The Economists: China – Wie sind die Geschäftsbücher eigentlich gestrickt?

Chinas Parlament war diese Woche bereit, dem Plan der Regierung bei zu pflichten, dass China für das Jahr 2002 eine Wirtschaftswachstumsrate von 7% erzielen will. Aber wie kann bewiesen werden, dass dieses Ziel erreicht wird?

Die Bewertung von Gütern und Dienstleistungen, die in einer Wirtschaft produziert werden, ist überall eine schwierige Aufgabe. In China gibt es problematische Einflußfaktoren, wie z.B. die enorme Größe des Landes, der schnelle oberflächliche Wechsel seines Quasi – Marktsystems und der weitverbreiteten Tendenz der Beamten zu lügen, um deren politisches Schicksal zu fördern. Die chinesische Regierung erklärte letzten Monat, dass ihr BIP (Bruttoinlandsprodukt) während des letzten Jahres um 7.3% gestiegen sei, was bedeute, dass China die am schnellsten wachsende Wirtschaft der Welt sei. Interessanterweise stimmen aber die von den verschiedenen Provinzen herausgegebenen Wachstumszahlen nicht mit der Gesamtwachstumsrate überein. Nur die Provinz Yunnan erklärte, dass die Produktion langsamer als der landesweite Durchschnitt gewachsen sei. Zählt man die einzelnen Wachstumsraten aller Provinzen zusammen, dann würden sie die offiziell erklärte Wachstumsrate um nahezu zwei Prozentpunkte übersteigen.

Glücklicherweise verläßt sich die Zentralverwaltung aber nicht vollständig auf die äußerst fragwürdigen Provinzstatistiken, um zu einem Ergebnis zu kommen. Stattdessen führt das „Nationale Büro für Statistik“ Beispielübersichten an und verwendet diese, um das BIP des Landes und folglich die Wachstumsrate zu schätzen. Das Ergebnis stimmt nie mit den Resultaten aus den Provinzen überein. Z.B. war im Jahre 1995 die BIP-Wachstumsrate aus den einzelnen Provinzen zusammen drei Prozentpunkte höher als die offizielle BIP-Wachstumsrate in Höhe von 10.5% ,die aus den Beispielübersichten errechnet worden war.

Aber sind die Ergebnisse durch die Beispielübersichten produziert wurden wirklich besser? Das ist eine persönliche Ansichtssache. Die Regierung besteht darauf, dass ihre errechnete BIP-Wachstumsrate zuverlässig sei. Einige Analysten, wie z.B. Herr Pu Yonghao von der „Nomura International“ in Hong-Kong glauben, dass sie in Wirklichkeit sehr ungenau seien.

In China haben bis jetzt nur wenige Fachleute versucht, detailliertere Alternativberechnungen zu veröffentlichen, da dies wegen der politischer Empflindlichkeit und Infragestellung der Regierung sehr schwierig ist. Einige, wie Herr Song Guoqing, alteingesessener Volkswirtschaftler aus einer unabhängigen Expertenkommission für den Börsenrat, glauben, dass die im letzten Jahr veröffentlichte Wachstumsrate zwischen 5% und 6% betrug. Volkswirtschaftler außerhalb Chinas vermuten, dass die bekannte Wachstumsrate in Wirklichkeit sehr realitätsfremd ist, da zum einen die in Lager liegende produzierten Erzeugnisse aus den staatseigenen Unternehmen meist überbewertet oder zum anderen die Inflation meistens nicht einbezogen wird. Thomas Rawski von der Universität Pittsburgh schätzt die Wachstumsrate im Jahre 2001 auf etwa 3% und 4%, also jedenfalls auf die Hälfte der offiziellen Angaben.

In einem letzten Jahr veröffentlichten Bericht beschreibt Herr Rawski das „Nationale Büro für Statistik“ als eine Behörde, der „die Kapazität fehlt, um Daten außerhalb der gegebenen Informationskanälen zu sammeln.“ Die benutzten Beispielübersichten seien abhängig von Einflußfaktoren unterer Beamtenebenen. In den ersten 10 Monaten des vergangenen Jahres deckten die Behörden über 62.000 Verstöße gegen das Statistikgesetz des Landes auf. In den Köpfen der Beamten überwiegt der Glauben die Gewinne zu fälschen, um einer Bestrafung von oben zu vermeiden.

