Offener Brief von Alfredo Fava Minor

An seine Exzellenz Silvio Berlusconi Ratspräsident
An seine Exzellenz Renato Ruggiero Außenminister
An seine Exzellenz Antonio Marzano Handelsminister

Biella, am 11.10. 2001

An Ihre Exzellenzen,

Ich heiße Alfredo Fava Minor, ich bin Generalmanager der „Shanghai Famas & Hocks Technical Tectiles Co. Ltd„ eines Manufakturbetriebes mit Sitz in Jinshan, etwa 60 km von Shanghai entfernt, die rund 35 Personen beschäftigt.
Am Montag, dem 8.Oktorber 2001 bin ich auf dem Flughafen Pudong aufgehalten worden, sofort wieder in ein Flugzeug zurückgesetzt und ohne Erklärungen ausgewiesen worden. Die Folge davon ist, dass mein Betrieb nun ohne Aufsicht ist.
Natürlich ist mir der Grund, weswegen ich ausgewiesen worden bin, bewusst und ich muss bekennen, dass das Ereignis nicht ganz unerwartet eintrat. Ich bin die italienische Kontaktperson der spirituellen Bewegung Falun Gong, die aus traurigem Anlass bekannt ist wegen seiner harten Verfolgung, die sie in China erduldet. Falun Gong steht, wie sie wissen, in friedlichem Gegensatz zu politischen Verwicklungen so wie zu jeder weltlichen oder wirtschaftlichen Macht, welche von Herrn Li Hongzhi 1992 eingeführt wurde, die aber ihre Wurzeln in der alten chinesischen Hochkultur hat.
Falun Gong (oder Falun Dafa) ist im Juli 1999 in China verboten worden und von da an werden seine Anhänger verfolgt, weil sie sich friedlich geweigert haben, ihrem Glauben zu entsagen. Ich erinnere daran, dass in China auch die katholische Religion über alle die anderen Religionen hinaus, die sich von der politischen Macht nicht unterjochen lassen, verfolgt werden.

Dies sind die Ergebnisse nach 2 Jahren der Verfolgung:

296 Tote, gestorben in der Gefangenschaft
500 nur so viele haben einen Prozess erhalten, wenn auch einen ungerechten
1000 gesunde Menschen sind in psychiatrische Krankenhäuser eingewiesen worden
20.000 unrechtmäßig und ohne Prozess in Arbeitslager geschickt
100.000 gesetzwidrig festgenommen und eingesperrt.

Die verheerenden Foltermethoden sind wieder eingeführt worden, die Benutzung von Drogen, die das Zentrale Nervensystem zerstören, sexuelle Gewaltanwendungen durch Perversionen verschärft, die brutalsten Prügel, die oft den Tod zur Folge hatten, die Benutzung von Elektrostäben an den empfindlichsten Körperteilen, Zwangsabtreibungen für schwangere Praktizierende (der abartigste Fall war eine Abtreibung im 8. Monat!), nicht einmal Kinder werden verschont, vor ein paar Monaten kam eine Nachricht von der Ermordung einer jungen Mutter von 28 Jahren und ihrem acht Monate alten Baby. Die letzten Nachrichten sprechen von vielen Menschen, die starben durch einen Sturz aus den oberen Stockwerken von Wohnhäusern, während die Polizei dabei war, sie festzunehmen. Die Erklärung der Polizei ist immer der Selbstmord: Wir glauben nicht an ihre Darstellung, weil die Praktizierenden uns bekannt sind und wir glauben, dass es schnell möglich sein wird, die Wahrheit zu rekonstruieren.
Demjenigen Straffreiheit zusichern und tatsächlich den auszuzeichnen, der derartige Verbrechen begeht, die den Verfassungsgesetzen entgegengesetzt sind, zieht die politischen Spitzen des Landes direkt mit hinein.
Ich habe mehr als zwei Jahre in diesem Umfeld gearbeitet, den Tod im Herzen; heute fühle ich mich beinahe erleichtert, obgleich ich höchstwahrscheinlich mein Unternehmen verlieren werde, das ich mit großer Mühe aufgebaut habe. Ich habe nie akzeptiert, dass wirtschaftliche Interessen meinem Gewissen überlegen seien und ich werde das auch nicht einmal heute tun. Viele sagen, dass ich mir das selber eingebrockt habe. Das ist aber nicht wahr. Ich habe mit dem Praktizieren im Jahre 1995 angefangen, als das nicht nur erlaubt, sondern sogar richtig unterstützt wurde. Ich habe mit Menschen aller sozialen Schichten praktiziert, von denen viele Akademiker, Militärpersonen, Künstler, hohe Funktionäre, Journalisten, Parteimitglieder usw. waren.
Ich frage Sie, ob es richtig ist, dass ein Unternehmer auf seine eigenen Gedanken und Religionsfreiheit verzichten muss, damit er seinem Beruf nachgehen kann.
Ich frage mich, ob es je möglich und tolerierbar sei, dass ein Land wie China, ein Land uralter und hoher Kultur, in so eine Hölle für mehrere Millionen sanfter Menschen verwandelt werden darf (kann), genau an der Schwelle der wirtschaftlichen Vereinigung der Nationen.
Kann das grandiose Projekt so einer Vereinigung akzeptieren oder nicht zur Kenntnis nehmen, dass so katastrophale Unterschiede zwischen der inneren sozialen und politischen Lage der einzelnen Nationen bestehen?
Ich bitte Sie um Verzeihung, werte Herren, ich weiß, dass ich Ihnen noch eine Schwierigkeit zu all ihren anderen Problemen bereite, die Sie in einem so schwierigen Augenblick der Weltlage zu bestehen haben; ich bitte Sie jedoch, etwas zu unternehmen, nicht für mich; aber damit die Werte, an die wir alle glauben, nicht mit so viel Ungeniertheit missachtet werden können.

In vollem Vertrauen
Alfredo Fava Minor

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