Australien: Interview der Australian Broadcasting Corporation mit Erping Zhang

Reporter: Tony Jones

Der bekannte Moderator Tony Jones von der Australian Broadcasting Corporation interviewte Erping Zhang vor den Olympischen Spielen in Peking. Es folgt eine Transkription des Interviews.

Erping Zhang, der Direktor des Vereins für Asienforschung in New York City, spricht in „Lateline“ über die Lage in China.

TONY JONES, MODERATOR: Gut, für unsere Gäste, Erping Zhang, der Direktor des Vereins für Asienforschung in New York City. Seine Arbeit konzentriert sich auf Chinas politische Wirtschaft, Außenpolitik und Menschenrechtsangelegenheiten. Ende der 1990er Jahre war Erping Zhang der Hauptsprecher der Falun Gong-Bewegung. Er wandte sich über China an eine Reihe von internationalen Institutionen wie die Europäische Union und den US-Kongress. Herr Zhang ist Inhaber akademischer Grade der Universität für Internationale Studien in Peking und der John F. Kennedy Regierungsfakultät an der Harvard Universität, wo er auch ein Edward Mason Fellow ist. Im Augenblick hält er sich in Melbourne auf und ist bei uns dort zu Gast.

Herzlichen Dank, dass Sie da sind, Erping Zhang.

ERPING ZHANG, VEREIN FÜR ASIENFORSCHUNG: Hallo, wie geht es Ihnen!

TONY JONES: Sehr gut, danke. Können Sie mir sagen, was für die in China herrschende Kommunistische Partei bei diesen Olympischen Spielen auf dem Spiel steht?

ERPING ZHANG: Nun, es zeigt sich deutlich, dass die Regierung Chinas die Spiele zu einem Maximum politisiert hat. Erstens um das wohlgefällige Publikum mittels Nationalismus und diesen Olympischen Spielen zu vereinen. Andererseits nutzt sie die Spiele, um gegen Stimmen von Andersdenkenden hart vorzugehen, wie gegen Gruppen der Untergrundkirchen bzw. die Verhaftung von von 8.000 Falun Gong-Praktizierenden vor den Spielen und auch von Mitgliedern der tibetischen Gruppen und anders denkenden Intellektuellen vorzunehmen. Somit sind die politischsten Spiele, die es jemals gab.

TONY JONES: Sie sagen, dass 8.000 Falun Gong-Praktizierende verhaftet wurden. Ich meine, weiß irgendjemand, ob das wahr ist, können Sie das beweisen? Wissen Sie, wo diese Personen sind?

ERPING ZHANG: Ja, es gibt Berichte aus verschiedenen Quellen von Rechtsorganisationen, dass sie im Vorfeld der Spiele verhaftet wurden. Wissen Sie, sie wurden an einen Ort gebracht, den niemand kennt, nicht einmal die Angehörigen können den Ort ausmachen. Die Intellektuellen und andere, die kein Blatt vor den Mund nehmen, pro-demokratische Aktivisten, müssen Sie wissen, sind in einer ähnlichen Lage.

TONY JONES: Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass ausländische Journalisten genau ermitteln, wie viele Menschen im Vorfeld dieser Spiele eingesperrt wurden?

ERPING ZHANG: Das ist sehr schwer in Erfahrung zu bringen. Das ist das Problem mit China, weil es keine Transparenz gibt und keinen freien Zugang zu Informationen. Und daher sorgen wir uns wegen der Internet-Blockade und auch, weil für ausländische Reporter keine Möglichkeit besteht, Zugang zur breiten Öffentlichkeit zu erhalten.

TONY JONES: Die Internetfrage werde ich gleich behandeln, weil ich weiß, dass sie eine spezielle Studie dazu durchgeführt haben. Zunächst einmal, in dem ersten dieser Berichte sahen wir diese Demonstranten auf dem Tiananmen Platz gestern Abend; Menschen, die erbost genug sind, um offen ihren Widerspruch zu riskieren und sagen, dass sie aus ihren Häusern entfernt wurden, ihre Häuser abgerissen wurden, um Platz für neue Wohnungen oder Straßen oder was auch immer erweitert werden soll, zu schaffen. Wissen Sie, wie viele Menschen in Peking davon betroffen sind?

