Darmstädter Echo: Unterdrückung der Werte

[Darmstädter Echo, 19.11.2001]BENSHEIM (dr). China ist für viele Bundesbürger nicht nur geografisch ziemlich weit weg. Dass die Volksrepublik in Sachen Menschenrechte Nachholbedarf hat, geistert ab und an durch die Medien. Doch in Zeiten, in denen sich die allgemeine Empörung und Berichterstattung auf die Vorfälle in Afghanistan fokusiert, rücken die Probleme in China immer mehr an den Rand der Wahrnehmung. Gegen diesen bedenklichen Trend will Jing Wang ein Zeichen setzen.

Zusammen mit ihren vier Mitstreiterinnen Ying Chu, Xi Chen, Jingying Zhou und Haiping Li nimmt die Studentin aus Berlin am „SOS-Rettungsmarsch“ für Falun Gong-Praktizierende in China teil. Am Samstag machte die Gruppe Station vor dem Bensheimer Rathaus. Der Lauf rund um die Erde hatte in Nordamerika begonnen. Über Island, Frankreich, Luxemburg, Holland und Belgien ging es nach Deutschland. Dort übernahm Jing Wang den „Sraffelstab“ am 15. November. Sie laufen die Strecke von Frankfurt nach Heidelberg. Fünf Kilometer in der Stunde, bei Wind und Wetter sind sie unterwegs, um auf die Probleme in ihrem Heimatland aufmerksam zu machen.

In Heidelberg geben sie den symbolischen Ölzweig an die nächsten Falun Gong-Anhänger weiter, die sich gen Wien aufmachen werden.

Falun Gong, eine Meditationsbewegung und Praxis für körperliche Gesundheit, hat Verbindung mit dem Buddhismus und Taoismus. Sein philosophischer Hintergrund hat alte chinesische Traditionen wieder zum Leben erweckt. Ab 1992 wurde es von Li Hongzhi in China verbreitet und wird seit rund zwei Jahren von der chinesischen Regierung unterdrückt und als eine Sekte und Bedrohung ihrer politischen Macht angesehen. Dem widersprach Jing Wang energisch: „Wir haben keine politischen Interessen. Nur auf Grund der Verfolgung unserer Anhänger sind wir an die Öffentlichkeit gegangen. Eigentlich wollen wir nur morgens und abends unsere Übungen machen und nach den Grundsätzen unserer Lehre leben.“ Barmherzigkeit, Nachsicht und Wahrhaftigkeit; diese drei Werte bestimmen das Leben der Falun Gong-Schüler.

In letzter Zeit habe sich die Lage allerdings zugespitzt. Rund 300 Falun Gong-Praktizierende habe man in China grausam zu Tode gefoltert. Dies sei lediglich eine inoffizielle Zahl. Denn auf Grund der Medien-Kontrolle werde das Thema in der Volksrepublik tot geschwiegen. „Vielleicht ist die Dunkelziffer wesentlich höher. Fest steht, dass vor allem Frauen und Kinder brutal gefoltert und zum Teil hingerichtet werden“, prangerte sie an. In einer Mappe führt sie Bilder der Verstorbenen mit, die 2000 ihr Leben für den Glauben ließen.

Hinzu kommen nach Angaben Wangs und einiger Menschenrechtsorganisationen rund 10 000 Chinesen, die in Arbeitslagern ihr Dasein fristen und etwa 1000 Menschen, die in Nervenkliniken eingesperrt wurden. 100 Millionen Anhänger praktizierten in China Falun Gong – zirka doppelt so viele, wie die Kommunistische Partei Anhänger hat. Für die fünf Frauen, die den SOS-Marsch durchführen, mit ein Grund, warum die Regierung einen so harten Kurs eingeschlagen hat.

„Wir möchten den Regierungen und den Völkern eine Botschaft überbringen: Wir brauchen dringend eure Hilfe“, betonten die engagierten Menschenrechtlerinnen. Sie leben in Deutschland zwar in Sicherheit, doch das Leben ihrer Freunde, Verwandte und Bekannte in der Volksrepublik ist bedroht.

Viele haben schon ihren Job verloren und werden in den Ruin gedrängt, berichtete Jing Wang. Nicht nur mit den Leuten auf der Straße versuchen sie in Kontakt zu treten, auch die Politiker sollen sensibilisiert werden. Gespräche mit Bürgermeistern verschiedener Gemeinden haben stattgefunden. Die Resonanz unterwegs ist durchaus positiv. Autofahrer hupen und solidarisieren sich mit der „SOS“-Marschgruppe.

Alle Artikel, Grafiken und Inhalte, die auf Yuanming.de veröffentlicht werden, sind urheberrechtlich geschützt. Deren nicht-kommerzielle Verwendung ist erlaubt, wenn auf den Titel sowie den Link zum Originalartikel verwiesen wird.

Das Neueste

Archiv