Sehr geehrter Meister, werte Mitpraktizierende
Ich wurde als Kleinkind in eine fremde Familie adoptiert und wuchs mit einem sehr negativen Selbstbild auf. Mein ganzes Leben lang wurde ich beständig kritisiert, war nie genug in den Augen meiner Adoptiveltern oder Lehrer. Ich empfand mich selbst mehr oder weniger als eine Störung im Leben anderer, die ohne mich wahrscheinlich glücklicher geworden wären.
Im Jahre 2014, im letzten Jahr meiner Ehe – die Scheidung war bereits von uns als nächster Schritt beschlossen – kam ich mit Falun Dafa in Berührung.
Als es nach einer gewissen Zeit darum ging, als Dafa-Jüngerin hinauszutreten, war dies sehr schwierig für mich. Ich hatte, aufgrund der jahrelangen Überangepasstheit diverse Symptome und Verhaltensweisen, die heute als „soziale Ängste“ bezeichnet werden.
Trotz dieser konnte ich auf die Hilfe des Meisters zählen und so gelang es mir, Stück für Stück und immer wieder aufs Neue hinauszutreten und die wahren Umstände zu erklären, Menschen zu kontaktieren, Anlässe zu organisieren und an Paraden und Informationsständen teilzunehmen.
Es gab jedoch noch einen Bereich in meinem Leben, der sich nicht verbesserte, sondern im Gegenteil, immer mehr verschlechterte. Es war dies die Situation mit meinem geschiedenen Mann und meiner damals noch kleinen Tochter. Nach der Scheidung vertieften sich bestehende Konflikte und jegliche Versuche meinerseits, etwas zu verändern.
Es wurde immer deutlicher, dass mein Kultivierungsweg geradewegs auf diese Baustelle zulief. Ich war mir bewusst, dass ich Teil des Problems war, aber gleichzeitig als Dafa-Jüngerin die Verantwortung dafür innehatte. In dem Masse, wie ich an das Fa und den Meister glaubte, dass Veränderung in dieser verfahrenen Situation möglich sein würde, war ich mir im gleichen Masse darüber unklar, wie das vonstatten gehen sollte.
Der Meister hat in einer Fa-Erklärung im Jahre 2016 darüber berichtet, wie er eine barmherzige Lösung für alle Menschen arrangiert hatte, was das Karma betraf, bevor sich die alten Mächte eingemischt hatten.
Der Meister sagt:
„Alles, was ich in den letzten 200 Millionen Jahren eingerichtet habe, ist von ihnen zerstört worden; ihretwegen ist es so geworden. Ursprünglich wollte ich für alles eine barmherzige Lösung finden, aber nun ist es so geworden.“ (Fa-Erklärung auf der Fa-Konferenz in New York , 15.05.2016)
Dieser barmherzige Lösungsansatz berührte mich und blieb bei mir als Hoffnung für unsere familiäre Situation hängen.
Der Meister hatte aber auch gesagt, dass es gar nicht einfach sei, große Schwierigkeiten zu überwinden. Auf der Fa-Konferenz in New York 2019 sagte er:
„ […]
ihr wisst alle, dass die Kultivierung gar nicht einfach ist. Karma muss beseitigt, Pässe überwunden werden; wie viele Reibereien der Xinxing können nicht überwunden werden, geschweige denn die großen Schwierigkeiten! Wie kann man sie überwinden? Diejenigen, die das verstehen, fürchten sich, sobald sie nur daran denken. Es ist wirklich schwierig, wirklich schwierig!“ (Fa-Erklärung auf der Fa-Konferenz in New York 2019, 17.Mai 2019)
Da eine persönliche Kommunikation zwischen meinem Exmann und mir nicht mehr möglich war, schrieb ich ihm in jenen Tagen einen Brief. In diesem gaben wir unter anderem dem Wunsch Ausdruck, mehr Abstand von ihm zu wollen. Da unsere Tochter diesen Wunsch ebenfalls in ihren eigenen Worten schriftlich äußerte, löste dies bei ihm eine starke Angst und Überreaktion aus. Er reichte Klage vor dem Familiengericht ein, um seine Rechte zu schützen.
Und so begann unser Weg der Veränderung mit einem Termin vor einer Familienrichterin. Diesem Gerichtstermin folgten über mehrere Jahre eine lange Kette von Terminen mit diversen Behörden, Psychologen und Institutionen. Dank dieser, obwohl sie das ursprüngliche Problem nicht lösen konnten, war Kommunikation und somit auch Veränderung möglich.
