Der Standard: Jährlich 10.000 Hinrichtungen in China?

Peking – Ein Abgeordneter zum chinesischen Volkskongresses hat bestritten, die Zahl von 10.000 Hingerichteten pro Jahr in der Volksrepublik genannt zu haben. Nachdem die überregionale Jugendzeitung "Zhongguo Qingnianbao" die sonst als Staatsgeheimnis gehütete Zahl in drei Zitaten des Rechtsprofessors und Abgeordneten Chen Zhonglin genannt hatte, beschuldigte dieser das Blatt am Montag, "Unsinn zu schreiben". "Die Zahl stimmt nicht", sagte Chen, Leiter des Rechtsinstituts der Südwest-Universität in Chongqing (Tschungking), auf Anfrage. Auf die Frage, wie viele es denn seien, antwortete der Rechtsexperte verärgert: "Ich habe keine Zahl." Chen bestätigte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) nur, dass er sich dafür einsetze, alle Todesurteile vom Obersten Volksgerichtshof überprüfen zu lassen.
Die staatlich kontrollierte Zeitung hatte den Parlamentarier mit den Worten zitiert, China richte fünf Mal mehr Menschen hin als der Rest der Welt zusammen. Jedes Jahr gebe es "fast 10.000 Fälle von Todesstrafen, die in einer sofortigen Hinrichtung enden". Nach 1983 war die Prüfung der meisten Todesurteile an Gerichte auf unteren Ebenen delegiert worden. Nach Erkenntnissen von amnesty international (ai) sind die Prozesse nur eine Formalität, da die Urteile schon vorher feststehen. Menschenrechtsorganisationen werfen den chinesischen Behörden auch Handel mit Organen hingerichteter Häftlinge vor. Zum Tod verurteilte Häftlinge würden "je nach Bedarf" exekutiert, entnommene Organe zu hohen Preisen ins Ausland verkauft.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) hat am Montag das Schweigen der Europäischen Union zu Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China kritisiert und der EU "Einäugigkeit und Opportunismus" vorgeworfen. "Wer Resolutionen zu Simbabwe, Nordkorea und Burma (Myanmar) einbringt, darf zur Repression in China nicht schweigen", forderte der GfbV-Asien-Referent Ulrich Delius in Göttingen. "Es ist eine Bankrotterklärung für die europäische Menschenrechtspolitik, dass die EU trotz einer nachdrücklichen Empfehlung des Europaparlaments keinen Entwurf für eine kritische Resolution zu China einbringen wird." Kein Land verletze "in vielfältigerer Weise systematisch die Menschenrechte". Kein Staat vollstrecke mehr Todesurteile, halte mehr Menschen in Arbeitslagern fest, inhaftiere mehr Journalisten und schließe mehr Bürger von einem freien Zugang zum Internet aus. (APA/dpa)

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