Die Tendenz, die Statistiken zu frisieren nahm Ende 1990 zu, als chinesische Beamten versuchten, die Konjunktur zu fördern, um der negativen Auswirkung der asiatischen Rezession entgegenzuwirken. Letzte Jahr versuchte der chinesische Premierminister Zhu Gongji die Situation zu normalisieren, indem er dem Geschäftsbereich zu überzeugen versuchte, dass das BIP-Wachstumziel der Zentralverwaltung als Richtline und nicht als eine pflichterfüllende Vorgabe anzusehen sei. Aber es hat sich als sehr schwierig erwiesen, den Beamten das alte Denken der zentralen Planungswirtschaft auszutreiben.

Herr Rawski glaubt dass andere chinesische Statistiken Anhaltspunkte zu wirklichen Wachstumsrate bieten. Zum Beispiel wuchs zwischen den Jahren 1997 und 2000 Chinas BIP offiziell um 24.7%. Gleichzeitig fiel aber der chinesische Energieverbrauch um 12.8%. Herr Rawski weist darauf hin, dass die rapide steigende Wachstumsrate nicht durch effizienteren Energieverbrauch, geschweige denn das schnelle Industriewachstum mit leistungsfähigeren Energieverbrauch sich ausreichen erklären lasse. Außerdem seien in anderen asiatischen Länder, einschließlich China die erhöhte Wachstumsrate in den letzten zehn Jahren mit einem erhöhten Energieverbrauch, einer höheren Beschäftigungszahl und steigenden Verbraucherpreisen einher gegangen. Zwischen 1997 und 2001 wuchs die Beschäftigungszahl fast gar nicht und die Verbraucherpreise fielen um mehr als 2%.

Ein anderer Anhaltspunkt kommt von aus der zivilen Luftfahrtindustrie. Passagiere der Chinesische Fluglinie kommen aus den wohlhabenderen Schichten, wobei deren Einkommen schneller als das durchschnittliche Einkommen wächst. Folglich sollte der Passagierverkehr also schneller anwachsen, als das verfügbare Einkommen, eine der Hauptkomponente zur Berechnung des BIP, die auf das Gesamtvermögen einer Volkswirtschaft basiert. Aber Herr Rawski bemerkt, dass, trotz nachlassender Flugticketpreise im Jahre 1998 die berechneten Passagiermeilen sich nur um 2,2% zwischen 1997 und 1998 bei Inlandsflügen erhöhten, während die offizielle Wachstumsrate im Jahre 1997 8.8% und 1998 7.8% betrug.

Es gibt natürlich ebenso andere Faktoren, die das reale BIP näher an die staatlich bekanntgegebenen BIP Wachstumsrate bringen. Mao Yushi von dem „Unirule Institut der Volkswirtschaft“ in Beijing behaupted das die Zhejiang Provinz in Ost-China ihre Wachstumsrate untertrieben hätte, um die schnelle Entwicklung der privaten Wirtschaft zu verbergen. Herr Pu von Nomura behaupted, dass die wohlhabenderen Provinzen, wie Guangdong in Südchina sehr wahrscheinlich ihre Wachstumsrate untertreiben, um nicht höhere Steuern an die Zentralregierung abführen zu müssen.

Während der jährlich zweiwöchigen Sitzungsperiode des Chinesischen Parlaments, das gewoehnlich am 15. März endet, wurden keine öffentlichen Einsprüche gegen ein 7%-iges Wachstumsrateziel der Regierung für das Jahr 2002 erhoben. Selbst wenn die Zahlen um ein paar Prozentsatzpunkte übertrieben sind, ist das Wachstum höher, als im Vergleich zu den anderen asiatischen Staaten. Es ist aber unwahrscheinlich, dass viel Fortschritt in Richtung der statistischen Genauigkeit in den nächsten Jahren zu erwarten sein wird.

http://www.economist.com/world/asia/displayStory.cfm?story_id=1034342

Englische Version unter: http://www.clearharmony.net/articles/3661.html
Original vom: 18.03.02

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