Die vier Polizisten

Wir vier Polizisten, die jüngsten in unserem Amt, unterhielten uns gerne, deshalb hießen wir unter Kollegen die „Viererclique“. Mo, der Älteste von uns, hatte einen kräftigen Körperbau. In der Kindheit hatte er bei einem alten Mann eine kurze Zeit Kungfu lang gelernt. Sein Meister meinte, dass er keine Kungfu-Tugenden besäße und beendete den Unterricht. Herr Wang, der zweite von uns, war schlank und ein Jahr jünger als Herr Mo. Sein Charakter war so schwankend wie sein Gang, nie bezog er klar Stellung. Frau Qin, die Jüngste unter uns, war bescheiden, sparsam und legte keinen besonderen Wert auf Kosmetik. Unser Chef, Herr Dong, den ich auch gerne erwähne, geht bald in Pension. Man munkelt, dass er nicht ganz normal sei, da er weder mit seinen Untergebenen noch mit den Vorgesetzten gut zurecht kam, ansonsten wäre er schon längst befördert worden.

Seit Juli 1999 waren immer wieder Falun Gong-Übende nach Peking gereist, um an höhere Instanzen zu appellieren. Nach einer Anordnung von Luo Gan, einem Mitglied des Politbüros der chinesischen KP, sollten alle, die aus diesem Grund nach Peking kommen, sofort verhaftet werden. Sie kamen u.a. von Sichuan aus dem Südwesten oder von Guangdong aus Südchina. Wenn man von ihrer Ankunft wusste, wurden sie gefasst, kaum daß sie aus dem Zug ausstiegen. Herr Wang fand das Verfahren gut: „Der Parteichef Jiang Zemin versucht mit dieser Methode, alles schon im Entstehen auf möglichst reibungslose Weise aus dem Weg zu räumen. In Zukunft wird Jiang sicherlich zu einer Weltgröße aufsteigen, weil er den Marxismus und Leninismus vorangebracht hat.“ Frau Qin dachte über die neue Situation anders. „Es ist nicht nur boshaft und gemein, sondern auch einfach willkürlich. Früher hätten der Erste Parteichef Mao Zedong und der Zweite Parteichef Deng Xiaoping so etwas nicht einfach getan. Wie kann man wissen, ob es einen guten oder schlechten Einfluss hat, wenn man es bereits im Keim erstickt? Sie dürfen nicht einmal frei ihre Meinung äußern, werden in Arbeitslager gesperrt und rechtswidrig verurteilt. Das ist wirklich zu despotisch!“

Eigentlich glaubte man, eine schnelle Lösung für Falun Gong gefunden zu haben. Doch begaben sich immer mehr Lernende nach Peking, um Gerechtigkeit zu fordern. Sie hatten offensichtlich keine Angst, und wir konnten sie auch nicht alle erwischen. Manche wiederum haben wir mehrmals festgenommen. Schließlich war unser kleines abgelegenes Polizeiamt vollauf mit dieser Aufgabe beschäftigt. Zu Anfang brauchten wir sie nach der Festnahme und den Verhören nur nach Hause zurückzuschicken. Nachdem Jiang Zemin in einer Rede gesagt hatte, es sei erlaubt, die Falun Gong-Praktizierenden „zu Tode zu schlagen", kamen sie nicht mehr so leicht aus der Dienststelle heraus. Einige mussten raus getragen werden und ich glaube, sie hatten keine Chance mehr zu überleben. Das übliche Verfahren verlief so: Jedes Mal, wenn einige Leute verhaftet wurden, fing Mo an sie zu schlagen. Wang stand daneben und beleidigte sie in einem fort, während Frau Qin in einem Heft den Sachverhalt notierte. Ich beschäftigte ich mich vorzugsweise mit Nebensächlichkeiten, um dem Ganzen aus dem Weg zu gehen. Dagegen schlugen die Fäuste von Mo immer fester zu. Er setzte dabei seine ganze Kraft ein. Manchmal war es so schlimm, dass seine Opfer aus Mund und Nase stark bluteten. Ihr ganzer Körper war grün und blau. Trotzdem wollte dieser Unmensch nicht aufhören. Schwächliche Frauen konnten sich bereits nach wenigen Schlägen nicht mehr auf den Beinen halten. Jedes Mal dachte ich in solchen Situationen, Gott sei Dank, dass sein früherer Kungfu-Meister die Vernunft besaß, ihn früh aus dem Kongfu-Kreis herauszunehmen und Mo so nicht noch härtere Kampfarten lernen konnte. Sonst hätte er schon längst einige Menschen zu Tode misshandelt. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als Frau Qin neu bei uns war und Herr Mo sie sexuell belästigte. Sie hat ihn mehrmals angeschrieen, bis er endlich von ihr ab ließ. Sobald jetzt eine junge Frau verhaftet wurde, stürmte er zu auf sie zu und führte eine "Leibesvisitation" durch. Wenn sich das Opfer wehrte, schlug er die Frau halb tot. Ich kann mir ausmalen, was passieren würde, wenn er allein mit einer verhafteten Frau zusammen wäre. Die nächste Anweisung des Partei Chefs Jiang Zemin lautete, „Gebt Todesfälle als Selbstmord aus“. Seitdem hörten wir, dass unsere Kollegen in den verschiedenen Städten gnadenlos mit Falun Gong-Praktizierenden umgehen.

