Bulletin de SwissTransplant: China – Organe von Hingerichteten und Ermordeten

Nr. / No 40 • 2007

Dass China im vergangenen Jahrzehnt trotz der rigorosen Herrschaft von Staat und Partei enorme Fortschritte in Handel, Bankenwesen, Architektur und anderen Sparten eines modernen Staates erzielt hat, ist nachgerade eine Binsenwahrheit. Auch die Medizin und mit ihr das Transplantationswesen hat diese Entwicklung mitgemacht. Nach Massstäben hochzivilisierter Länder wären in China – dem bevölkerungsreichsten Land der Erde – enorme Zahlen von Transplantationen zu verzeichnen; genaue Zahlen fehlen aber (siehe Nachsatz ), von genauen Resultaten ganz zu schweigen. Aber weniger die Transplantationsresultate als vielmehr die Herkunft der vielen Organe gibt international Anlass zu Fragen und Zweifeln. Die benötigten Organe werden nämlich zum Teil von Hingerichteten entnommen, was westliche Kenner der Szene schon vor vielen Jahren behauptet hatten, aber noch vor wenigen Jahren von den staatlichen Stellen vehement bestritten worden ist. Nun hat Mitte November 2006 der stellvertretende chinesische Gesundheitsminister Huang Jiefu an einer Chirurgenkonferenz in Guangzhou jedoch öffentlich zugegeben, dass in der Tat von exekutierten Gefangenen Organe zu Transplantationszwecken entnommen werden. Die drei nachfolgenden Ausschnitte aus kürzlich erschienenen Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften illustrieren und kommentieren diese und noch weitere barbarische Sitten.
La.

Dr. med. Torsten Trey, in :
Schweizerische Ärztezeitung 2007,
88, 141–12

Nach Aussagen von drei unabhängigen Zeugen existieren in China geheime Gefangenenlager, in denen die Inhaftierten systematisch in einer Art Organdatenbank registriert werden. Das Spender-Empfänger-Verhältnis wird umgekehrt: Die Organspender werden bereitgestellt, bevor ein potentieller Empfänger nach einem Organ fragt. Dem passend getesteten Insassen wird das gesuchte Organ entnommen, und er wird getötet. Auf Webseiten von verschiedenen chinesischen Transplantationszentren wird damit geworben, dass eine passende Spenderniere innerhalb von ein bis zwei Wochen gefunden werden kann; eine Leber- oder Herztransplantation kann auf Bestellung innerhalb von zwei bis drei Wochen durchgeführt werden.

Während eines Kongresses in Boston im Juli 2006 hatte Dr. Gao Wei aus Tianjin geäußert, dass man in seinem Krankenhaus pro Jahr 2000 Lebertransplantationen durchführe. In China, wo traditionellerweise kaum Organe gespendet werden, wirft das die Frage auf, woher die Spenderorgane stammen. Wie erst kürzlich eingeräumt, stammen die meisten Organe von exekutierten Häftlingen. Jedoch ist die geschätzte Zahl von Exekutionen weit geringer als die Anzahl der durchgeführten Transplantationen. Die Antwort auf die ungeklärte Diskrepanz scheint in diesen geheimen Gefangenenlagern zu liegen.

Das mag auch erklären, warum die Anzahl der Transplantationen in den vergangenen fünf Jahren in China exponentiell angestiegen ist, bei vergleichsweise stagnierenden Exekutionszahlen. Mit 70000 Euro für eine Spenderniere hat sich die lebende Organbank auch zu einem lukrativen Geschäft für Transplantationschirurgen in China entwickelt.

Erich Bachmann, in :
Zürcher ÄrzteZeitung, 2006,
Nr. 5, 31–32

Laut einem AP-Bericht zitierte dieTageszeitung «China » den chinesischen Vizegesundheitsminister Huang Jiefu mit den Worten, Hingerichteten würden regelmässig Organe zu Transplantationszwecken entnommen. Dies geschehe aber nur mit dem Einverständnis der Häftlinge oder deren Familien.

