The Epoch Times: "Wan Lis Dialog" schlägt Wellen im Ausland

20.08.2009

„Viele Leute in unserer Partei, der Kommunistischen Partei Chinas, haben sich daran gewöhnt, damit zu prahlen, dass alles, was wir tun, richtig ist. Warum fangen wir nicht endlich damit an, einen klaren Bericht darüber zu geben, was in der Vergangenheit falsch war? Wie kann man diese Dinge so ungenau stehen lassen?“

Diese Sätze findet man in einer politischen Abhandlung, die die Herrschaft der KPCh verdammt. Sie hat kürzlich die Aufmerksamkeit chinesischer Dissidenten auf sich gezogen. Die entsprechenden Webseiten sind auf dem chinesischen Festland blockiert.

Die Abhandlung mit dem Titel 'Die Regierende Partei muss eine grundlegende politische Morallehre einführen' ist die Zusammenfassung von vier Gesprächen zwischen einem älteren chinesischen Staatsmann und einem jungen Professor der Parteischule des Zentralkomitees der KPCh.

Die Urheberschaft des Dialogs ist unbekannt, aber viele vermuten, dass es sich bei dem Staatsmann, der in der Abhandlung herausgestellt wird, um Wan Li handelt, den ehemaligen Minister des Sekretariats des Zentralkomitees und ehemaligen Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses – dem wichtigsten bürokratischen Parteiorgan und andererseits der zu allem Ja und Amen sagenden gesetzgebenden Körperschaft.

Obwohl die Abhandlung eine scharfe Kritik an der KPCh enthält und große Aufmerksamkeit im Internet erregt hat, haben die chinesischen Behörden auf die Anschuldigungen bislang noch nicht reagiert.

Zhang Weiguo, der Hauptherausgeber des Magazins „Trend" in Hong Kong und verantwortlich für die Webseite New Century, hat die Epoch Times darüber informiert, dass eine „wichtige Persönlichkeit in Peking" ihn damit betraut habe, am 30. Juli die erste Veröffentlichung des Artikels auf der Webseite New Century zu bringen. Die Identität des älteren Staatsmanns wurde nicht bekannt gegeben.

Für Zhang gibt es eine Reihe von Gründen, warum der Autor Wan Li sein muss. Eine Kontaktperson in Peking erklärte, dass es Wan Li sei. Wan Li gehört zu den wenigen ranghohen Veteranen der KPCh, die es wagen, das Regime zu kritisieren und Wissenschaftler innerhalb des Landes, die Zhang auch kontaktierte, waren ebenfalls der Überzeugung, dass Wan Li diesen Brief geschrieben hat.

Diese Einschätzung wird jedoch nicht von allen unterstützt. He Qinglian, chinesische Schriftstellerin und Wirtschaftswissenschaftlerin antwortete in einer E-Mail auf Nachfrage der Epoch Times, dass der Brief gefälscht sein könnte. „Einige Ausdrucksformen in dem Brief gehören nicht zu denen, die diese Leute verwenden", schrieb sie. „In einer Gesellschaft, in der der Wille des Volkes unterdrückt wird und in dem die Menschen keine Möglichkeit haben, sich zu äußern, vermehren sich Gerüchte."

Trotz des Fürs und Widers der Urheberschaft hat der Artikel heftige Diskussionen im Internet ausgelöst. In ihm ist zu lesen, dass die Herrschaft der Partei „illegal und unmoralisch" sei und dass die Unruhen der letzten Jahre der kommunistischen Partei anzulasten seien. In der ersten Woche nach Erscheinen des Artikels kam es zu Zehntausenden von Blogdiskussionen.

Gleich zu Beginn legt die Abhandlung dar, dass sich die Partei zunächst beim Ministerium für Bürgerangelegenheiten registrieren lassen müsste. „Was verbirgt sich hinter dieser Tatsache? Es bedeutet, dass unser Land kein 'Politisches Parteiengesetz' hat. Das ist schon seit 60 Jahren so, es gibt immer noch keines und es gibt auch keine Veränderung. Unser Land hat noch immer kein modernes politisches Parteisystem."

Die Abhandlung zeigt auch auf, dass es keine Trennung zwischen den Parteifinanzen und den staatlichen Finanzen gibt.

Zentrale Staatsorgane „operieren im Untergrund wie illegale Organe", liest man dort. „Es ist immer noch die Partei, die das militärische Kommando hat. Die Führerschaft des Militärs aus den Reihen der der Partei ist kein einziges Mal durch eine staatliche ersetzt worden."

Weiter steht dort: „Die Partei kommt vor dem Land" und nicht „Das Land kommt vor der Partei." „Seit sechzig Jahren hat sich das Konzept ‚Partei und Staatsführer' nicht geändert."

Wu Fan, Präsident der Chinesischen Übergangsregierung (Pro-demokratische Gruppe von Dissidenten in Opposition zur Herrschaft der KPCh) erklärte, dass die Diskussion in der Abhandlung versuche, den Unterschied zwischen China und der KPCh zu verdeutlichen. Er glaubt auch, dass Wan Li den Brief geschrieben hat und erklärte der Epoch Times, dass „Wan sein ganzes Leben dem Staat und der Partei gewidmet hat". Er fügte hinzu, dass es noch keinen Präzedenzfall dafür gebe, dass ein hochrangiger Kader der KPCh das Land an erste Stelle setze.

