Washington Post: Chinas wirtschaftliche Fassade

(Donnerstag, 21 März 2002) Entsprechend einer Aussage in der „Financial Times“ in London erklärte der chinesischer Premier Zhu Rongji vor kurzem dem Fernsehpublikum in seinem Land, dass die chinesische Wirtschaft 1998 „kollabiert“ wäre, ohne marktstimulierende Staatsausgaben, die Bejings Verschuldung auf hohem Niveau anwachsen ließen. Herr Zhu Rongji ist jemand, der seine Worte sorgfältig auswählt, obgleich die Bezeichnung „kollabiert“ alarmierend wirkt, im Rückblick gesehen vielleicht nicht so überraschend.

Offiziell hat China zur Zeit durchgehend Wachstumsraten von zum Teil über 7% zu verzeichnen. Aber bezweifelnde Berichte über die veröffentlichten Daten sind schon lange vorhanden.

Dem Besucher erschließt sich ein Bild von zigtausenden Menschen aus den ländlichen Bereichen auf den städtischen Bahnhöfen oder Gehwegen herumlungern: Genauer gesagt, nichts zu tun und keiner weiß woher und wohin mit ihnen. Große Straßenblöcke zeigen in den Städten verlassene Bauvorhaben vor, bei dem jemand das Geld ausgegangen ist. (wie der naive Gedanke, dass Geld sich wie Staub in der Lunge vervielfältigt, in dem man einfach Aktien verkauft). Fast tägliche Arbeiterproteste, zum teil gewaltsam, sind auch kein Zeichen einer gesunden Wirtschaft.

Außerdem ergeben die amtlichen Statistiken keinen Sinn: Wie kann es sein, dass der Energieverbrauch in einer boomenden Wirtschaft sinkt, begleitet von offiziell bestätigter steigender Arbeitslosigkeit? Dies ist in der Wirtschaftsgeschichte beispiellos. Schließlich ist die staatliche Kreditaufnahme zum Beschäftigungserhalt auf die sich der Premier Zhu verweist immer öffentlich bekannt gewesen. Warum war also die Stimulierung notwendig, wenn die chinesische Wirtschaft als Lokomotive im Volldampf fährt?

Wieder einmal hat das chinesische Beamtentum die westlichen Betrachter überzeugt. Die einzige bekannte Ausnahme bildet Professor Thomas Rawski an der Universität von Pittsburgh, der über die letzten Jahre durchgehend in den USA empirisch höchst anspruchsvolle Vorträge über die chinesische Wirtschaft vortrug. Dabei verglich er, basierend auf offiziellen Quellen, die chinesische Wirtschaft mit anderen schnell wachsenden Wirtschaftssystemen und gab eine wohldurchdachte Wirtschaftsanalyse ab. Er argumentiert, daß die chinesische Wirtschaft sich erst seit 1998 zu Vertragsverhandlungen eingelassen hätte.

Es gibt eine Anzahl von Personen und Gruppen für eine „Anti-Rot“ eingestellte Liste, einschließlich dem CIA und anderen in der amerikanischen Regierung, die sich unwissend geben; die teuren Berichte der Wirtschaftswissenschaftler (die zwar Rawskis Arbeit thematisch aufnahmen, als diese bekannt wurde, aber mehr ihren eigenen Arbeiten übereinstimmten) und andere Handelsberichte inklusive der westlichen und asiatischen Medien.

Wie also können so viele Menschen etwas so Wichtiges übersehen, das im Rückblick gesehen doch auf der Hand lag. Wegen der chronischen Pathologie der Chinabetrachter: Gruppendenken (in der Wissenschaft und Regierung), Furcht vor chinesischer Reaktion, Jobdruck (aus der Analystenwelt und den Medien), Gier und Wunschdenken (im Fall von Geschäfte machen). Wieder sehen wir wie gutgläubige Idioten in den Augen der Chinesen aus.

Der Grund ist, daß wir unsere Anschauungen nicht aus eigener Beobachtung und Schlußfolgerung gezogen haben, sondern von Chinas offizieller Selbstdarstellung. Wir hören dauernd von „wirtschaftliche Reformen,“ sind aber nicht in der Lage zu erkennen, dass diese weder ausgeführt, noch konsistent und gründlich sind.

Die einzige Möglichkeit, damit China genügend Arbeit für seine große Bevölkerung schafft, ist, indem sie ein freies marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem annimmt, in dem die Rolle des Staates auf Gesetzgebung und Gleichverteilung entsprechend dem Gesetz des freien Marktes beschränkt ist.

In so einem System besteht jedoch kein Platz für eine kommunistische Partei, deren Rechtfertigung, in der Theorie, seine Fähigkeit am Führen der Wirtschaft und der Gesellschaft ist. (Und dessen gegenwärtige Wirklichkeit sein Bestehen als gesetzlose Elite das eigene Land im Interesse seiner Mitglieder plündert.) So ist das Thema der notwendigen wirtschaftlichen Verbesserung ohne politische Änderung keine Frage mehr.

Es muß sich etwas nach dem Tod von Mao getan haben, um eine Massenverarmung im Land zu verhindern – aber nicht gründlich genug.

Das Resultat ist, daß sich heute Chinas wirtschaftliche Disfunktionalität geteilt hat. Auf der einen Seite sehr viele Verbraucher, d.h. Nachfrage erzeugt hat. Diese Nachfrage sollte eigentlich Güter nachfragen, so aber nicht in China. Denn die produzierten Güter werden immer noch durch die kommunistische Partei festgelegt, die die knappen Produktionsfaktoren immer noch staatliche Firmen zuteilt, die Dinge produzieren, die kein Mensch haben will und kaufen kann.

Diese Unternehmen werden durch (natürlich ungetilgte) Darlehen am Leben gehalten mit den Ersparnissen der chinesischen Bevölkerung, die in den staatlich kontrollierten Banken liegen. Die PI mal Daumenrichtlinien scheint zu sein: Bist du staatlich kontrolliert und machst Verluste, dann bist du für große Darlehen qualifiziert. Bist du privat kontrolliert und wächst stetig, dann nicht. Dies ist ein Rezept für wirtschaftlichen Kollaps und nicht für Wachstum.

Dieses Gefahrenscharade kann nicht immer so weiter gehen. Zhus Worte können bedeuten, dass sich die Partei entschieden hat, ernst zu machen, aber ich würde kein Haus darauf verwetten. In der Zwischenzeit ist es für den Rest von uns Zeit, sich ernsthaft die bequemen Annahmen zu überdenken und daran zu gehen, sich mit den ernsthaften Gefahrenpotentiale Chinas zu befassen.

(Der Verfasser ist Direktor Asiatischer Studien am „American Enterprise Institute“ und Professor für internationale Beziehungen an der Universität von Pennsylvania.)


Englische Version unter: http://www.clearharmony.net/articles/3803.html
Original vom: 26.03.02
Übersetzt am: 26.04.02
Veröffentlicht am: 28.04.2002

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