ERPING ZHANG: Also, den amerikanischen Berichten von ABC zufolge wurden von den 17 Millionen in Peking lebenden Menschen mindestens 1,5 Millionen zur Räumung aus ihren Wohnungen gezwungen, um Platz zu schaffen für Olympische Bauten. Natürlich ist das für diese Menschen und für diejenigen, denen es verboten ist, an den Spielen teilzunehmen, keine sehr angenehme Erfahrung. Ich habe zum Beispiel einen Medienbericht gesehen, wo 11 Kategorien und 43 Typen von Einzelpersonen aufgelistet wurden, alles Chinesen, die nicht an den Spielen teilnehmen dürfen. Das sind die Tibeter, Falun Gong-Praktizierende, pro-demokratische Aktivisten und alle feindlichen ausländischen Journalisten. So, das verstößt einfach gänzlich gegen den Punkt sechs der Olympischen Charta, wo es heißt, dass jede Form der Diskriminierung auf der Basis von Geschlecht, Rasse, Religion und Politik unvereinbar ist mit den Olympischen Spielen. Leider setzt das schwache IOC derzeit diese Olympische Charta nicht durch.

TONY JONES: Sie selbst haben jedoch geschrieben, dass die Pekinger Spiele für viele Chinesen eine Gelegenheit für Nationalismus, Stolz und Hoffnung sein werden. Das ist keine schlechte Sache, oder?

ERPING ZHANG: Nein. Die Spiele selbst haben hohe Ideale und hohe Hoffnungen und die Chinesen verdienen es, diese Gelegenheit zu feiern. Doch auf der anderen Seite wollen wir nicht, dass die Regierung dieses Sportereignis nutzt, um zu politisieren und sich selbst zu legitimieren, während sie die widersprüchlichen Stimmen unterdrückt und sogar vertuscht. Sie kennen ja das Böse, das sie getan hat.

TONY JONES: Wie können Sie wissen, dass diese Publicity, diese Aufmerksamkeit der ganzen Welt, die bis zu einem gewissen Grad auf China gelenkt ist, nicht unweigerlich, so wie es einige Menschen hoffen, zu einer neuen Offenheit führt, sondern das Regime und der Ein-Parteien-Staat sich verschanzen?

ERPING ZHANG: Ja, so wie es sich zeigt, sind diese Spiele im hohen Maße vom Regime inszeniert und manipuliert. Wir sehen die großen ausländischen Sponsoren, sponsernde Großunternehmen, die über 50 Billionen US Dollar ausgeben, um auch im Rampenlicht der Spiele zu stehen. Diese üben keinen Druck auf das Regime aus, um die Medien zu öffnen, die Gesellschaft zu öffnen und wirklich den internationalen Gemeinschaftszentren zu entsprechen. Und wir sind, wir sehen auch, dass die Hochsicherheit tatsächlich nötig ist, um das Olympische Dorf zu isolieren, um eine kleine Gesellschaft in China zu werden, die nichts mit der wirklichen Realität der Gesellschaft zu tun hat, wo sie, wie Sie ja wissen, 150 Millionen pendelnde Bevölkerung aus der ländlichen Gegend haben, die keine Arbeit hat und dann noch die Menschen auf Grund ihres politischen oder religiösen Glaubens in Arbeitslagern und psychiatrischen Einrichtungen. Und diese Realitäten werden nicht gezeigt.

TONY JONES: Es gab hier eine Woge, als bekannt wurde, dass die chinesischen Behörden nicht die Absicht hatten, den Reportern, die die Berichterstattung der Spiele übernahmen, offenen Internetzugang zu erlauben. Doch natürlich existiert das Problem noch, ganz egal, was für Abänderungen sie für diese Reporter machen, das Problem existiert noch für das ganze Land, nicht wahr? Denn da wurde dieses System eingerichtet, welches meines Wissens als goldenes Schild bekannt ist und anstelle eines Internet eine Art riesiges Intranet schafft. Können Sie uns erklären, wie das funktioniert?

