich habe lange darüber nachdenken müssen. Ich werde die bestmögliche Antwort darauf geben, die ich nur geben kann. Es fehlen viele Informationen, es gibt viele Lücken. Soweit ich das aus meinen Untersuchungen feststellen konnte, die vor allem auf dem Feld stattfanden, der Handel mit Organen von politischen Gefangenen reicht bis in die 80er Jahre zurück. Es geschah nicht oft, aber es gab Fälle, vor allem wurden Nieren verwendet. Sie haben die Menschen erschossen und ihre Nieren verwendet. Hier sprechen wir über 1983-84, da gab es schon Organgewinnung durch lebende Personen.“

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I: Bitte definiere Organgewinnung durch lebende Personen.

„Die Organgewinnung durch lebende Personen ist relativ einfach: jemand wird angeschossen, das ist die eine Methode. Die Person wird nicht tödlich verletzt. Sie zielen auf die linke Seite vom Brustkorb, damit das Herz nicht getroffen wird. Sie töten sie nicht, aber die Person gerät in einen Schockzustand und kann den Schnitt spüren, ist aber zu schwach, um Widerstand zu leisten. Das ist die eine Methode, sehr grausam.

Die andere Methode ist die Verwendung von Drogen [im Englischen ist Droge ein allgemeiner Begriff und bezieht sich nicht nur auf Rauschmittel, sondern auch auf Arzneimittel – Anm. d. R.], hier ist das Ziel, das Objekt quasi auszuknocken. Der komplette Verlust des Bewusstseins ist nicht gut, weil das auch auf die anderen Organe Auswirkungen haben kann und das Risiko der Verwerfung des Organs bei der Transplantation erhöhen.

Hauptsache ist, dass der Organempfänger das Organ nicht abstößt. Die Blutgruppe und der Gewebetyp müssen stimmen, aber wichtig ist auch, dass das Organ ´frisch` ist. Eine geschnittene Blume muss auch ins Wasser, damit sie frisch bleibt. Es muss mit dem Leben Kontakt haben, so lange es geht.

Man muss so schnell arbeiten, wie es nur möglich ist, das Organ rausnehmen und implantieren. Ideal ist und auch vorteilhaft, wenn keine Vollnarkose bei der Transplantation verwendet wird. Anfangs schien es vielen unwahrscheinlich, aber das ist es überhaupt nicht. Es gibt auch wissenschaftliche Studien, die diese Behauptungen belegen können. Der wahrscheinlich bekannteste Polizeibeamte in China hat auch ein Zentrum für den Organhandel geleitet. Er wurde sogar ausgezeichnet, weil er eine tödliche Injektion erfunden hat, die die Organe nicht beschädigt.“

I: Aufgrund der Größe des Landes Chinas ergibt sich die Frage nach der Logistik, wie kann man das überhaupt organisieren?

„Hier müssen wir über den Aufstand im Jahr 1997 sprechen, denn damit werden die ersten Organentnahmen an lebenden Personen in Zusammenhang gebracht, worüber wir wissen. Mit Zustimmung und Wissen hochrangiger Parteimitglieder. Also, die Partei ist von Anfang an am Prozess beteiligt. Damals gab es sechs Opfer, später noch mal sechs. Das wissen wir von einem Arzt, der die Blutuntersuchungen durchgeführt hatte. Er lebt in Europa. Er hat aber Familie in China, deswegen ist es unwahrscheinlich, dass er mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit geht, aber es kann sein, dass er irgendwann etwas sagen wird.

Der Punkt ist, dass es von Anfang an um ein spezielles Programm ging, abgesegnet von der Kommunistischen Partei. Später hat sich der Prozess wegen Falun Gong geändert, auf einmal tauchte eine neue Quelle auf. In den frühen 2000er Jahren erscheinen die Falun-Gong-Anhänger, ihre Anzahl ist riesig, Millionen von ihnen gibt es in der Gesellschaft, sie wirken auf das System. Ab da fingen die Blutuntersuchungen der Anhänger statt.

Und nicht nur Blutuntersuchungen, auch andere Tests wurden durchgeführt, mit dem offensichtlichen Ziel der Organgewinnung. Egal, was sie verkaufen können, z. B. Augen-Hornhaut. Die Hornhaut ist ein Gewebe, kein Organ, ist aber trotzdem gut zu verkaufen. Ein klassisches Beispiel dafür, dass bei Frauen das Auge ziemlich lange untersucht wurde, die Sehkraft interessiert die Ärzte aber nicht, nur das Gewebe selbst.

Natürlich sind für die Ärzte die Niere, die Leber und später auch das Herz von Interesse. Diese Untersuchungen sind so eingestellt, als ob sie normale ärztliche Routineuntersuchungen wären. Die Regierung war deswegen ganz schön nervös, was auch zeigt, dass weibliche Falun-Gong-Anhängerinnen teilweise von bewaffneten Wachen zu den Untersuchungen begleitet wurden. Das ist unglaublich, absolut offensichtlich, dass da keiner ein Seziermesser in die Hand nimmt und alles zusammen schneidet, das wissen sie auch.

Warum haben sie bewaffnete Wachen zu den weiblichen Falun-Gong-Anhängern gebraucht? In Wirklichkeit wussten sie, was für grausame Sachen sie machen und sie wollten, dass alles geordnet ablief. Wir kennen die genauen Abläufe des Systems nicht. Aber wir wissen, dass diese Untersuchungen Ende 2000-2001 in großem Maße angefangen haben und man sieht eine Steigerung der Leber- und Nierentransplantationen. Vor allem ist die Leber interessant, weil man zwar ohne Niere leben kann, ohne Leber aber nicht, deswegen wissen wir mit Sicherheit, dass diese Menschen auf Bestellung getötet wurden.“

I: Wie sieht die Seite der Käufer aus?