Seit dem Verbot von Falun Gong in China sind zwei Jahre vorbeigegangen. Aber es wurde nicht nur in China nicht entwurzelt, sondern ist auch im Ausland immer populärer geworden. Webseiten, wie Minghui und Zhengjian, von denen früher niemand wusste, sind mittlerweile weltbekannt. Wir haben auch gehört, dass Jiang Zemin sehr viel vom Internet versteht. Einmal hatte er die Zuständigen vom Ministerium für Öffentliche Sicherheit in China zu sich bestellt und stark kritisiert. Er meinte, sie hätten überhaupt keine Ahnung vom Internet. Daher ordnete er an, die Internet-Kontrolle zu intensivieren und die Webseiten von Falun Gong genau zu überwachen. Das ging soweit, dass unsere kleine Dienststelle auch einen Computer bekam. Frau Qin war dafür zuständig, nützliche Informationen zu sammeln. Wenn sie Zeit hatte, ging sie ins Internet, um uns sie rechtzeitig über aktuelle Nachrichten betreffend Falun Gong zu informieren. Es geschah jedoch das Gegenteil, Frau Qin sprach immer weniger von Falun Gong. Wurde sie gefragt, was Falun Gong zur Zeit mache, erzählte sie z.B. von einer Fa-Konferenz in Los Angeles oder daß eine Demonstration in Kanada stattgefunden hatte. Sie hatte offensichtlich vor allem Interesse daran, sich mit Falun Gong im Ausland zu beschäftigen. Sie erzählte jedoch nichts, was für uns als Informationen nützlich gewesen wäre.

Ich selbst verstand nie, weshalb die Falun Gong-Praktizierenden immer wieder Bittgesuche einreichen wollten, auch wenn es für sie Festnahme und Misshandlungen bedeutete? Ich fand das Verhalten einfach zu dumm. Es wunderte mich besonders, weil sich unter ihnen auch viele junge Menschen, Akademiker, Funktionäre usw. befanden. Sie sollten doch wissen, wie gefährlich das ist! Die Falun Gong-Praktizierenden sagten immer wieder, das "Zhuan Falun", das Hauptwerk von Falun Dafa, sei ein wahrer Schatz. Das Buch habe ihnen zu einem neuen Leben verholfen. Vielen von ihnen macht es nicht viel aus, wenn sie verhaftet oder geprügelt werden, wenn man ihnen jedoch das Buch wegnehmen will, dann geben sie es nicht freiwillig aus der Hand. Nach einiger Zeit wurde ich neugierig auf das Buch. Wenn ich allein war, blätterte ich in einem beschlagnahmten Buch. Als ich "Zhuan Falun" zum ersten Mal sah, war ich ein bisschen enttäuscht; der Einband und die Titelseite waren ganz schlicht. Aber ich überlegte, wenn das Buch als Schatz betrachtet wird, muss es etwas Besonderes enthalten. Aus Neugier fing ich an das Buch heimlich zu lesen. Beim ersten Mal, soviel ich weiß, bemerkte ich etwa folgendes: … Der Mensch bekommt nach Ansicht der hohen Lebewesen das Leben, nicht um Mensch zu werden, sondern um zum Ursprung und zum Wahren zurückzukehren. Weiter stand ungefähr noch darin: Die Menschen sind von einer hohen Ebene auf eine niedrigere Ebene und später auf eine noch niedrigere Ebene heruntergefallen. Ich war sprachlos. Ich hatte mich noch nie um diese Frage gekümmert. Nicht, dass ich nie darüber nachgedacht hätte, aber ich habe noch nie gehört, daß dies überhaupt ein Problem ist. Aber wie sieht ein hohes Lebewesen aus? Wie kann man zurückkehren? Später erfuhr ich, wenn man zurückkehren will, muss die Xinxing (die moralische Herzensqualität) kultiviert werden. Die Kultivierung von Xinxing bedeutet, dass man vor allem ein guter Mensch werden muss, dass man nicht zurückschlägt, wenn man geschlagen wird und nicht schimpft, wenn man selbst beschimpft wird. So verstand ich auch zum ersten Mal, weshalb sich die Falun Gong-Leute nie wehrten und auch niemals zurückschimpften.