ERPING ZHANG: Ja, es fing 2000 an, im Jahr 2000 entschied Peking, dass das Internet als eine Bedrohung für die Unterminierung des autoritären Regimes wahrgenommen wird und so gaben sie 800 Millionen US Dollar aus, um dieses Firewall-System namens goldenes Schild aufzubauen, welches den Spitznamen „Große Firewall“ von China hat. Sie heuerten über 50.000 Cyber-Polizisten an, um den Online-Informationsfluss zu überwachen. Im Wesentlichen bauten sie drei Tore in Shanghai, Chengdu und Peking vom chinesischen Internet zum virtuellen Raum der Welt. So muss jede Kommunikation zwischen dem chinesischen Internet und der Welt außerhalb durch diese drei Tore passieren. Peking muss also nur diese drei Tore filtern und kontrollieren. So ist gewissermaßen das chinesische Internet zu einem Intranet geworden.

TONY JONES: So, Sie sagen, dass im Grunde genommen 50.000 Cyberzensoren an diesen Toren arbeiten. Stimmt das?

ERPING ZHANG: Ja.

TONY JONES: Was, die Überwachung von Seiten, die die chinesische Regierung nicht mag oder bestimmte Informationen?

ERPING ZHANG: Ja, wissen Sie, bei den drei Toren und mindestens 40 Überwachungszentren in ganz China geschieht es, dass sie Webseiten der Tibeter, von Falun Gong, Pro-Demokraten, Taiwan, sogar über Menschenrechte und einschließlich den Namen des ehemaligen Staatschefs Jiang Zemin filtern und Informationen blockieren. Jegliche Information, die als gefährlich oder für das Regime als bedrohlich erachtet wird, wird blockiert. Es ist ziemlich wirkungsvoll wegen der Anwendung eines Schlüsselwortfilters. Sie benutzen den Domainnamen, Umlenkungen, Verbindungen, Rücksetzung, verschiedene Wege, um wirkungsvoll die ausländischen Internetinformationen abzublocken.

Glücklicherweise gibt es laut gestriger Ausgabe der Washington Post eine Gruppe, die „Konsortium für weltweite Internetfreiheit“ heißt. Diese Gruppe hat die Webseite internetfreedom.org. Sie bietet verschiedene kostenlose Anti-Zensur-Software an, die die Menschen nutzen können. Und tatsächlich verwenden einige in Peking stationierte Journalisten bereits diese Software, um sich Zugang zu ausländischen Webseiten zu verschaffen und senden so auch sichere E-Mails. So ist es wirklich äußerst empfehlenswert, die Webseite internetfreedom.org zu nutzen und aufzurufen, um all diese kostenlose Software zu erhalten und in China agieren zu können.

TONY JONES: Es wird interessant sein, ob dieses Interview zensiert wird und auf dem Internet in China erscheint. Doch wir müssen uns das natürlich über Nacht ansehen und schauen, was morgen passiert. In der Zwischenzeit frage ich Sie, wo die Technologie dafür, also dafür, dass die chinesische Regierung das machen kann, herkommt?

ERPING ZHANG: Ja, dank der ausländischen Konglomerate wie Yahoo, Google, Cisco und Microsoft haben über 300 ausländische Firmen einen so genannten Selbstdisziplinierungseid bei der chinesischen Behörde unterschrieben, was bedeutet, dass sie sich selbst bezüglich des Inhalts, der von den Pekinger Behörden als gefährlich eingeschätzt wird, zensieren. Somit können sich die chinesischen Nutzer innerhalb Chinas keine ausländischen verbotenen Webseiten ansehen. Es gibt einen Reporter, der versuchte, eine E-Mail ins Ausland zu senden und dank des Yahoo E-Mail-Systems zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Sie leiten seine persönliche E-Mail an die Pekinger Behörden weiter. Das ist ein Fall, den wir kennen. Doch wir glauben, dass es noch viele andere gibt, die ins Gefängnis gebracht wurden, ohne dass die Öffentlichkeit darauf aufmerksam wurde.

TONY JONES: Diese Firmen bringen das Argument vor, dass sich das System, dieses Regime mit der Zeit ändern und freier werden wird und zwangsläufig Dinge wie diese besagte Internetseite, die die Autorenschaft entschlüsselt, aus China verschwinden und sie freien Zugang zu Informationen haben werden. Denken Sie, dass das so funktionieren wird?

