Das Kultivierungsumfeld wertschätzen

Ein Schutzgott bestraft einen „falschen“ Mönch: in dieser Geschichte aus der Tang Dynastie (618 bis 907) geht es um das Vorspielen falscher Tatsachen. Die Kultivierung jedoch ist eine ernste Angelegenheit.

Symbolbild (Eingangstor des Tempel des Weißen Pferdes in Luoyang, Henan)

Obwohl der Mönch Si Li eine Robe trug, war er kein wahrhaftig Kultivierender. Stattdessen nutzte er die Fassade des Mönchseins als Möglichkeit, an das Geld anderer Leute zu kommen. Während der Regentschaft des Kaisers Gaozong ging er zum Wuzhen Tempel. Dort lebten ca. zehn Mönche, die die Kultivierung sehr ernst nahmen und sich täglich in den buddhistischen Lehren übten.

Sie ahnten nicht, dass der Mönch Si Li nicht im Traum daran dachte, sich wirklich zu kultivieren. Eines Tages, als die anderen Mönche still in der Meditation versunken waren, schlich er sich fort in die innere Halle und stahl die, von Besuchern gespendeten, Geschenke. Darunter waren wertvolle Stoffe aus Seide.

Es dauerte ein paar Tage, bis der Verlust bemerkt wurde. Die Entdeckung verursachte Aufregung im Tempel. Die Herzen der Mönche wurden bewegt: Wer nur hatte die Sachen gestohlen? Sie begannen einander zu verdächtigen und zu misstrauen. Bei einigen der Mönche hatten die unbegründeten Anschuldigungen eine Niedergeschlagenheit zur Folge und sie dachten daran, mit der Kultivierung im Tempel aufzuhören.

Als der Abt des Tempels von den Turbulenzen hörte, rief er die Mönche zusammen. Er sagte zu ihnen: „Erinnert euch, viele wunderbare Dinge geschahen hier in diesem Tempel. Jemand hat die gespendeten Seidenstoffe gestohlen. Ich bin sicher, dass der Schutzgott sich darum kümmern wird. Innerhalb der nächsten drei Tage wird die Wahrheit ans Licht kommen!“ Nach den eindringlichen Worten des Abtes, begannen die Mönche sich zu beruhigen und hörten auf, sich gegenseitig zu verdächtigen.

Als der Mönch Si Li des Nachts in sein Zimmer ging, stand da plötzlich eine in weiße Robe gehüllte Gottheit vor ihm. Si Li verlor augenblicklich das Bewusstsein und fiel auf den Boden.

Als Si Li am nächsten Morgen nicht kam, wollten die Mönche nachsehen, was mit ihm los war. Sie klopften an die Türe, aber niemand antwortete. Auch ließ sich die Tür nicht öffnen, da sie von innen her verschlossen war. Nun brachen die Mönche die Tür auf und erschraken: Si Li lag am Boden, bewusstlos neben der Wand. Ein großer Stein lag auf seinem Körper und die seidenen Stoffe, die er gestohlen hatte, lagen sorgfältig zusammengefaltet, aufgetürmt auf dem Stein.

Die Mönche entfernten die Stoffe und den Stein. Dann legten sie Si Li auf sein Bett. Sein Gesicht war aschgrau und er schien das Bewusstsein nicht mehr zu erlangen. Sein Anblick nahm die Mönche sehr mit. Sie taten Buße für ihn und als er aufwachte, erzählte er den Mönchen, was er während seiner Bewusstlosigkeit erlebt hatte.

„Der Schutzgott hat mich bestraft“, sagte er. „Ich habe die schlechten Dinge getan und habe auch die Seidenstoffe gestohlen.“ Noch am selben Abend verließ er, ohne sich zu verabschieden den Tempel und kehrte nie mehr zurück.

Als die Mönche sich über Si Li und die Vorfälle austauschten, stellten sie fest, dass die schlimmste Ursache aus den Diebstählen von Si Li, nicht der Verlust von materiellen Dingen war. Schlimmer waren die daraus resultierenden Konflikte und Missverständnisse zwischen den Mönchen gewesen. Si Li’s Verhalten hatte die Kultivierungsumgebung der Mönche stark beeinträchtigt und sie am fleißigen Vorankommen gehindert.

Quellen:
Geschichte „Der Schutzgott bestraft den falschen Mönch“ aus dem Buch „Treasured Tales of China Vol.3, Seite 44, Classical Poets Publishing,
Mount Hope, New York, 2020.
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