BerlinOnline: Jubel-Chinesen verdecken die Regimekritiker

Eine halbe Stunde bevor der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao am Dienstag von seinem Besuch bei Bundespräsident Johannes Rau im Schloss Bellevue zurück ins Hotel Adlon kommt, werden dort zwei Busladungen junger Chinesen angekarrt. Manche tragen die rote chinesische Flagge am Revers, andere haben sie sich auf die Backe geklebt und alle schwenken chinesische Fähnchen.

"Das sind die Jubel-Chinesen, die dürfen hinter die Sicherheitsabsperrung", sagt Renate Lilge-Stodieck, Berliner Falun-Gong-Praktizierende. Sie steht mit rund 20 anderen Falun-Gong-Anhängern seit halb neun gegenüber dem Hotel, in dem Wen Jiabao mit seiner Delegation übernachtet. Bis 22 Uhr halten sie vor dem Hotel Mahnwache, außerdem stehen sie vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und gegenüber der chinesischen Botschaft an der Jannowitzbrücke.
Ein Plakat trägt die Aufschrift "Willkommen Wen Jiabao", andere "Stoppt die Verfolgung von Falun Gong in China" und "Stellt Jiang Zemin vor Gericht". Die Bewegung ist in China verboten und wird verfolgt. Einige Teilnehmer der Mahnwache meditieren barfuß zu sphärischen Klängen aus kleinen Lautsprechern. Auf dem Bürgersteig liegen Schalen mit Plastikblumen und Fotos von chinesischen Falun-Gong-Mitgliedern, die in Gefängnissen durch Folter gestorben sind.
"Wir sind nicht gegen die Regierung, wir wollen keinen Druck ausüben, sondern nur auf die Verfolgung unserer Mitglieder in China aufmerksam machen und den Ministerpräsidenten bitten, die Verfolgung zu beenden", sagt Wolfgang Blau, Organisator der Mahnwache. Ob Wen Jiabao die friedlich demonstrierenden Falun Gong-Anhänger wahrnimmt, ist allerdings fraglich. "Wir werden unsichtbar gemacht", sagt Lilge-Stodieck. Als der Ministerpräsident vorfährt, stehen unzählige Polizeimannschaftswagen vor den Demonstranten. Limousinenchauffeur Oliver Böhm erzählt: "Gestern haben sie die Chinesen mit den Fahnen in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen standen vor den Falun-Gong-Leuten, die anderen vor den Tibet-Aktivisten." Letztere demonstrieren mit tibetischen Flaggen ein paar Meter neben den Leuten von Falun Gong.

Die Fahnen schwenkenden Chinesen, die erst für das chinesische Fernsehen posieren und dann den Ministerpräsidenten mit Fahnen begrüßen, sind Austauschstudenten, die in Leipzig studieren. Einer sagt, dass sie vom Ministerpräsi- denten eingeladen wurden und sich mit ihm im Hotel treffen. Im Gegensatz zum Besuch von Jiang Zemin vor zwei Jahren, läuft im Hotel Adlon dieses Mal alles weitgehend normal. Damals wurde die Lobby jedes Mal geräumt, wenn der chinesische Staatsgast durchging. Jetzt dürfen die Gäste sitzen bleiben. Außerdem ist das Hotel für Hotelgäste und Restaurantbesucher zugänglich. Chinesen ohne speziellen Ausweis dürfen das Hotel allerdings nicht betreten und zu der Etage, in der die Chinesen wohnen, haben nur ausgewählte Angestellte Zutritt. Nur wenn der chinesische Ministerpräsident ein- und ausgeht, werden kurzfristig der Bürgersteig und die Straße abgeriegelt. Wegen des Staatsbesuchs herrscht in Berlin am Dienstag Sicherheitsstufe zwei.

Am Nachmittag trifft Wen Jiabao dann Bürgermeister Klaus Wowereit im Roten Rathaus. Anschließend trägt sich der chinesische Gast in das Goldene Buch der Stadt ein und weiter geht's zum Abgeordnetenhaus, wo er von Parlamentspräsident Walter Momper begrüßt wird. Heute um 8.30 Uhr verlässt er nach seinem dreitägigen Besuch Berlin und fliegt weiter nach Brüssel.

Quelle:http://www.BerlinOnline.de/berliner-zeitung/berlin/338101.html

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