„Kommen wir noch ein bisschen auf das System zurück. Es gibt eine Vorstellung, nach der es ein Dokument geben sollte, das die „letzte Lösung“ beschreibt, es ähnelt den Dokumenten zu Holocaust. Ich glaube nicht, dass es wirklich existiert, aber es kann sein, dass es irgendwo in Peking so eins gibt. Ich glaube nicht, dass wir das wissen, wenn es das überhaupt gibt.

China ist anders als das nationalsozialistische Deutschland, es ist eher kapitalistisch, auf eine merkwürdige Art und Weise nicht so kontrolliert und geführt. Die Untersuchungen finden hauptsächlich in Militärkrankenhäusern statt, sie haben angefangen die Falun-Gong-Anhänger auszulöschen. Aus diesen [Militärkrankenhäusern] kam das Verfahren in die Zivilkrankenhäuser, gleichzeitig auch das Auffinden von Organquellen, vor allem aus Tibet.

Mit Bussen wurden tibetische Buddhisten auf einer 15- stündigen Fahrt in Krankenhäuser gebracht, in denen auf moderne Art das Blut aller untersucht wurde. Die Falun-Gong-Anhänger haben exakt die gleichen Tests beschrieben. Das war ein wichtiger Teil unserer Recherche, von unterschiedlichen Orten und Ethnien kamen die gleichen Untersuchungsmethoden.

In Arbeitslagern haben sie nur an Falun-Gong-Anhängern und an Mitgliedern der sogenannten „Östliche Blitz“-Gruppe Untersuchungen durchgeführt. Wirklich groß wurde das Geschäft, als sie die Zivilkrankenhäuser mit einbezogen hatten. Aber zurück zum Thema: ist das wichtig, ob so ein Dokument existiert? Ich weiß es nicht, meiner Meinung nach ist es nur für diejenigen wichtig, die alles nur auf eine Person schieben wollen.

Ich glaube nicht, dass es so ist, die Kommunistische Partei ist eher wie eine Kultur. In der Entscheidungsfindung spielt eher das gemeinsame Denken eine große Rolle. Kann sein, dass manche den Organhandel unbedingt wollten, und dass sich manche enthalten haben.“

I: Also wenn ich es richtig verstehe, scheint es so, dass der Organhandel mit einem möglichen Genozid zusammenhängt?

„Die Menschen wollen das Ganze in eine Schublade stecken. Sie wollen es so sehen wie den Holocaust, es kann aber sein, dass es nicht so ist. Oder sie wollen es so sehen, wie die spanische Inquisition, es gibt Ähnlichkeiten. Ein Falun-Gong-Mitglied könnte alldem entkommen, wenn er seine Freunde verrät, durch eine Audio- oder Videoaufnahme, dass er die Kommunistische Partei mag und sich mit dieser fürchterlichen Sekte nicht länger beschäftigen wolle.

Das ist ähnlich, wie man früher aus Juden Christen gemacht hat. Aber es gibt Unterschiede. Es hat eher einen kapitalistischen Grundriss, wir können den Organhandel auf jährlich acht bis zehn Millionen Dollar schätzen. Dem kann man nur schwer widerstehen, wenn es Organtouristen aus dem Ausland gibt, die ca. zehnmal so viel zahlen, wie Chinesen. Es gibt zwar einen großen Binnenmarkt, aber es gibt auch Japaner, die 1,5 Millionen Dollar für ein Organ bezahlen. Sie mögen nicht verhandeln, das nutzen die Chinesen ebenfalls aus.

Für einen Japaner kann ein Organ auch 1 Million Dollar kosten. Die Nazis haben auch versucht, aus den Opfern Profit zu schlagen. Wir haben über Seifen oder Lampenschirme gehört, diese sind nicht wirklich profitabel. Sie haben die goldenen Zähne rausgezogen, klar haben sie das gemacht. Aber die Opfer selbst hatten keinen besonders hohen Wert. Das ist heutzutage nicht mehr so. Ein normaler gesunder Mensch, so wie Du auch, ist ca. 300.000 Dollar wert. Oder sogar 300.000 Euro, wenn wir über einen gesunden Menschen reden und es richtig gemacht wird.

Eine gesunde, relativ junge Lunge ist locker z. B. 80.000 Euro wert. Das muss berücksichtigt werden. Ich vereinfache den Prozess für niemanden, deswegen habe ich nicht sieben Jahre gebraucht, um das Buch zu schreiben. Das ist nicht einfach. Ich sehe es so, dass es sich organisch entwickelt hat. Organisch, in der Partei haben sich auch systembetroffene Probleme aufgetan.

Ich versuche im Buch zu erklären, warum sie angefangen haben Falun Gong zu verfolgen, so wie sie es machen. Für mich ist das eine wichtige Frage. Und meine Antwort darauf ändert sich ständig mit der Zeit.

I: Also es ist schwer zu sagen, ob es um Geschäfte oder um Lösungen sozial-wirtschaftlicher Probleme geht?

„Beides kann zutreffen. Das ist das Problem, es gibt eine Tendenz. Wir beide sind intelligente Menschen und wissen, dass gleichzeitig mehrere Sachen auf uns wirken können. Oder dass wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Einerseits können sie sich von einem Staatsfeind befreien, andererseits machen sie gewaltige Geschäfte.

Die Frage ist, ob es zentral organisiert ist? Ja, es ist von der Zentralregierung genehmigt, eher weniger von der Zentrale geführt. Auf der höchsten Ebene wissen alle darüber Bescheid, ohne Zweifel.“

Bericht auf ungarisch

 

Wird fortgesetzt..

Teil 1 des Berichtes

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