Frankfurter Rundschau: Menschenrechte und andere Tricks

Von Harald Maass (Peking)

Wenn 2008 die Welt zu den Olympischen Spielen nach China reist, sind Pekings Polizisten vorbereitet. Der Lehrgang „Sicherheits-Englisch für Olympia“, der gerade als DVD-Film und Buch erschienen ist, soll Pekings Polizisten den richtigen Umgang mit den erwarteten zwei Millionen Ausländern beibringen. Dabei lernen die Beamten nicht nur nützliche Redewendungen auf Englisch, der Kurs gibt vor allem Aufschluss darüber, wie China die Spiele kontrollieren und Medien zensieren will: Ausländische Reporter, die über politische Probleme berichten, landen auf der Wache. Dunkelhäutige Moslems werden als Terroristen überführt.

Der aus 23 Kapiteln bestehende interne Lehrfilm, der von der Pekinger Sicherheitsbehörde produziert wurde und der Frankfurter Rundschau vorliegt, ist ein Vorgeschmack auf strikte Polizeikontrollen während der Spiele: In der Lehreinheit „Warnungen“ wird ein ausländischer Journalist mit Bart gestoppt, der mit einer Filmkamera durch Peking läuft. Die polizeiliche Befragung ergibt, dass der Journalist einen Bericht über Falun Gong macht. „Falun Gong hat nichts mit den Spielen zu tun“, erklärt der Polizist und fügt an: „Sie sind ein Sportreporter. Sie sollen nur über die Spiele berichten!“ Nach einer Belehrung, dass er wegen „illegaler Berichterstattung“ gegen Chinas Gesetze verstoßen habe, wird der Journalist zur Wache abgeführt.

Dass ausländischen Reportern nicht zu trauen ist, lernen Polizisten auch in einem späteren Kapitel. Ein afghanischer Reporter namens Gul Aghar wird wegen des Einbruchs in ein Hotelzimmer festgenommen. Nach einem heftigen Verhör durch die Polizei („Halte uns nicht zum Narren!“) macht der Mann ein Geständnis: „Um ehrlich zu sein, ich wollte nichts stehlen“, erklärt er. Weil seine Familie beim Militäreinsatz der USA in Afghanistan getötet wurde, wollte er Rache an einem Amerikaner im Hotel nehmen. Die Polizisten zeigen Verständnis: „Wir haben Sympathie für Ihr Unglück.“ Aber die „Störung der sozialen Ordnung, gerade während der Olympischen Spiele“, verstoße eben gegen das Gesetz.

Während in Chinas Wirklichkeit Verdächtige von der Polizei häufig verprügelt und Geständnisse erzwungen werden, zeigt sich die Staatsgewalt in den Lehrfilmen in Form von Musterbeamten. Vernehmungsprotokolle werden auf Englisch verfasst, Festgenommene dürfen sogar mit Anwälten reden. „Wir überführen Verdächtige durch Beweise“, erklärt an einer Stelle ein Beamter. Der Verdächtige bricht sofort zusammen: „Wenn das so ist, dann gestehe ich!“ Härte zeigen die Polizisten nur im Ernstfall: Als ein Mann mit westlichem Äußeren bei der Festnahme ausruft: „Sie verletzen meine Menschenrechte. Ich protestiere“, antwortet der Polizist schneidig: „Mach keine Tricks! Und nicht bewegen!“
Die Kurzfilme, die von westlichen Laiendarstellern und Pekinger Polizisten gespielt werden, verraten einiges über das Weltbild der Pekinger Polizei. Terroristen und Schwerverbrecher sind in den Filmen stets dunkelhäutige Moslems, stammen meist aus Afghanistan und Pakistan und heißen Ali oder Mohammed. Die einzige chinesische Provinz, die im Zusammenhang mit der Verbrechensbekämpfung erwähnt wird, ist das von der moslemischen Minderheit bewohnte Xinjiang. Westliche Ausländer tauchen meist als wohlhabende Touristen auf, die mal zu viel trinken, bei Rot über die Straße gehen und ansonsten das Gastgeberland loben. „Es ist unglaublich! Ein verlorener Geldbeutel taucht wieder auf. Nur in Peking ist das möglich“, ruft ein Besucher. Ein anderer Ausländer, vor einem Erdbeben gerettet, sagt: „Dank an all euch chinesische Polizisten.“

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