Im "Zhuan Falun" stand noch etwas, von dem ich auch nie zuvor gehört hatte. Der Mensch besitzt zwei Substanzen, nämlich eine weiße Substanz "De“ und eine schwarze Substanz das "Karma". Sie bestimmen, wie viel Material zum Leben ein Mensch besitzt, und wie der Zustand der Gesundheit eines Menschen ist und daß alle Krankheiten von Karma verursacht sind. Nachdem ich das gelesen hatte, war ich wirklich froh, dass ich niemals einen Menschen geschlagen oder beleidigt hatte, denn sonst hätte ich dadurch viel Tugend verloren. Manches, was ich las, fand ich richtig, manches sogar prima. Aber an einigen Stellen zweifelte ich. Trotzdem fand ich, alles muß richtig sein, was einen zu einem guten Menschen machen kann. Auch meine Mutter hatte bei meiner Erziehung großen Wert auf Moral und Tugendhaftigkeit gelegt, obwohl sie keine richtige Ausbildung genossen hatte. Später reichte es mir nicht mehr, nur im Buch zu Blättern, also nahm ich das Buch „Zhuan Falun“ mit nach Hause.

Einen Tag später verhaftete unsere Polizeidienststelle eine alte Frau. Sie benahm sich von Anfang an anders als andere. Ganz entspannt und locker betrat sie unsere Dienststelle. Als Mo wie sonst mit dem Prügeln anfangen wollte, sah ihn die Frau nur kurz einmal an, und schon ließ er seine fest geballten Fäusten fallen. Da Mo nicht anfing zu schlagen, blieben auch die Beschimpfungen des Kollegen Wang aus. Ganz im Gegensatz zum üblichen Verfahren führte diesmal Frau Qin das Verhör durch.

Am nächsten Tag waren alle Kollegen zufälligerweise nicht da und ich war alleine mit der festgenommenen Frau. Sie wollte mit mir reden. Ohne nachzudenken setzte ich mich mit ihr zusammen an einen Tisch. Zuerst sah sie mich eine Weile an. Ich fühlte mich, als ob sie mir bis direkt in mein Herz sehen konnte. Sie fragte mich, ob ich "Zhuan Falun" gelesen hätte. Da ich nicht wusste, wie ich antworten sollte, schwieg ich. Also erzählte sie mir von dem Buch. Manches hatte ich im Geheimen gelesen. Ihr klarer und weicher Ton berührte mich sehr. Langsam senkte ich den Kopf. Ich traute mich nicht, ihr in die Augen zu sehen. Denn sie hatte helle Augen und hatte einen aufrichtige, würdevollen und gütigen Gesichtsausdruck. Ich hörte aufmerksam zu und war voller Vertrauen. Außerdem hatte ich ein schwer zu beschreibendes Gefühl, denn sie schien sich aufrichtig große Sorgen um mich zu machen. Zum Schluss verstand ich nichts mehr von dem, was sie sagte. Ich merkte nur, dass ihre Rede wie ein klarer und warmer Strom direkt in mein Herz floss. Plötzlich konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihre Rede beeindruckte mich so sehr, dass ich total erschüttert war.

Als ich am Abend nach Hause kam, wusch ich mir zuerst die Hände. Anschließend holte ich das Buch heraus. Ohne eine Pause las ich Dutzende von Seiten. Dieses Mal war das Buch leicht zu verstehen, weil ich ohne Zweifel und Vorurteil las.

