Geschichten aus dem alten China: Qin Hui, der Stinker

Am Ufer des Westsees in Hangzhou steht ein Reliquienschrein, der Yue Fei (General Yue Fei ist der am meisten gefeierte Held der südlichen Song Dynastie von 1127 bis 1279 n. Chr.) geweiht ist. Er ist bekannt durch seinen Mut und Patriotismus. Als Beschützer Chinas, der gegen die Eindringlinge aus dem Norden kämpfte, gelangte er zu hohem Ansehen. Er starb auf sehr tragische Weise, durch die Hand eines Hofbeamten, mit dem Namen Qin Hui. Vor einem Schrein stehen vier kniende Skulpturen, zwei von ihnen stellen Qin Hui und seine Frau, Madame Wang, dar. Beide haben das Land betrogen und Yue Fei ermordet.

Man sagt: Zu einer Zeit in der Ming Dynastie, trat ein neuer Provinz-Generalgouverneur in Hangzhou sein Amt an. Der Name dieses Gouverneurs war Qin und wie sich herausstellte, ist er auch ein Abkömmling von Qin Hui gewesen. Bald nach seinem Amtsantritt ging der Gouverneur mit einem Untergebenen an den Westsee. Als er an dem Schrein, zu Ehren von Yue Fei, vorbeikam und seine Vorfahren vor Yue Fei knien fand, bedeckte er eilig sein Gesicht mit einem Tuch und brachte sich in Sicherheit.

Als er ins Regierungsbüro zurückkam, war er sehr nervös. Er rief seinen Untergebenen herbei, um sich mit ihm darüber zu beraten, wie man die Eisenstatuen wegbringen könnte.

Einer seiner Untergebenen strich sich den Bart glatt, dachte ein Weilchen nach und sagte: „Wenn wir die Statuen offen wegbringen, werden die Menschen sicherlich dagegen sein und sie könnten daraus sogar einen Aufstand machen. Meiner Meinung nach wäre es besser, die beiden Statuen in den Westsee zu werfen. Wenn sie in so einem großen See auf Grund sinken, werden sie wahrscheinlich nie gefunden, auch wenn man dem See das komplette Wasser absaugen würde.“

Der Gouverneur rief: “Ausgezeichnet! Ausgezeichnet!“ Die Stauen wurden noch in der gleichen Nacht weggebracht und im See versenkt.

Am nächsten Morgen passierte unerwartet etwas sehr Merkwürdiges. Das Wasser des Westsees fing an zu riechen. Es roch so schlecht, dass die Menschen schwach wurden und erbrechen mussten, wenn sie dem Wasser zu nahe kamen.

Jemand entdeckte, dass zwei der vier Eisenstatuen vor dem Schrein von Yue Fei fehlten und schrie: “Kommt her und seht euch das an; zwei von den Statuen fehlen. Irgendjemand muss sie in den Westsee geworfen haben. Warum sollte der sonst wohl so fürchterlich stinken?“

Als man herausfand, dass zwei Statuen am Schrein von Yue Fei fehlten, gingen viele Leute zu dem Büro des Gouverneurs, um diese Vorkommnisse zu berichten. Sie forderten, dass die Verbrecher, welche die Statuen geraubt haben, festgenommen und zur Verantwortung gezogen werden.

Der Gouverneur wurde von dem Lärm der Leute geweckt und fragte seine Diener, was da vor sich ginge. Sie erzählten ihm die ganze Geschichte mit dem See. Da er ein schlechtes Gewissen hatte, befahl er einem seiner Diener, den Leuten zu sagen, dass er krank sei.

Werden die Leute weggehen? Wohl kaum. Es kamen immer mehr Leute herbei, die Menge schubste beinahe die steinernen Löwen herunter, die am Eingang des Regierungssitzes standen. Der Gouverneur fürchtete, dass etwas passieren könnte, wenn die Situation nicht unter Kontrolle gebracht wird. Darum bezwang er sich und ging hinaus, um der Menge gegenüber zu stehen. Er sagte: “Das sind alles Gerüchte! Bitte, glaubt doch nicht gleich alles.“

Das Volk sagte zum Gouverneur: “Erst wenn du es selbst gesehen hast, wirst du wissen, ob es ein Gerücht ist oder nicht.“

Die Menschenmenge umdrängte den Gouverneur und wollte, dass er mitkommt, um es mit seinen eigenen Augen zu sehen. Ihm blieb nichts andres übrig, als sich in seine große Sänfte mit acht Trägern zu setzen. Sie kamen am Westsee an; und ein paar hundert Meter von der Küste entfernt, kam ihnen ein scharfer Geruch entgegen und wehte direkt auf die Sänfte zu. Zum Glück hatte der Gouverneur noch nicht gefrühstückt. Und trotzdem fiel es ihm schwer genug, ein Erbrechen zu vermeiden.

Als sie am Seeufer ankamen, schob der Gouverneur den Vorhang seiner Sänfte zurück. Er sah nichts weiter, als eine dichtgedrängte Menschenmenge, genau vor sich. Mit stark klopfendem Herzen stieg er langsam aus seiner Sänfte und sagte: “Es ist ganz normal, dass das Wasser manchmal stinkt, ihr müsst darum nicht so einen großen Wirbel machen. Das hat meiner Meinung nach nichts mit den eisernen Statuen zu tun.“

Von da an brüllten einige Menschen in der Menge: “Wie bist Du mit Qin Hui verwandt? Warum willst du ihn sogar beschützen?“

Da wusste der Gouverneur einen Augenblick nicht, was er antworten sollte. Er beruhigte sich selbst und sagte sich: “Reg dich nicht auf! Die Stauen sind auf den Grund des Sees gesunken, wer könnte sie dort wohl finden?“ Seine Gedanken beruhigten ihn sehr und so sagte er arrogant: „Hört freiwillig damit auf, Ärger zu machen! Wenn einer wirklich die Statuen aus dem See schaufeln kann, wird dieser Beamte (er meinte sich) nachgeben und um Strafe bitten.“

Kaum waren diese Worte gesprochen, so wurde das pechschwarze Wasser des Sees, plötzlich durchsichtig und klar. Ein Paar eiserne Statuen erhoben sich vom Grund und schwammen, so als ob sie von jemandem gehoben werden, dann trieben sie genau auf den Gouverneur zu.

Dieser fürchtete sich und sein Gesicht wurde ganz gelb. Er stürzte sich kopfüber in seine Sänfte und schrie: “Lauft, lauft!“

Die Menge warf Steine hinter seinem Stuhl her, als er flüchtete. Später, als die Sänfte am Regierungssitz ankam, waren schon eine Menge Löcher in der Bedachung. Der Hinterkopf des Gouverneurs hatte drei walnussgroße Beulen. Noch in der gleichen Nacht entfloh der Nachkomme von Qin Hui aus der Stadt, wie eine erschreckte Maus und wagte nicht einmal, seine Grundausstattung mit sich zu nehmen.

Als die Statuen an Land getrieben waren, schaufelten die braven Bürger sie aus dem Wasser und setzten sie wieder, zum Knien, vor den Schrein von Yue Fei.

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