Die ersten Monate waren sehr zäh. Besonders hart war die Erkenntnis für mich, dass mein Exmann gar nicht an einer Verbesserung unserer Situation interessiert war, sondern die Behörden für seine Interessen einspannte. Mein innigstes Bedürfnis wäre es gewesen, den Konflikt zu lösen, Wahrheiten aussprechen zu dürfen, gute Kompromisse zu finden. Doch dies war nicht möglich. Dieser unangenehme Zustand bewegte mein Innerstes, einem wogenden Gewässer gleich. Trotzdem durfte ich erleben, dass, wenn ich etwas bei mir hatte verändern können, mir kleinste Veränderungen von seiner Seite her gespiegelt wurden. Dank dieser Zeichen wusste ich, dass es in die richtige Richtung ging.
Größere Veränderungen gab es erst, nachdem der Tiefpunkt durchschritten war. Der Tiefpunkt und die Wende kamen während der Corona-Jahre. Meine Tochter und ich lebten zu dieser Zeit von der Hand in den Mund, wir hatten sehr wenig Geld und meine Stellensuche war nach wie vor erfolglos. Meine Tochter litt sehr unter dieser Situation und flüchtete in ihre eigene Welt. Obwohl ich inmitten der Schwierigkeiten meinem Erkenntnisweg folgte, war ich doch zeitweise überfordert und ratlos. Es kann mit einem Strudel verglichen werden, und dieser veranlasste mich ab einem gewissen Zeitpunkt, mein Bemühen und Bestreben loszulassen, die Harmonisierung unserer Familie erreichen zu können. Stattdessen wandte ich mich mir selbst zu.
Der Meister sagt in Kapitel 9 des Zhuan Falun:
„Schwer zu ertragen, ist zu ertragen. Unmögliches ist möglich. Es ist wirklich so. Probier es doch später einmal aus. Wenn du wirklich in bitterer Not steckst oder dabei bist, einen Pass zu überwinden, versuch es mal.“ (Zhuan Falun, 2019, S. 480)
und weiter:
„Wenn du das wirklich schaffen kannst,
wirst du feststellen, dass wieder Licht am Ende des Tunnels erstrahlt.“ (ebenda, S.481)
Dieses Licht am Ende des Tunnels schien auf, als ich ein Gespräch mit der Gemeindemitarbeiterin hatte. Ich wollte mich über die Sozialhilfe kundig machen. Die Dame meinte nur, dass mir das Leben als Sozialhilfeempfängerin keinen Spaß machen würde. Sie empfahl mir, mir nochmals einen Ruck zu geben, die Vergangenheit loszulassen und nochmals nach einer Stelle zu suchen. Dabei zwinkerte sie mit dem Auge und wirkte überschwänglich, als sei es bereits klar, dass ich eine Stelle finden würde.
Ich konnte ihren Enthusiasmus nicht teilen. Darum war es eine Überraschung, als ich kurz darauf eine Praktikumsstelle fand. Als Betreuerin für Menschen mit unterschiedlichen Formen von körperlichen und psychischen Behinderungen.
Nach dem Praktikum erhielt ich einen festen Arbeitsvertrag und eine Stelle am Hauptsitz der Stiftung. Während dieser zweieinhalb Jahre durfte ich viele positive Erfahrungen machen. Ich hatte eine gute Chefin und nette Arbeitskollegen. Mein Alter und meine Lebenserfahrung waren plötzlich etwas Positives und anerkannt.
Im Umgang mit den Klienten wurde ich jeden Tag herausgefordert. Ich konnte das Loslassen täglich üben und auch das Aushalten. Ich erfuhr und lernte, dass man nicht sofort auf alles reagieren und eine Lösung zur Hand haben muss, denn so hatte ich mich ständig unter Druck gesetzt. Ich lernte, mich für die Emotionen und Stimmungen eines anderen nicht mehr direkt verantwortlich und schuldig zu fühlen.
Neu für mich war das Thema der Selbstfürsorge. Die Beziehung zu sich selbst war in diesem Beruf Voraussetzung dafür, dass man gesund blieb und den Klienten die nötige Sicherheit vermitteln konnte, die sie brauchten. Ich konnte in dieser Zeit viel über mich lernen und mir selbst näherkommen. Mein Gefühl über mich selbst wandelte sich zum Positiven. Ich erkannte, dass die menschlichen Kriterien dafür, ob etwas oder jemand gut oder schlecht ist, kein Fa sind, also nicht absolut, kein Imperativ und sehr durch unsere Anhaftungen und Anschauungen gefärbt, ja oft auch verzerrt sind.
