Rückblick auf die Verhaftung auf dem Tiananmen-Platz

Mein Name ist Daniel Ulrich, bin 28 Jahre alt und Schweizer Bürger. Am 20. November wurde ich auf dem Tiananmen-Platz in Peking von der chinesischen Polizei verhaftet.
Der Grund für meine Verhaftung und die meiner 35 Freunde aus der ganzen Welt wurde uns nie mitgeteilt. Wir haben uns auf dem Tiananmen-Platz versammelt, anschliessend meditiert und ein Transparent hochgehalten mit der Aufschrift: „Wahrhaftigkeit“, „Barmherzigkeit“ und „Nachsicht“. Nach ca. dreissig Sekunden kamen schon Polizeibusse auf uns zugerast und umstellten uns. Sie rissen sofort das Transparent herunter und fingen an, uns auf brutale Weise in die Polizeibusse zu verfrachten.
Mich packten die Polizisten und versuchten mich hineinzubringen. Da ich mich passiv- also absolut friedlich und ohne Gewalt der Verhaftung widersetzte, wurden die Polizisten sehr wütend. Sie begannen auf chinesisch zu schimpfen. Sie zerrten mich am Pullover in einen Bus hinein, wodurch sie mich würgten und ich fast keine Luft mehr bekam. Drinnen drückten sie mich auf den Boden, zogen meine Jacke über meinen Kopf und etwa drei Polizisten setzten sich auf mich. Der Eine drückte mir mit voller Kraft seine Faust in den Nacken und ein anderer schlug mir mit der Faust in den Rücken. Der Schlag hinterlies bei mir keine Spuren, aber als die Polizisten mich mit voller Gewallt ins Fahrzeug hinein trugen, wurden meine Rippen gequetscht (siehe Arztzeugnis). Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen, dass diese Festnahme bei über 10 Leuten sichtbare Prellungen mit Blutergüssen, ausgerissene Haare, eine gebrochene Nase, gebrochene Finger u.ä. hinterliess.
Danach wurden wir auf die Polizeistation neben dem Tiananmen-Platz gebracht, wo wir sechs Stunden festgehalten wurden. Dort versuchten sie uns psychologisch einzuschüchtern und zu destabilisieren, indem sie immer wieder einzelne von der Gruppe separieren wollten.
Wir verlangten immer wieder mit unserer Botschaft in Kontakt treten zu dürfen, was uns jedoch verweigert wurde. Uns wurde später von der chinesischen Polizei mitgeteilt, dass unsere Botschaft uns auch gar nicht sehen wolle, was natürlich absolut nicht der Wahrheit entsprach.
Nach einiger Zeit führten sie uns in kleinen Gruppen in einen Keller, wo sie uns die Pässe abnahmen, teilweise mit Gewalt. Danach steckten sie uns alle, also 36 Leute, zeitweise in eine Zelle die ca. 2 auf 5 Meter war. Dieser kalte Kerker bestand aus Beton, hatte keine Fenster nur Neonlicht.
Später wurden wir in den Konferenzsaal des Hotel Airport Garden in der Nähe des Flughafen gebracht. Dort wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt, unsere Gruppe von 20 Leuten wurde von 60 Polizisten bewacht. Wir versuchten uns zu informieren, wie es den anderen geht, und wo sie waren, jedoch bekamen wir auch darüber keine Auskunft.
Später wurden wir einzeln verhört. Danach erwarteten sie von uns, dass wir das Protokoll unterschreiben würden, welches auf Chinesisch geschrieben war. Als einige dies verweigerten, rasteten gewisse Polizisten aus und versuchten mit Gewalt eine Unterschrift zu bekommen. Einem amerikanischen Arzt wurde dreimal ins Gesicht geschlagen und mit dem Fuss in den Bauch getreten.
Obwohl ich kein Englisch spreche, bekam ich nicht einmal einen Dolmetscher und so musste ein Freund das Verhör übersetzen. Natürlich unterschrieb ich das Protokoll nicht.
Mitten in der Nacht mussten wir in kleinen Gruppen unser Gepäck im Hotel holen und wurden wieder zurück in das Gefängnishotel gefahren.
Am nächsten Morgen wurden wir zum Flughafen gebracht und ins Flugzeug nach Frankfurt gesetzt. Nach 23 Stunden Haft wussten wir uns dann wieder in Freiheit und auf dem Weg nach Europa.
Während der ganzen Zeit wussten wir nie was sie mit uns vorhatten und mit uns geschehen würde. Wir wurden immer strengstens bewacht. Sogar wenn wir auf die Toilette mussten, wurden wir von drei Polizisten begleitet und durften nicht einmal die Türe schliessen, obwohl keine Fluchtmöglichkeit bestand.
Jedes Mal wenn wir etwas zu trinken bekamen, wurde das mit mehreren Filmkameras festgehalten, wahrscheinlich für Propaganda Zwecke. Das gleiche mit dem Essen. Wir bekamen während diesen 23 Std. jedoch nur eine Malzeit, kein Frühstück. Auch bekamen wir keine Schlafmöglichkeit, obwohl wir beides ausdrücklich forderten.
Während der ganzen Zeit wurden wir physisch und psychisch unter Druck gesetzt. Es blieb uns nur durch den Rückhalt und die Bemühungen unserer Regierung eine noch brutalere Behandlung erspart.
Mir kam immer wieder der Gedanke, wie es chinesischen Falun Gong Praktizierenden ergeht, die keinen Rückhalt haben. Wie werden sie behandelt, die keine Rechte geltend machen können, da ihnen ihr Staat nicht beisteht, sondern sogar selbst für die Verfolgung verantwortlich ist. Obwohl die Polizisten wahrscheinlich den Befehl von oben erhalten hatten, uns nicht zu schlagen, kam dennoch es zu wie erwähnt zu wüsten Gewalttaten. Mir wurde klar in was für einer Lage sich die Falun Gong Praktizierenden befinden und wie sie diesem Polizeiapparat völlig schutzlos ausgeliefert sind. Ich erlebte einen winzigen Bruchteil von dem, was diesen Menschen zugefügt wird. Diese Menschen werden willkürlich gefoltert, was sogar noch durch den Staat legitimiert wird.
Es machte mich sehr betroffen, mich selbst in der ähnlichen Lage und der gleichen Umgebung vorzufinden, in denen sich chinesische Falun Gong Praktizierende tagtäglich befinden. Die Räumlichkeiten zu sehen in denen Praktizierende zu unrecht geschlagen und gefoltert werden. Mir wurde bewusst, wie es möglich ist, Leute einfach zu Tode zu foltern und so schon über tausend Falun Gong Praktizierende zu Tode kommen konnten. Mir wurde klar in welcher Lage diese Menschen sind und ich habe die Macht dieses Polizeiapparates erlebt.
Die Falun Gong Praktizierenden in China sind auf Hilfe von aussen angewiesen, da sie zur Zeit im eigenen Land keine Unterstützung erwarten können.

4. Dezember 2001
Daniel Ulrich

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