Schweiz: Internationaler Bund des Verlagswesens ist tief besorgt über Artikel 23

Der Vorsitzende des Ausschusses für Pressefreiheit des Internationalen Bundes des Verlagswesens (International Publishers Association, IPA) schrieb am 14. März 2003 an den Hongkonger Gesetzgeber und äußerte seine “tiefe Besorgnis“ über den Gesetzesentwurf zum Artikel 23, „der Auswirkungen auf den gesamten Buchhandel haben könne“. Kopien dieses Schreibens wurden an die Regierung Hongkongs sowie an eine Reihe von Ausschüssen und Behörden innerhalb Hongkongs und weltweit gesandt.

Der vollständige Text des Schreibens lautet wie folgt:

International Publishers Association
3, Avenue de Miremonth
CH-1206 Geneva
Tel: 41 22 346 30 18
Fax: 41 22 347 57 17
E-Mail: Secretariat@ipa-uie.org
Website: www.ipa-uie.org

Hon Mrs. Rita Fan Hsu Lai-tai
Room 523G, West Wing
Central Government Offices
Hongkong

14. März 2003

Betreff: Bestimmungen des Nationalen Sicherheitsgesetzes in Bezug auf “aufrührerische Veröffentlichungen”

Sehr geehrte Frau Fan Hsu Lai-tai,

Der Internationale Bund des Verlagswesen (IPA) ist tief besorgt über die Änderungen einer Vielzahl von Bestimmungen des Nationalen Sicherheitsgesetzes, die die Verordnungen zur Verbrechensverfolgung und zur gesetzlichen Schweigepflicht und die Gesellschaftsverordnung gemäß dem Artikel 23 zum Grundgesetz der Hongkonger SAR Regierung festlegen. Diese Änderungen können viele weitere Änderungen zur Folge haben.

Der IPA, der 1896 in Paris gegründet wurde, repräsentiert die weltweite Verlagsindustrie durch 78 nationale, regionale und spezialisierte Verlagsorganisationen in 66 Ländern. IPA ist eine anerkannte öffentliche Organisation, die einen beratenden Status innerhalb der Vereinten Nationen genießt. Das Verwaltungsbüro befindet sich in Genf, Schweiz.

Eine der wesentlichen Aufgaben der IPA ist es, die grundlegenden Freiheiten des Verlegens und des Lesens zu schützen. Er verteidigt das Recht der Autoren und Verleger auf freies Gestalten und Verlegen von schöpferischer Arbeit.

Das Nationale Sicherheitsgesetz, dass dem gesetzgebenden Rat am 26. Februar 2003 vorgestellt wurde beinhaltet zahlreiche Punkte, über die sich unser Verband große Sorgen macht.

Obwohl der Artikel 23 des Grundgesetzes durch die bestehende Legislatur so weit wie möglich vollzogen wird, und die SAR Regierung die Anforderungen des Grundgesetzes inklusive Artikel 27 und 39 vollumfänglich erfüllt, sind wir insbesondere über bestimmte Paragraphen besorgt , die sich auf Aufwiegelung beziehen.

Eine aufrührerische Publikation (9C.1) wird wie folgt definiert: „Eine aufrührerische Publikation ist eine Publikation die eine Straffälligkeit gemäß Absatz 2 (Landesverrat), 2A (Subversion) oder 2B (Abspaltung) begründet“.

Gemäß Artikel 9C macht man sich strafbar wenn man:

– „aufrührerische Publikationen veröffentlicht, verkauft, anbietet, vertreibt oder ausstellt“ (9C.2.a)
– „aufrührerische Publikationen druckt oder reproduziert (9C.2.b)
– „aufrührerische Publikationen importiert oder exportiert“ (9C.2.c)

„wenn die Publikation andere absichtlich aufhetzt macht man sich strafbar gemäß Absatz 2 (Landesverrat), 2A (Subversion) oder 2B (Abspaltung)“. Eine Verletzung von Par. 9C stellt „eine Straffälligkeit“ dar und führt zu „einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von US$ 500,000 und einer Gefängnisstrafe von 7 Jahren.“

Par. 9C steht in direkter Verbindung mit Par. 9D des Gesetzesentwurfs. Par. 9D beinhaltet Beschränkungen für Berichterstattungen über das politische und öffentliche Leben in Hongkong und China.

Der IPA ist sehr besorgt über die in dem Nationalen Sicherheitsgesetz angeführte Definition „aufrührerische Publikation“. Die vage Formulierung könnte zu Fehlinterpretationen führen. Der Begriff einer „aufrührerischen Publikation“ stellt eine klare Bedrohung für die fundamentalen Freiheiten des Verlegens und des Lesens dar.