Der Meister sagt im Zhuan Falun Kapitel 1:
„Die Eigenschaften Zhen, Shan, Ren sind der Maßstab zur Beurteilung von Gut und Schlecht im Kosmos.“ (Zhuan Falun, 2019, S.18)
und weiter sagt der Meister:
„ […]
Als ein Kultivierender musst du die Eigenschaften des Kosmos als Maßstab nehmen und dich danach richten, und nicht nach dem Maßstab der gewöhnlichen Menschen. Wenn du zu deinem Ursprung, zu deinem wahren Selbst zurückkehren willst; wenn du dich nach oben kultivieren möchtest, musst du dich an diesem Maßstab orientieren. Wenn ein Mensch den kosmischen Eigenschaften Zhen, Shan, Ren folgen kann, dann erst ist er ein guter Mensch. Wenn er diesen Eigenschaften zuwiderhandelt, ist er ein wirklich schlechter Mensch. Am Arbeitsplatz oder in der Gesellschaft sagen vielleicht manche, dass du schlecht bist, doch du bist nicht unbedingt wirklich schlecht. Vielleicht sagen manche, dass du gut bist, doch du bist nicht unbedingt wirklich gut. Wenn du dich als Kultivierender diesen Eigenschaften angleichst, dann bist du ein Erleuchteter. So einfach ist der Grundsatz.“ (ebenda. S.20)
Nachdem ich so viel an Anschauungen, Erwartungen, Ängsten und Wünschen hatte loslassen können, veränderte sich die familiäre Situation in großen Schritten. Ich habe unter anderem erkannt, dass auch mein Exmann unter seinen eigenen Unzulänglichkeiten leidet. Obwohl er mir nach wie vor wichtig ist, konnte ich ihn nun ganz loslassen. Ich verstehe es so, dass die karmische Schuld beglichen ist. Unsere Tochter hat sich trotz dieser Stürme gut entwickelt und wird ihren Weg machen.
Für mich kommt dieser Prozess zu seinem Ende. Ich kann auf der Gefühlsebene den vergangenen Konflikt schon beinahe nicht mehr nachvollziehen, es ist, als wäre er nie dagewesen, und der Weg der Kultivierung hat bereits einen neuen Abschnitt eingeschlagen.
Ich kann als Fazit sagen, dass ich erlebt habe, wie schwierig der Umgang mit Konflikten auf der persönlichen Ebene ist, wenn sie die eigenen Anschauungen und abzuzahlendes Karma betreffen. Es hat mir verständlich gemacht, warum Kultivierung freiwillig sein muss. Denn diese Anschauungen, die ja auch identitätsstiftend sind, gehören mir, und nur ich kann mich dazu bereit erklären, sie herzugeben.
Nach dieser Erfahrung kann ich bestätigen, dass, auch wenn der Weg der Kultivierung einen in etwas scheinbar Unlösbares, Schwieriges und Unangenehmes hineinführt, der Meister und das Fa einem einen Weg und die nötige Weisheit dafür geben werden. Man kann sich ganz auf den Meister und das Fa verlassen und dem natürlichen Lauf folgen.
In Kapitel 4 im Zhuan Falun sagt der Meister:
„Manche fragen: „Warum stoßen wir beim Praktizieren immer auf Probleme? Die Probleme unterscheiden sich kaum von denen der gewöhnlichen Menschen. Es ist deshalb so, weil du dich unter den Gewöhnlichen Menschen kultivierst. Du wirst nicht auf einmal auf den Kopf gestellt, irgendwo hingehängt oder in den Himmel gebracht und dort ein bisschen leiden gelassen. So etwas wird nicht passieren. Alles bleibt wie bei den gewöhnlichen Menschen. Irgendjemand ist heute nicht nett zu dir, irgendjemand ärgert dich, irgendjemand behandelt dich schlecht oder du wirst aus heiterem Himmel beleidigt. Dabei wird gesehen, wie du damit umgehst.“ Zhuan Falun, 2019, S.188)
Ich folge meinem weiteren Weg mit Zuversicht und wünsche mir, mich dabei noch mehr an die Eigenschaften Zhen, Shan, Ren anzugleichen.
Vielen Dank, verehrter Meister!
Vielen Dank, liebe Mitpraktizierende!
(Der Bericht wurde auf der Deutschschweizer Falun-Dafa-Konferenz 2025 vorgetragen.)



