Leserbrief im "Anzeiger am Rhein": Chinesen, die unter allmählichem Einfluss der Medien in China aufwachsen

Während vom 10. bis 12. Dezember 2003 in Genf der "Weltgipfel zur Informationsgesellschaft"/ "World summit on the information society" gehalten wurde, sendeten wir einen Leserbrief an die Schweizer Printmedien. Eine Woche danach, am 19. Dezember, ist der Leserbrief im "Anzeiger am Rhein" veröffentlicht worden. Normalerweise werden Leserbriefe nur veröffentlicht, wenn der Absender seinen Namen bekannt gibt. Der verantwortliche Redakteur hat jedoch den Wunsch der Schreiberin, wegen der Sicherheit ihrer Eltern anonym zu bleiben, verstanden und berücksichtigt. Wir möchten uns beim Redakteur und dem Verlag ganz herzlich bedanken.

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Im Folgenden ist der genaue Wortlaut der Veröffentlichung:

Dieser Brief wurde von einer Chinesin geschrieben, die erst seit kurzem hier in der Schweiz wohnt. Eine Freundin hat ihn vom Chinesischen ins Deutsche übersetzt. Da ihre Eltern weiterhin in China wohnen, möchte sie verständlicherweise anonym bleiben. Das Risiko, dass ihren Eltern etwas angetan würde, ist zu gross. Gerne wollte sie, dass dieser Brief vielleicht als Leserbrief veröffentlicht wird.

Chinesen, die unter allmählichem Einfluss der Medien in China aufwachsen

Ich bin eine patriotische junge Frau, die in China aufgewachsen ist. Seit meiner Kindheit genoss ich eine traditionell-chinesisch patriotische Erziehung. Zusätzlich wurde ich durch die chinesische Medienpropaganda indoktriniert, um an unsere unbeirrbare Partei zu glauben.

Vor 10 Jahren dokumentierten die Medien die Studentenbewegung am Tiananmen-Platz. Es wurde behauptet, wie Studenten Soldaten umgebracht haben und dass kein einziger Student umkam. Obwohl ich meine Zweifel daran hatte, glaubte ich doch an unsere unbeirrbare Kommunistische Partei. Als ich in den Abendnachrichten sah, wie freundlich sich unser Präsident gegenüber dem Führer Tibets verhält, verstärkte sich mein Glaube an unsere unbeirrbare Kommunistische Partei. Als ich die Szene über die Selbstverbrennung der Falun Gong Praktizierenden im Fernsehen sah, hatte ich zwar eine gewisse Skepsis, aber gegenüber dem Glauben an die Kommunistische Partei hatte ich kein bisschen Misstrauen.
Dadurch dass ich solche Informationen aus den Nachrichten und Zeitungen bekommen konnte und zudem die Informationen so einheitlich waren und es auch heute noch sind, erschienen sie mir selbstverständlicherweise sehr glaubwürdig.

Es kam der Tag, an dem ich ins Ausland gehen konnte, ich fühlte mich sehr glücklich. Ein Westler fragte mich einst woher ich kam. Ich erwiderte stolz: „China“. Seine Reaktion überraschte mich, denn sein darauf folgender Satz lautete: „Ihr habt eine grausame Regierung!“ Unfassbar fragte ich ihn, weshalb er so etwas behaupten konnte. Daraufhin erwähnte er die Studentenbewegung vor 10 Jahren. Er jedoch nannte die Bewegung „Studenten-Massaker“ und erzählte mir auf welch erbärmliche Art die Studenten getötet wurden. Obwohl seine Aussage sehr zutreffend und logisch schien, hatte ich doch noch meine Zweifel daran.
Einmal lernte ich einen Tibeter kennen. Ihm fehlte ein Finger. Als ich ihn darauf ansprach, erzählte er mir, dass er den Finger durch einen chinesischen Polizisten verlor. Der Polizist schoss ihn mit einem Gewehr ab. Zudem erzählte mir der Tibeter, dass sehr viele Tibeter durch die chinesische Regierung ums Leben kamen. Durch diese Erzählungen hegte ich langsam Zweifel an die unbeirrbare Kommunistische Partei. Ist die chinesische Regierung wirklich so unbeirrbar? Zuletzt als ich auf einen Falun Gong Praktizierenden traf, wusste ich erst, dass die Selbstverbrennung am Tiananmen-Platz auch eine Lüge der Kommunistischen Regierung war. Diese Vorführung entstand unter der Regie der Regierung um die brutale Verfolgung an den Falun Gong Praktizierenden zu rechtfertigen.

Schliesslich recherchierte ich im Web und in verschiedenen Zeitungen, und fand heraus, dass ich von klein auf mit Lügen, Erdichtungen und Täuschungen umgeben aufgewachsen bin. Sogar die Texte unserer Geschichtsbücher wurden zum Teil erfunden. Diese Erkennung schockierte mich sehr. Seither empfinde ich nur noch Verachtung.
Heute begreife ich erst weshalb viele Webseiten in China blockiert sind und weshalb die Regierung die Medien monopolisiert.
Ich darf mich als sehr glückliche Chinesin schätzen, denn ich habe in meinem Leben die Chance die Wahrheit zu erfahren. Ich hoffe, dass eines Tages noch mehr Chinesen wie ich die Wahrheit erfahren dürfen, weil wir alle ein Recht darauf haben!

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