Le Temps (CH): Angeklagt von einer früheren chinesischen Gefangenen, Nestlé führt eine Klausel gegen die Zwangsarbeit ein

SPIELZEUG Eine Ex-Gefangene der chinesischen Lager versichert, Kaninchen in Plüsch für Nestlé während ihrer Haft fabriziert zu haben. Nach Überprüfung dementiert die Schweizer Multinationale, jedoch will sie sich gegen jeglichen Einsatz von Zwangsarbeitern seitens ihrer Zulieferer schützen. Untersuchung..

Angeklagt von einer früheren chinesischen Gefangenen, Nestlé führt eine Klausel gegen die Zwangsarbeit ein

Nestlé hat gerade eine neue Klausel in seine Verträge in China eingeführt. Sie mag unwichtig erscheinen, deckt aber ein Problem auf, dem viele ausländische Firmen, die in diesem Land Handel treiben, ausgesetzt sein können: Der Gebrauch von Zwangsarbeit durch örtliche Vermittler. Der Fürsprecher der Multinationalen in Vevey, François Perroud, erklärt: « Von nun an muss jeder Auftraggeber einer Bestellung das formelle Einverständnis von Nestlé erhalten, bevor er einem Unterlieferanten einen Auftrag erteilt ». Genau gesagt, möchte die Firma vermeiden, durch chinesische Handelspartner in eine Falle zu geraten. Wie ist es dazu gekommen ?

Programm zur « Umerziehung »

In einer Zeitung aus Sydney berichtete letzten Dezember eine nach Australien geflüchtete ehemalige Gefangene aus einem Lager zur Umerziehung durch Arbeit (die traurig bekannten « Laogai »), wie sie, gemäss ihrer Aussagen, einen Teil ihrer zwölfmonatigen Haft Plüschhasen für Nestlé fabriziert hat. Die 35-jährige Jennifer Zeng ist ein Mitglied der Falun Gong Bewegung, welche grausam von der chinesischen Regierung seit 1999 verfolgt wird. Sie berichtet, dass sie zusammen mit 130 anderen Mitpraktizierenden gezwungen wurde, sämtliche 7 Tage einer Woche bei weniger als 4 Stunden Schlaf pro Nacht zum Entgelt von 3 Maos (6 Pfennig) pro Hase zu arbeiten. In diesem Programm der « Umerziehung » waren Durchprügeln der Verhafteten von Polizisten und Elektroschocks inbegriffen.

Jennifer Zeng erinnert sich, dass diese Hasen für Nestlé fabriziert wurden, was die Polizisten des Lagers bestätigten und für normal hielten. Sie erklärte jedoch, dass das Arbeitslager die Bestellungen nur von den lokalen Zulieferern und nicht direkt von den ausländischen Firmen erhält. In Australien hat sie diese Hasen ebenfalls auf mehreren Internetseiten von Nestlé wiedererkannt. Sie fordert eine unabhängige Untersuchung, um die Welt auf dieses Vorgehen aufmerksam zu machen.

Nach Anfrage hat die Multinationale in Vevey zugestanden, dass sie im letzten Jahr 110.000 Plüschhasen in einer Spielzeugfabrik in Peking, Firma MiQi Toys, für eine Reklamekampagne von Nesquik in China bestellt hat. François-Xavier Perroud erklärt, dass dieser « Handelspartner (joint-venture) » seine Produkte in die ganze Welt exportiert und « dass er gebührend von unseren Instanzen kontrolliert worden ist». Um darüber eine klare Sicht zu bekommen, hat Nestlé jedoch Anfang des Jahres eine Untersuchung von einem « auswärtigen spezialisierten Berater » beantragt, wobei sie darauf hingewiesen hat, dass die erzwungene oder unfreiwillige Arbeit in Gefängnissen in Widerspruch zu ihren Prinzipien sei.

Zwei Fabriken für die Produktion

Den Ergebnissen der Untersuchung entsprechend, die Nestlé uns mitgeteilt hat, hat MiQi die Hasen in zwei Fabriken produziert : Eine befindet sich in Qingdao, in der Provinz Shandong, und die andere ist in Peking unter direkter Kontrolle von MiQi. Der Inspektor von Nestlé hat in der Qingdao Werkstatt die Anwesenheit ihrer eigenen Arbeiter feststellen können. Die Fabrikation in Peking betreffend hat der Direktor von MiQi Nestlé versichert dass die Hasen in Plüsch « nur von seinen eigenen Arbeitern hergestellt waren ». Ausserdem hat das chinesische Justizministerium dem Schweizer Unternehmen mitgeteilt, dass « einer Untersuchung vom Büro für Umerziehung in Peking entsprechend, niemals Spielzeuge für Nestlé in dem von ihnen geführten Institut fabriziert wurden ». Infolge dieser «Affäre» hat Nestlé in China jedoch eine neue Klausel in ihre Verträge eingeführt.

Für Nestlé dürfte somit die « Affäre » normaler Weise geregelt sein. Dennoch sind die offiziellen chinesischen Erklärungen wenig überzeugend. Jennifer Zeng begrüsst die Reaktion von Nestlé, bezweifelt aber die Gründlichkeit ihrer Untersuchung. Sie hat kein Vertrauen zu dem chinesischen Justizministerium, da sie ein Jahr ohne Urteilsspruch gefangen gehalten wurde. Besonders bezweifelt sie die Aussagen von MiQi : « Jedermann weiss, dass die chinesischen Unternehmen eine doppelte Buchführung halten, eine für die amtliche Kontrolle und eine für den persönlichen Gebrauch ».

Jennifer war im Gefängnis von Xin’An in Tiantanghe, eines der zwei hauptsächlichen Arbeitslager für Umerziehung der Stadtverwaltung von Peking. Dieses befindet sich nahe bei der kleinen Stadt Daxing, einige Kilometer südlich der chinesischen Hauptstadt. Nach den Aussagen der früheren Gefangenen sollte die Spielzeugfabrik sich neben dem Lager befinden, denn die Frau, welche die Kartons mit dem Material für das Ausstopfen der Plüschtiere brachte, transportierte diese auf einer Rikscha.

Zufall?

Die Leitung von MiQi hat sich geweigert, uns zu empfangen, sowie die Adresse ihrer Fabrik in Peking anzugeben. Ebenso war es der Stadt nicht möglich, uns die Adresse einer Spielzeugfabrik auf seinem Gebiet anzugeben. Dennoch konnten an Ort und Stelle Bewohner in der Industriezone von Daxing sich genau an eine Plüsch-Spielzeugfabrik erinnern, insbesondere an Hasen. Sie heisse « Yinghe » und sei Ende letzten Jahres einige Kilometer weiter nach Tiangtanghe, dem Arbeitslager, umgezogen.

Wir hatten keine Möglichkeit, die Verbindung dieser Fabrik mit MiQi festzustellen. Aber Nestlé bestätigt heute, dass die Fabrik von MiQi sich genau in Daxing befindet. Einfacher Zufall? Für Jennifer existiert kein Zweifel mehr: Ein Teil der 110.000 Nesquik-Hasen ist das Ergebnis ihrer Zwangsarbeit, wofür sie bei ihrer Entlassung aus dem Gefängnis keinen Pfennig erhalten hat.

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