Geschichten aus dem alten China: Nicht nach Ruhm und Macht streben

Als Guang Liu Xiu während der östlichen Han Dynastie (6 v. bis 57 n. Chr.) Kaiser von China war, ernannte er den Gelehrten Heng Rong zum Hofbeamten, mit der Aufgabe seinen Sohn, den Kronprinzen, zu unterrichten.

Damals war Heng Rong sechzig Jahre alt. Er leitete eine Schule in der Stadt Jiujiang und hatte hunderte Studenten unterrichtet. Einer seiner Studenten, He Tang, wurde zum Kommandeur ernannt. He Tang schlug vor, dass Kaiser Guangwu Heng Rong zum kaiserlichen Tutor berufen sollte. Am ersten Tag, als Heng Rong an den Hof kam, erinnerte ihn He Tang daran: „Beamter zu sein ist etwas völlig anderes, als wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Ein Gelehrter sollte streng und ehrlich sein. Jedoch ein Beamter muss sich anpassen und flexibel sein. Sie haben so eine gute Chance, Lehrer des Kronprinzen zu sein. Seien Sie bitte nicht zu unnachgiebig.“

Heng Rong sagte kein Wort. Dann fügte He Tang hinzu: „Obwohl der Kaiser ein weiser Kaiser ist, liebt er es trotzdem, umschmeichelt zu werden. Ganz besonders sollten Sie den Kronprinzen nicht verletzen. Seien Sie bitte nicht zu streng mit ihm.“

Nachdem Heng Rong dies gehört hatte, war er nicht sehr glücklich darüber. Er sagte: „Sie sind mein Student. Kennen Sie mich nicht? Ich habe mein ganzes Leben geforscht. Ich schätze das Tao des Ehrenmannes und möchte kein Beamter sein. Ich nahm die Berufung des Kaisers an, weil der Kaiser weise ist und er dazu beigetragen hat, die Welt friedlich zu gestalten. Sie sind noch nicht lange Beamter, doch Sie haben gelernt, politisch trickreich zu sein und sich einzuschmeicheln. Sie versuchen sogar, mich solche Dinge zu lehren. Ich finde das bedauerlich für Sie.“

Dann wollte Heng Rong nach Hause zurückkehren. Jedoch Kaiser Guangwu wollte das nicht akzeptieren. Kaiser Guangwu sprach mehrere Male mit Heng Rong und lobte ihn: „Was Sie sagen klingt sehr gut. Ich bin sehr glücklich, Sie zu kennen. Ich wünschte, ich hätte sie früher getroffen.“

Dementsprechend ernannte Kaiser Guangwu, Heng Rong sofort zum kaiserlichen Tutor. Unerwarteterweise lehnte Heng Rong dies mit Bestimmtheit ab. Er sagte: „Ich habe nicht genügend Tugend oder Begabung. Wenn Eure Majestät mich mit einer Beamtenposition beehren will, einfach weil Eure Majestät mich mag, ist das jedoch keine weise Entscheidung. Ich bin nicht so gut wie Minister Peng Hong oder der Yangzhou Beamte Gao Hong. Es ist für Eure Majestät angemessener, diese zu befördern.“

Kaiser Guangwu seufzte: „Obwohl Gelehrte darüber sprachen, nicht nach persönlichen Ruhm und Gewinn zu streben, wie viele von ihnen können dies wirklich erreichen? Sie sind ein seltener Ehrenmann. Sie sind nicht nur anständig, sondern empfehlen mir andere, ohne Macht für sich selbst anzustreben.“ Kaiser Guangwu bestand darauf, Heng Rong als kaiserlichen Tutor einzusetzen. Er beförderte auch Peng Hong und Gao Hong zu Hofbeamten.

Peng und Gao machten sich auf, um Heng Rong zu danken. Doch Heng Rong empfing sie nicht. Er schickte ihnen eine Mitteilung, mit der Aussage: „Der Kaiser ist weise und so beförderte er Euch. Dies hat nichts mit mir zu tun. Wenn Ihr jemandem danken wollt, solltet Ihr dem Kaiser danken. Ihr müsst bei Eurer Arbeit fleißig und dem Staat gegenüber loyal sein. Das ist, was Ihr tun solltet.”

Eines Tages suchte Kaiser Guangwu die kaiserlichen Besprechungen auf. Dies geschah gerade, als die Gelehrten dort in eine hitzige Diskussion verwickelt waren. Einige Gelehrte diskutierten heftig mit geröteten Gesichtern. Heng Rong war der einzige, der ruhig blieb und höfliche Worte verwendete und keinerlei Respektlosigkeit zeigte. Kaiser Guangwu sagte zu den ihn begleitenden Beamten: „Mit Respekt argumentieren, ist, was ein wahrer Gelehrter tun sollte. Nur Heng Rong konnte so verfahren.“

Verschiedene Male versuchte Kaiser Guangwu, Heng Rong zu befördern; Heng Rong jedoch, lehnte höflich ab. Er sagte, Ihr Vertrauen ist mir die größte Ehre. Ich leiste keine großen Beiträge für das Land. Wenn ich die Beförderung annehme, weil ich nach Ruhm strebe, würde Ihre Majestät kritisiert werden und ich würde mich beschämt fühlen.“

Der Kronprinz war fleißig und wurde nach Jahren des Studierens ein richtiger Gelehrter. Heng Rong war sehr erfreut; jedoch er beantragte, von seiner Position als Lehrer des Kronprinzen zurücktreten zu dürfen. Er schrieb einige Male an Kaiser Guangwu: „Eure Majestät, ich danke Ihnen, dass sie mir die Chance gewährt haben, den Kronprinzen zu unterrichten. Der Prinz ist fähig und hat alle klassischen Lehren gelernt. Für mich ist es nun Zeit, nach Hause zurückzukehren.“

Andere rieten Heng Rong, nicht abzudanken und sagten zu ihm: „Es ist eine große Ehre, der Lehrer des Kronprinzen zu sein. Eines Tages, wenn der Kronprinz Kaiser wird, wird ihre Ehre unermesslich sein. Andere Menschen streben nach einer solchen Gelegenheit und können sie nicht bekommen. Wie können Sie das so einfach aufgeben?“

Heng Rong entgegnete: „Wenn ich so wie Ihr denken würde, wie könnte ich dann Lehrer des Kronprinzen sein? Genau, weil diese Position ehrenhaft ist, geht es nicht, dass ich sie lange behalte.“

Später wurde Kronprinz Liu Zhuang, zum Kaiser Mingdi in der Han Dynastie ernannt. Kaiser Mingdi bewunderte Heng Rong sehr und behandelte ihn mit dem einem Lehrer gebührenden Respekt. Kaiser Mingdi ging einmal zwecks religiöser Zeremonien an den Hof von Taichang und um kaiserliche Studierende zu prüfen. Der Kaiser bat Heng Rong an einen Schreibtisch zu sitzen, so als würde Heng Rong ihn unterrichten. Kaiser Mingdi rief auch einige hundert Menschen an den Hof von Taichang, darunter Hofbeamte und Heng Rongs Studenten, um Heng Rong ihre Ehrerbietung zu zeigen. Als Heng Rong krank war, kam Kaiser Mingdi persönlich, um ihn zu besuchen. Nach der Ankunft, stieg der Kaiser aus seinem Wagen und ging in die Wohnung von Heng Rong, um ihn seinen Respekt zu erweisen. Als Heng Rong starb, trug Kaiser Mingdi Trauerkleidung, um seiner Trauerfeier beizuwohnen.

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