Die alte Dame wurde bei uns einige Tage lang eingesperrt und dann wieder nach Hause geschickt. Während dieser Zeit hatte sie immer die Möglichkeit, mir von ihren Erfahrungen von der Kultivierung zu erzählen. Vom zweiten Tag an nannte sie mich herzlich "Sohn". Ich empfand keinen Widerwillen, sondern Gegenteil, ich freute mich und sagte sogar zu mir selbst: "Es wäre schön, wenn sie wirklich meine Mutter wäre." Jedesmal, wenn sie mir von Falun Gong erzählte, erlebte ich wie schon beim ersten Gespräch ein angenehmes Gefühl. Meinen ganzen Körper durchfloss ein warmer Strom. Einmal hatte sie mir nett und doch ernst gesagt: "Man darf nicht nur an sich selbst denken, sondern muss Rücksicht auf andere nehmen. Nur dann fühlt man sich wohl, und die anderen freuen sich ebenfalls darüber. Ein egoistischer Mensch erlebt kein Glück. Denk nicht daran, dass du während der Festtage Überstunden machen musst, anstatt daheim bei deinen Familienangehörigen zu sein. Es scheint, du hegst Groll gegenüber den Falun Gong-Praktizierenden und denkst, dass sie dein glückliches Leben durcheinander gemacht haben. Stell dir vor, wir wollen uns nur in aller Ruhe kultivieren, indem wir Bücher lesen und unsere Übungen machen. Deswegen werden wir schwer gefoltert und können nicht zu Hause bleiben. Viele Familien wurden schon auseinander gerissen. Obwohl sie misshandelt, eingesperrt, ohne rechtliche Grundlage in Umerziehungsheime eingewiesen und einige zu Tode geprügelt wurden, hegen sie keinerlei Hass. Wie kannst du dann Hass gegen sie hegen?" In diesem Moment wäre ich mich am liebsten vor Scham im Erdboden verschwunden. Es dauerte einige Zeit, bis ich meinen Kopf wieder heben und ihr in die Augen sehen konnte.

Als die alte Frau wieder nach Hause geschickt wurde, war ich gerade nicht im Dienst. Die erste Zeit war ich unheimlich traurig. In meiner der Freizeit las ich im Geheimen so oft wie möglich in "Zhuan Falun". Schnell hatte ich es durchgelesen, und ich überlegte immerzu, wie ich Frau Qin davon erzählen, wie ich sie überreden könnte, das Buch zu lesen. Auf der anderen Seite machte ich mir Sorgen, dass sie unseren Chef, Herrn Dong, darüber informieren könnte, das wäre nämlich gefährlich.

Eines Tages überwachte Frau Qin gerade die Falun Gong Webseite. Es war niemand da und so nahm ich all meinen Mut zusammen und trat zu ihr ins Zimmer: "Frau Qin, ich will schon seit langem mit dir reden…". "Du willst mir sagen, ich soll das ‚Zhuan Falun` mal durchlesen. Meinst du das?" "Woher weißt du, dass ich das Buch gelesen habe?" Ich war erschrocken und überrascht. "Aber freilich, du hast nicht nur heimlich gelesen, sondern das Buch sogar mit nach Hause genommen." Sie lächelte zufrieden. "Ist es möglich, dass der Chef das auch weiß?", fragte ich nervös. "Ich glaube schon. Aber ich denke, er erzählt bestimmt nichts weiter." Sie wusste, dass ich ein ängstlicher Mensch bin, deshalb wollte sie mich gleich beruhigen.

"Willst du das Buch nicht mal lesen?", fragte ich schließlich in der Hoffnung, dass es mehr Leute geben würde, die sich für das Buch interessieren. "Woher willst du wissen, dass ich es nicht gelesen habe?" Sie sah wieder zufrieden und vergnügt aus. Ich war erleichtert und wollte gerade fragen, wann sie damit angefangen hätte, als wir Herrn Dong draußen vor der Tür besonders laut husten hörten. Wir machten sofort Schluss mit unserem Gespräch und taten so, als ob wir beim Lesen einer Webseite wären.

Kaum war der Chef da, fragte er: "Gibt es etwas Besonderes?" Ohne eine Antwort abzuwarten, sagte er: "Ihr braucht nichts zu sagen, ich weiß schon alles. Ich begreife zwar manches nicht, was auf den Falun Gong-Internetseiten steht, aber das Gutes mit Gutem und Böses mit Bösem vergolten wird, das glaube ich aufs Wort." Als er merkte, dass wir nicht antworten wollten, fuhr er fort: "Also, ihr habt euere Arbeit gut gemacht. Die Leitung weiß Bescheid." Ohne eine Antwort abzuwarten ging er wieder fort, während er mit sich selbst sprach. Die letzten Worte waren noch zu hören, "Wenn die Zeit kommt, wird alles vergolten." Wir waren zuerst sprachlos, dann hielten wir uns schnell die Hand vor den Mund und lachten.

Später, als ich meine Kollegin Qin fragte, woher sie gewusst hatte, dass ich "Zhuan Falun" gelesen habe, antwortete sie nicht direkt darauf: "Können die Leute, die das Buch gelesen haben, so etwas nicht erkennen?" Von da an ist unsere kleine "Viererbande" in zwei, manches Mal in drei Gruppen geteilt. Jeder hat einen eigenen Weg genommen, ohne darüber zu sprechen.

02.07.2001

Übersetzt aus: http://www.minghui.org/mh/articles/2001/7/2/12753.html

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