„Die wiederholten Niederlagen, die wir in den letzten Jahren erleiden mussten, sind alle den internen Parteikämpfen zuzuschreiben. Darüber bin ich tief traurig", steht im Brief. „So viele Jahre haben wir den Leuten erzählt, dass ohne die KPCh Chaos herrschen würde. Ihre Hoffnung auf Stabilität wird zum ‚Volkswillen', den die Partei mit aller Kraft einsetzt, um ihre Macht zu behalten. Wann wird dieser Kreis endlich durchbrochen?"

In dem Dokument wird auch von der Parteielite verlangt, sich einem Prozess des Nachdenkens zu unterwerfen: „Viele Leute in unserer Partei haben sich daran gewöhnt, damit zu prahlen, dass alles, was wir tun, richtig ist. Warum fangen wir nicht endlich damit an, einen klaren Bericht darüber zu geben, was in der Vergangenheit falsch war? Wie kann man diese Dinge so ungenau stehen lassen?"

Laut Zhang, dem Herausgeber des „Trend", tritt die Abhandlung für einen Wandel in der chinesischen Gesellschaft durch die Wiederherstellung der politischen Moral ein. „Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen einzelnen Menschen, eine politische Gruppe oder um eine regierende Partei handelt – sie alle müssen vertrauenswürdig und ehrlich sein", erklärt er.

„Nachdem sich die Partei sechzig Jahre lang durchgesetzt hat, ist es an der Zeit, auf die grundlegende Frage zurückzukommen: Was will das Land und was will das Volk?", heißt es in dem Dialog. „Die Sowjetunion hat diese Frage nie beantworten können und darum waren das Land und die Partei nach nur 69 Jahren am Ende."

In den 30ern und 40ern des zwanzigsten Jahrhunderts habe die KPCh versprochen, ein demokratisches, freies und unabhängiges Land zu schaffen. Aber diese Versprechungen wurden später abgeändert. „Zu der Zeit war ich tief erschüttert… so etwas bedeutete, respektlos mit Geschichte umzugehen und die ethischen Grundsätze der Politik auf das Gröbste zu missachten… Die Geschichte wird die Bürger immer mit der Wahrheit konfrontieren … mit der Wahrheit, die die Bürger herausfinden müssen".

Der gesamte Gesprächstext von fast 10.000 Wörtern wurde zehn Tage lang auf den Webseiten verbreitet.

Vor dem Erscheinen der Abhandlung attackierten die staatlichen chinesischen Medien jede Kritik von hochrangigen Partei-Apparatschiks – wie zum Beispiel Meng Weizai, den ehemaligen Direktor der Kunstabteilung des Propagandaministeriums, der sich öffentlich von der Partei losgesagt hat.

„Wan Lis Dialog" jedoch – so wird das Dokument genannt – wird stillschweigend hingenommen. Zhang Weiguo ist davon überzeugt, dass die Partei fürchtet, auf die Gespräche zu reagieren und dass ihr Stillschweigen auch bedeutet, dass sie keine Antwort parat hat.

David Gao, Leiter des Globalen Zentrums für den Austritt aus der KPCh, einer Freiwilligen-Organisation, die Parteimitglieder dazu ermutigt, ihre Bindungen an die Partei zu lösen, glaubt, dass der Dialog die Gefühle wiedergibt, die „alle Parteimitglieder" haben, „die sich ihrem Gewissen und ihrer menschlichen Natur verpflichtet fühlen".

Er schreibt die Führung des Dialogs über „einen unvermeidlichen Prozess der Wiederbelebung des Gewissens, des Muts und der Menschlichkeit" den in der Epoch Times veröffentlichten „Neun Kommentaren über die Kommunistischen Partei" und den Bemühungen seiner Organisation zu, die beide die Parteimitglieder ermutigen, aus der KPCh auszutreten.

„Wir haben Anrufe aus Zhongnanhai bekommen, Anrufe von sehr ranghohen Beamten und selbst von ranghohen Parteiführern. Selbst Belegschaftsmitglieder der polizeilichen Untersuchungsabteilung des Zentralkomitees lesen die „Neun Kommentare." Sie haben beschlossen, aus der KPCh auszutreten, nachdem sie sich über deren Natur klar geworden waren. Sie haben ein Gespür für Verantwortlichkeit für ihr Land und Volk entwickelt und ziehen nun das Wohlergehen anderer und ihrer selbst in Betracht", erklärte Gao in einem Interview mit der Epoch Times.

Trotz ihrer Interessen und ihres sozialen Status im System denken diese Menschen tief in ihrem Innern über die Wahrheit nach, wenn sie erst einmal die Wahrheit der Parteiherrschaft verstanden haben", sagte Gao. „Je mehr sie verstehen, desto größer ist der Schmerz, den sie empfinden."

Originalartikel (englisch): http://www.theepochtimes.com/n2/content/view/20918/
Originalartikel (chinesisch): http://epochtimes.com/gb/9/8/10/n2619210.htm

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