ERPING ZHANG: Das ist unwahrscheinlich, weil die Fakten das Gegenteil zeigen. Die Menschen in China haben immer noch keinen Zugang zu ausländischen Webseiten einschließlich der chinesischsprachigen Webseite von BBC. Bis vor kurzen war das nur auf das Medienzentrum im Olympischen Dorf beschränkt. Die Mehrheit der Menschen hat keinen Zugang zu ausländischen Seiten und kürzlich war ein Medienbericht in den Vereinigten Staaten äußerst alarmierend, in dem es hieß, dass ein internes Dokument der Cisco Gesellschaft besagt, dass sie einer Zusammenarbeit mit Peking bezüglich einer Zensur jeglichen Inhalts, der in Verbindung zu Webseiten über Falun Gong steht, zustimmen. Das ist also alarmierend, weil es US-Firmen nicht gestattet ist, mit ausländischen Regierungen bezüglich einer solchen Zensur auf amerikanischem Boden zu kollaborieren.

TONY JONES: Sagen Sie mir, wir sind fast am Ende unserer Zeit angelangt, doch sagen Sie mir, was Ihrer Meinung nach in China geschehen wird, wenn das Rampenlicht, das internationale Rampenlicht, wieder ausgeht. Ich denke, während dieser Zeit, in der es an ist, wird es eine Zeit großer Hoffnung und so weiter sein. Doch was denken Sie, wird danach passieren?

ERPING ZHANG: Ja, die Menschen werden zur Realität zurückkehren. Die Inflationsrate ist zu 11 Prozent angestiegen, 7,1 Prozent mehr im Vergleich zur Vergangenheit. Ich erwähnte die 150 Millionen der so genannten pendelnden Bevölkerung von Bauern, die aus den ländlichen Gebieten in die Stadt wandern, um Arbeit zu suchen. Sie haben 20 Millionen Arbeit suchende Menschen pro Jahr und zusätzlich 20 Prozent Hochschulabgänger, die Arbeit suchen und die Disparitätsfrage zwischen Inlands- und Küstenbewohnern und dann haben sie noch die Disparität zwischen der Land- und der Stadtbevölkerung. Außerdem ist da auch der soziale Unruhefaktor.

Im Jahr 2005 gab die Regierung zu, dass es 87.000 groß angelegte Proteste gegeben hätte. Das ist im Vergleich zum Jahr 1993 ein Anstieg um das Zehnfache. Das ist ein Anzeichen für Unzufriedenheit an der Basis mit dem Regime. Wenn Sie sich auch den finanziellen Sektor ansehen, 70 Prozent, im vergangenen Jahr wahrscheinlich 50 Prozent, des chinesischen Wachstums stammt aus der Anlageinvestition, ausländischen Direktinvestitionen, also hauptsächlich einer exportierten Wirtschaft, die sie nicht selbst aufrechterhalten können, wissen Sie, wenn sie weiterhin 10 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts haben wollen, das durch die natürlichen Ressourcen und Inlandsenergieversorgung gesichert ist.

TONY JONES: Gut, Erping Zhang, unsere Zeit ist leider abgelaufen. Hoffentlich können wir zu irgendeinem Zeitpunkt wieder mit Ihnen sprechen, vielleicht wenn die Spiele vorüber sind. Doch wir danken Ihnen sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um zu uns zu kommen und aus einer ganz anderen Perspektive über die augenblicklichen Geschehnisse in China zu sprechen. Herzlichen Dank.

ERPING ZHANG: Danke.TONY JONES: Gut, Erping Zhang, unsere Zeit ist leider abgelaufen. Hoffentlich können wir zu irgendeinem Zeitpunkt wieder mit Ihnen sprechen, vielleicht wenn die Spiele vorüber sind. Doch wir danken Ihnen sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um zu uns zu kommen und aus einer ganz anderen Perspektive über die augenblicklichen Geschehnisse in China zu sprechen. Herzlichen Dank.

ERPING ZHANG: Danke.

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