SOH Special: Ein Interview mit Martin Lessenthin von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte anlässlich der internationalen China Konferenz in Königstein

Vergangenen Freitag, am 30. März 2007 veranstaltete die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte oder kurz IGFM eine internationale China Konferenz in Königstein, in der Nähe von Frankfurt. Unter dem Motto: Menschenrechte und Wirtschaftsinteressen – China hinter den Kulissen – beleuchteten international erfahrene Experten aus Wirtschaft und Politik die Faktoren hinter der anscheinend unaufhaltsam boomenden Wirtschaft Chinas und die daraus entstehenden Chancen und Risiken für westliche Unternehmen. Neun Referenten hielten Vorträge zu Themen wie der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas, der Verwendung ausländischen Kapitals, Rechtssicherheit oder zu neuen Möglichkeiten durch die Olympischen Spiele 2008. Martin Lessenthin, Vorstandsmitglied und Sprecher des Vorstandes der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, beendet seine Rede, indem er erklärt, warum China heutzutage eine besondere Bedeutung zukommt:

"China ist qualitativ und quantitativ, darauf weise ich immer wieder gerne hin, die Nummer eins in Menschenrechtsverletzungen. Und China ist leider als Mitglied des UN-Sicherheitsrates und des Menschenrechtsausschusses die Schutzmacht Nummer eins für Menschenrechtsverletzende Staaten wie den Sudan. China steht davor wenn der Sudan wegen Darfur verurteilt werden soll; China schützt Nordkorea und verhandelt über Atompolitik im Namen von Pönjang; China beschützt die sozialistische Republik Vietnam; China liefert Kuba Schutz und zugleich Störtechnik, damit Kubaner keine freien Radio- und Fernsehsendungen sehen können, ja und China scheut sich auch nicht seine schützende Hand über Staaten wie Simbabwe und Eritrea zu halten. Diese Botschaft und die Rekorde wollen wir den Mitgliedern des Politbüros vorhalten und sie zur Umkehr mahnen."

Im Anschluss daran sprach Sound of Hope mit Martin Lessenthin, die Fragen stellte Alexander Hamrle

Wie ist es denn zur China Konferenz gekommen?

Die internationale Gesellschaft für Menschenrechte arbeitet seit 1977 für politische Gefangene und politisch Verfolgte in China. Wir haben in dieser Zeit sehr viel über die Volksrepublik berichtet und haben in einigen Fällen konkret helfen können. Ich würde mir wünschen, dass das viel mehr wäre. Ich würde mir natürlich auch wünschen, dass es in China eine positive Entwicklung gäbe. Wir stellen aber fest, dass die Entwicklung, die in China stattfindet und die mit Menschenrechten verbunden ist nur die ist, dass man die Menschenrechtsverletzungen PR-mäßig anders behandelt, sie geschickter unter den Teppich kehrt. Weiterhin ist die Volksrepublik China weltweit der Menschenrechtsverletzer Nummer eins. Daran sehen Sie, es gibt keine positive Entwicklung in der Sache. Es gibt lediglich ein immer geschickter werdendes System, dass die tatsächlichen Menschenrechtsverletzungen vertuscht und versucht an der Weltöffentlichkeit vorbeizuführen. Auf der anderen Seite verfügen wir über immer mehr Informationen, weil die Personen, die verfolgt werden und ihre Freunde, ihre Bekannten, ihre Angehörigen aufschreien und informieren. Insbesondere die nun seit gut fünf Jahren verfolgten Falun Gong-Praktizierenden haben Wege gefunden zum Beispiel über das Internet doch viele, viele Nachrichten, Beweise für Folter, Beweise für Organhandel an die Weltöffentlichkeit zu bringen.

Ist es zum ersten Mal, dass diese Konferenz oder ein derartiges Forum stattfindet?

Das ist nicht das erste Forum dieser Art, aber in Deutschland und an diesem Tagungsort tagen wir zum ersten Mal vor dem Hintergrund eines Themas, das Wirtschaftsinteressen und Menschenrechte zugleich beleuchtet. Das hat es so von einer Menschenrechtsorganisationen noch nicht gegeben. Das halte ich für ganz wichtig und bin für die IGFM und unsere Freunde und Mitveranstalter vom Verlag die Neue Epoche froh, dass wir das so aufgreifen. Denn China ist in vieler Leute Augen nicht mit diesen Weltrekorden der Folter und anderer Zwangsarbeit verbunden, sondern China, das ist der boomende Markt, das ist der große Handelspartner. Was hinter diesem Etikett steckt, was es wirklich bedeutet sehr preisgünstige Waren zu bekommen, warum die so günstig sind, dass möchten wir aufzeigen, wir möchten berichten über Zwangsarbeit, wir möchten berichten über die Gründe, warum Menschen in einem Laogai Lager landen.
Jetzt sind ja Wirtschaft und Menschenrechte gerade was China anbelangt, kontroverse Themen. Mit der Wirtschaft blendet man sehr leicht Menschenrechte aus …
Die werden so hingestellt, auf der anderen Seite gibt es viele die sagen „Wandel durch Handel“, aber diesen Wandel verspüren wir nicht in Hinblick auf die Volksrepublik China. Wir sehen nur eine Chance mit Blick auf Olympia 2008 zu nutzen, dass der Fokus der Welt auf Peking und die Sportstätten fällt. Daran möchten wir anknüpfen und die Botschaft der Menschenrechte transportieren.

