Die viertgrößte österreichische Tageszeitung, der Kurier, berichtete am 27. Juli 2010 über die Erlebnisse des jungen Chinesen Chen*, einem Falun Gong-Praktizierenden, während der Verfolgung von Falun Gong in China. Sie spiegeln die Brutalität der Verfolgung durch die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) wider.
Weil sie Falun Gong praktizieren, gelten Chen und sein Vater in China als Staatsfeinde. Seit drei Monaten lebt Chen nun in Österreich und hofft auf einen positiven Asylbescheid. Im Gespräch mit KURIER.at erzählte Chen seine Geschichte und die seines Vaters.
Im Jahre 1996 begann Chen gemeinsam mit seinem Vater, Falun Gong zu praktizieren. Als in China 1999 die landesweite Verfolgung einsetzte, ließen sie sich nicht beirren und praktizierten weiter. Denn Falun Gong sei nicht nur eine Meditationstechnik, sondern auch eine Lebensphilosophie, erklärte Chen. "Durch Falun Gong hat man Zugang zu einer traditionellen, kulturellen Praxis. Es geht nicht nur um Gesundheit, sondern auch darum, ein guter Mensch zu sein. Der Vater hat dadurch auch mit dem Alkohol und dem Rauchen aufgehört.“ Falun Gong sei etwas Gutes – unabhängig davon, was die Partei sage.
Als im Jahre 2000 Chens Vater im Park die Falun Gong Übungen praktizierte, wurde er verhaftet. Im Gefängnis wurden alle Falun Gong-Praktizierenden gezwungen, sich nackt auszuziehen und wurden mit eiskaltem Wasser übergossen – so dass sie vor Kälte zitterten. Einige verloren dabei das Bewusstsein. Chen: „Und dann hat man die Leute gezwungen, nass in der Sonne zu stehen, so lange, bis die Haut trocken war und sie umfielen. Sie wurden geschlagen. Man versuchte, ihren Willen zu brechen, damit sie aufgaben."
Chens Vater kam nach zwei Monaten frei, wurde später jedoch noch weitere Male verhaftet und wieder freigelassen. Beide waren gezwungen, oft den Wohnort zu wechseln. Die Polizei überwachte ihr Leben, hörte ihr Telefon ab und beeinflusste ihr Umfeld. "Die Polizei forderte meinen Arbeitgeber auf, mir zu kündigen, und die Polizei hat auch mehrmals mit meiner Mutter gesprochen. Sie sollte mich überreden, Falun Gong aufzugeben.“ 2001 hielt sie den Druck nicht mehr aus und ließ sich scheiden. Seitdem lebte Chen mit seinem Vater allein.
Die Repressalien nahmen zu
2005 wurde sein Vater erneut verhaftet. Er hatte Flugblätter mit Informationen über die Hintergründe der Verfolgung verteilt. "Vater wurde zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt. In China darf die Polizei ohne ein gerichtliches Verfahren die Leute zu gesetzlich maximal drei Jahren Zwangsarbeit verdammen. Während der Haft trat Vater aus Protest in einen Hungerstreik.“ In dieser Zeit war es für Chen als Kind sehr schwierig. Ohne Vater hatte er keinen Lebensunterhalt und er konnte nicht wirklich die Schule besuchen, weil er nie wusste, was ihm der nächste Tag brachte – etwa wo er etwas zu essen bekommen könnte. Nach der Schule versuchte er, in das Arbeitslager zu kommen und seinen Vater zu besuchen.
Erst als der Vater fast tot war, kam er wieder frei. „Nach drei Monaten hatte die Polizei Angst, dass er da drinnen starb und ließ ihn frei. Die Polizei verlangte damals sehr viel Geld von uns, 10.000 chinesische Yuan. Das ist für eine chinesische Familie extrem viel, normalerweise verdient man durchschnittlich 400 Yuan im Monat.“ Kurz darauf, im Jahre 2006, sprach sein Vater auf einem Markt mit anderen über Falun Gong und kam erneut ins Gefängnis. „Mitgefangene wurden dazu aufgefordert, ihn zu schlagen und zu demütigen. Er musste manchmal zehn Tage lang gefesselt ausharren, angekettet an Metallstangen“, berichtete Chen aufgeregt. „Nach 40 Tagen kam er frei, 20 Kilo abgemagert.“ Als sein Vater nach Hause zurückkehrte, erkannte Chen ihn zuerst nicht wieder.
Angst, überall
Es kam vor, dass die Polizei mitten in der Nacht ins Haus stürmte. „Man hat kein privates Leben mehr.“ Damals merkte Chen, dass er jeden Tag ängstlicher wurde. „Man hat immer Angst, dass im nächsten Augenblick etwas passiert."
2007 folgte die nächste Verhaftung. Wieder kam der Vater in ein Arbeitslager. Chen erzählt von besonders grausamen Foltermethoden. Dem Vater wurden die Zähne ausgeschlagen und er wurde zwangsernähert. "Allerdings geht es in China bei der Zwangsernährung im Gefängnis nicht darum, dass man überlebt, sondern es geht darum zu foltern. Ein dicker Schlauch wird durch die Nase in den Magen gelegt. Darin ist keine Nahrung, sondern es wird Salzwasser oder Pfefferwasser und menschlicher Urin hineingepumpt.“ Nach einigen Monaten rief die Polizei Chen an und sagte, sein Vater würde sterben. Chen könne schon alles vorbereiten und seinen Vater holen.
Doch sein Vater erholte sich wieder. Als Chen dann selbst verhaftet wurde, traf er die Entscheidung, ins Ausland zu fliehen. Einen Tag nach seiner Inhaftierung konnte Chen fliehen, hielt sich versteckt und flüchtete dann aus China. Im Mai 2010 kam er nach Österreich.
Sein Vater ist noch in China und weiterhin auf der Flucht. Chen hofft, ihm von Österreich aus mit Hilfe einer Menschenrechtsorganisation helfen zu können.
Anmerkung:
* Pseudonym zum Schutz von Chens Vater