Süddeutsche Zeitung: Vorsicht, die Chinesen kommen! (5.6.03)

Mehr als eine Milliarde Menschen sind böse – auf München und seinen Oberbürgermeister. Behauptet jedenfalls die offizielle Münchner Repräsentantin der leider nicht sehr repräsentativ gewählten Regierung dieser mehr als eine Milliarde Menschen in einem undiplomatisch harschen Brief an Christian Ude: „Verletzt“ habe der OB „die Gefühle des chinesischen Volkes“ und nebenbei auch die „guten Beziehungen zwischen China und Deutschland sowie die zwischen China und Bayern“, klagt Yao Yazhen, Generalkonsulin der Volksrepublik China in München. Die „tiefste Unzufriedenheit“ der Konsulin erregte ein Foto des OB. Nicht, dass es ihn zeigte, wie er mit einem Essstäbchen in der Nase bohrte, er stand nur lachend und mit einem Seidenschal angetan neben dem falschen Mann: dem Dalai Lama.

Den mag das Regime, das Yao Ya-zhen vertritt, nun überhaupt nicht. Schließlich erinnert Tibets Religionsführer daran, wie brutal Chinas Sicherheitskräfte die Menschen seiner Bergheimat unterdrücken. „Wir hoffen sehr“, drohte also die Konsulin, „dass Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, weiter zu der Ein-China-Politik stehen“ – zu jener Doktrin, welche die Unterwerfung von Minderheiten wie in Tibet oder die Bedrohung des unabhängigen Taiwan durch Chinas Großmacht ideologisch untermauert. „Was dieser Politik zuwiderläuft“, habe der OB „zu unterlassen – sonst…

München wird es herausfinden. Denn Ude findet den konsularischen Drohbrief „unverständlich“ und „vollkommen haltlos“ – und den Dalai Lama klasse. Der sei immerhin Friedensnobelpreisträger und gehöre „zu den angesehensten Persönlichkeiten“, schrieb Ude ohne viel Verständnis für die Empfindlichkeiten altkommunistischer Diktatoren zurück: „Ich lasse mir von niemandem das Recht nehmen,bedeutende Persönlichkeiten in München willkommen zu heißen.“

Die Volksbefreiungsarmee wird nun wohl auch in München einmarschieren.

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