Par. 9C betrifft den gesamten Buchhandel. Wenn Par. 9C in Kraft tritt können Autoren, Verleger, Buchhändler und Büchereien sich nie sicher sein, welche Publikation nun als „aufrührerisch“ klassifiziert wird. Darüber hinaus läuft diese Bestimmung, die auf den Import und Export von aufrührerischen Publikationen zielt, gegen das Florenzer Abkommen, an dem Hongkong und China beteiligt sind.

Falls der Begriff „Publikation“ außerdem auch die elektronischen Veröffentlichungen umfasst, sind nicht nur die gedruckten Publikationen in Hongkong bedroht, sondern möglicherweise auch sämtliche elektronischen Veröffentlichungen und Webseiten, die in Hongkong zugänglich sind. Damit wird dieses Gesetz einen bedeutenden außer-territorialen Einfluss nehmen.

Eben die Tatsache, dass Par. 9D eingefügt wurde, der den Umfang von Artikel 9C begrenzt und bestimmte Formen von freier Meinungsäußerung ausdrücklich zulässt, zeigt den lückenhaften und unbestimmten Spielraum dieser Bestimmung.

Wir teilen die Ansicht vieler Medienorganisationen, Journalisten, sowie von Vereinigungen, Organisationen und Juristen, die sich für die freie Meinungsäußerung einsetzen, dass die Einführung des Artikels 23 völlig unnötig ist, wenn man bedenkt, dass Hongkongs bestehende Gesetzgebung bereits in der Lage ist, den Schutz für die nationale Sicherheit zu gewährleisten. Der IPA ruft die Hongkonger Behörden eindringlich dazu auf, den Begriff der „aufrührerischen Veröffentlichung“ nicht zu erlassen.

Gemeinsam mit dem Internationalen Bund des Bibliothekenverbands (IFLA) appelliert der IPA mit vollstem Respekt an die Hongkonger SAR Regierung, den Autoren und Verlegern weiterhin die Freiheit zur Ausarbeitung und zum Vertrieb ihrer schöpferischen Werke zu gewährleisten. Wir hoffen inständig, dass Sie die Prinzipien wahren können, die der Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen beinhaltet: „Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht beinhaltet das uneingeschränkte Erhalten und Übermitteln von Informationen und Gedanken mittels frei gewähltem Medium“.

Hochachtungsvoll

Lars Grahn
Vorsitzender des Ausschusses
für Pressefreiheit des
Internationalen Bundes des Verlagswesens

Eine Kopie des Briefes wurde geschickt an:

Mr. Tung Chee Hwa, Chief Executive, Hong Kong SAR People&#039s Republic of China
IP Kwok-him, Chairman, National Security Bill Commission
H.E. Mr. Sha Zukand, Ambassador & Permanent Representative, Permanent Mission of the People&#039s Republic of China to the UN Office at Geneva and other International organisations in Switzerland
H.E. Mr. Wu Chuanfu, Chinese Ambassador to Switzerland
Mr. Christopher Patten, Commissioner, European Commission External Relations DG
Mr. Colin L Powell, US Secretary of State
Mr. Gil-Robles, Council of Europe&#039s Commissioner for Human Rights
Sergio Vieira de Mello, High Commissioner for Human Rights, United Nations
Mrs Milagros del Corral, Deputy Assistant Director General, Culture Sector, UNESCO
Mr. Ross Shimmon, Secretary Genera1, International Federation of Library Associations and
Institutions (IFLA)
Mr. Alex Byrne, Chair, IFLA Freedom of Access to Information and Freedom of Expression Committee
Mr. Eugene Schoulgin, Chairman, International P.E.N, writers in Prison Committee
Mr. Timothy Balding, Executive Director, World Association of Newspapers
Mr. Kjell Olaf Jensen, Chairman, Norwegian PEN Centre
Mr. Yu Youxian, Chairman, Publishers Association of China
Mrs Mechthild von Alemann, Director, Federation of European Publishers
Mrs Patricia Schroeder, President and CEO, Association of American Publishers
Mrs Nan Graham, Chair, International Freedom to Publish Committee, Association of American Publishers
Mr. Charles Clark, Secretary, Freedom to Publish Committee, UK Publishers Association

Quelle: HTTP://WWW.CLEARHARMONY.NET/ARTICLES/200303/11221.HTML

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