Glauben Sie, dass sich durch Olympia 2008 wirklich etwas gravierendes in China verändern wird?

In China ändert sich nie etwas gravierend, wenn das nicht die Parteispitze will. Was wir können ist, mehr Menschen für die Ideale Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Freizügigkeit, Koalitionsfreiheit zu gewinnen und sie überhaupt darüber in Kenntnis zu setzen, dass es individuelle Menschenrechte gibt. Nicht nur das falsche von der Partei postulierte Recht, die Menschen anzuleiten und in der Kolonne zu führen.

In China gibt es Mediensperre, beziehungsweise Blockade von Internetseiten, wie wollen Sie das erreichen?

Die von der Volksrepublik organisierte, generelle Überwachung des Internets kann eine Menschenrechtsorganisation allein nicht aufbrechen. Da Bedarf es der Überzeugung und der Mithilfe vieler. Da Bedarf es auch der Kooperation von solchen Unternehmen wie Google und Yahoo und nicht der Kollaboration mit denjenigen die unterdrücken und das Internet sperren.

Ist Ihnen bekannt, wie viele Vertreter aus Wirtschaftskreisen am heutigen Symposium teilnehmen?

Also wir haben vor einer halben Stunde 150 Teilnehmer gezählt, und ein Drittel kommt aus der Wirtschaft, die anderen sind Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und interessierte Bürger aus der Region, die durch unsere Ankündigung auf die Veranstaltung aufmerksam wurden.

Wie schätzen Sie die Veranstaltung ein?

Ich halte die Veranstaltung vor dem Hintergrund dieses Themas in Deutschland für einen Meilenstein in der Menschenrechtsarbeit, weil wir aufzeigen, wo Wirtschaftsinteressen und Menschenrechtsproblematik einander begegnen, wo die Grenzen sind und wo man die Wirtschaft positiv nutzen kann.

Die Wirtschaft positiv nutzen heißt für sie Wandel durch Handel?

Den gibt es wie gesagt mit der Volksrepublik China nicht, zumindest nicht so schnell. Aber es gibt viele Chinesen, zum Beispiel Studenten, die in der Folge der wirtschaftlichen Beziehung nach Deutschland kommen, hier studieren und anderes kennen lernen. Es gibt auch solche Studenten, die hier als Tagungsteilnehmer plötzlich auch beginnen China mit dem zweiten Blick zu sehen, nicht nur mit dem ideologisch verblendeten, das durch die Parteipropaganda so verblendet wurde und wir sehen natürlich die Möglichkeiten durch eine Vielzahl von Begegnungen die absolute Sperre zu überwinden, durch menschliche Kontakte zum Beispiel. Und da denken wir auch, dass Olympia 2008 nicht nur eine Propagandaveranstaltung des Regimes wird, wie wir es unter Nazideutschland in Berlin erlebt haben, oder das Einheimsen von Goldmedaillen ein Beweis sein soll für die Überlegenheit eines Regimes und eines Systems, sprich der Pekinger Führung, sondern wo Olympia tatsächlich ein bisschen die Gelegenheit geben soll, dass auch einfache chinesische Bürger etwas mehr von dem kennen lernen, das nicht direkt aus dem Reich der Mitte kommt und was ihnen nicht direkt von der Führung vom Politbüro vorgesetzt wird.

Betreffend die Austrittsbewegung aus der kommunistischen Partei – wie ist da Ihre Meinung dazu?

Ich kann mir vorstellen, dass viele die Partei verlassen, aber solange eine persönliche Karriere nur über die Parteimitgliedschaft führt, wie jeder Richter in diesem System Parteimitglied sein muss, solange wird diese Partei bestehen und auch neue Mitglieder rekrutieren. Enttäuscht werden sich Leute, die andere Gedanken kennen gelernt haben von ihr abwenden, aber leider gibt es in einem Land mit einer Milliardenbevölkerung genügend Leute, die an ihre Karriere denkend, die Mitgliedschaft in der Partei suchen oder zu mindestens in Kauf nehmen.

Wie lange geben Sie der kommunistischen Partei in China noch?

Die Partei stirbt nicht biologisch aus, sie kann sich höchstens überleben. Eine Hoffnung, die viele Leute haben ist, dass es in der Partei unterschiedliche Gruppen geben möge, die andere Wege testen. Noch ist es nicht soweit und ich bin persönlich skeptisch, dass diese Reform aus dem Regime heraus wächst. Eher glaube ich, dass sich soziale Konflikte, die sich in der Volksrepublik auftürmen, Konflikte wie sie sich in Bauerndemonstrationen und in Arbeiterkundgebungen äußern, dazu führen können, dass sich neue Gruppen etwas geräuschvoller aber friedlich und etwas wirksamer in der chinesischen Gesellschaft bemerkbar machen. Dahin geht die Hoffnung. Darüber hinaus haben wir die Hoffnung, dass sich chinesische Intellektuelle und Wissenschafter, die ohnehin eine größere Offenheit zeigen für Gedanken, die ihnen nicht vorgekaut wurden, dass auch die sich an dieser Debatte beteiligen.

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