Solchen Aussagen stehen jedoch gegenteilige Zeugenaussagen hoher Militärs und detaillierte Aussagen unabhängiger Untersuchungen gegenüber. Ein langjähriger Militärarzt aus Shenyang, Provinz Liaoning im Nordosten Chinas, berichtete im Mai 2006 von mehr als 60 000 Dokumenten, zu denen er damals Zugang hatte. Jedes Dokument war die Zustimmung zu einer freiwilligen Organtransplantation, manche sogar speziell für eine Herztransplantation. Er sagte, alle Dokumente tragen gefälschte Unterschriften. Bei nicht erfolgreich verlaufenen Transplantationen müssen die Dokumente über die Organherkunft sowie der Leichnam innerhalb von 72 Stunden verbrannt werden. Die Verbrennung müsse durch die Militärverwaltung bestätigt werden.

Der ehemalige kanadische Parlamentsabgeordnete und Staatssekretär für Asien und den Pazifikraum, David,Kilgour, und der auf internationalem Parkett erfahrene und anerkannte Menschenrechtsanwalt David Matas bestätigten in einem am 6. Juli veröffentlichten Untersuchungsbericht die massive und fortgesetzte Ermordung von Menschen zum Zweck der Organentnahme für Transplantationszwecke in China.

Bernhard Bartsch, in:
NZZ am Sonntag, 8. April 2007, 3

Chinas Kabinett hat am Freitag erstmals ein Gesetz zur Kontrolle von Transplantationen
verabschiedet, das jede Form von Organhandel verbietet. Wie die Parteizeitung Renmin Ribao berichtet, dürfen künftig nur noch Organe von freiwilligen Spendern benutzt werden; Verstösse würden hart bestraft. Die Bestimmungen sollen am 1. Mai 2007 in Kraft treten. Der stellvertretende Gesundheitsminister Huang Jiefu bezeichnete das Gesetz als « Meilenstein ».

In einem entscheidenden Punkt bleiben die neuen Bestimmungen jedoch hinter den Forderungen von westlichen Regierungen und Menschenrechtsgruppen zurück : Die gängige Praxis, Organe hingerichteter Häftlinge zu verwenden, ist auch weiterhin erlaubt. Häufig würden die Hinrichtungstermine entsprechend der Organ-Nachfrage von Spitälern und privaten Händlern festgelegt, berichten die Menschenrechtsorganisationen. Von offizieller Seite wird das bestritten. Amnesty International beziffert die Zahl der Hinrichtungen im Jahre 2004 auf 3400 und im Jahre 2005 auf 1770. Sie zitiert aber auch einen anonymen chinesischen Regierungsvertreter, der eine Zahl von jährlich 10 000 vollstreckten
Todesurteilen nannte.

Ausserdem bestimmte das Gesundheitsministerium im November, dass Ausländer künftig nur noch in Ausnahmefällen chinesische Organe erhalten sollen. Denn China hat genug eigenen Bedarf. Derzeit warten in der Volksrepublik rund 1,5 Millionen Menschen auf eine Transplantation.

Wie gross ist die Warteliste in China ?

Sofern in der 1,3 Milliarden Einwohner zählenden Volksrepublik China rund1,5 Millionen Menschen auf eine Transplantation warten, wie Bartsch schreibt, würde dies rund 0,12 Prozent der Bevölkerung entsprechen. Gemäss den in Interlaken im Januar 2007 von Swisstransplant bekannt gegebenen Zahlen warteten in der Schweiz im Jahre 2006 1329 Patienten auf ein Organtransplantat, das sind 0,018 Prozent unserer Bevölkerung von 7,5 Millionen. Dies würde bedeuten, dass China in der Organtransplantation zumindest punkto Wartezahlen die hochzivilisierten Länder übertrifft. Organmangel? Diese und alle anderen Fragen sind noch offen!
La.

www.swisstransplant.org

Alle Artikel, Grafiken und Inhalte, die auf Yuanming.de veröffentlicht werden, sind urheberrechtlich geschützt. Deren nicht-kommerzielle Verwendung ist erlaubt, wenn auf den Titel sowie den Link zum Originalartikel verwiesen wird.

Das Neueste

Archiv