Die Welt (Deutschland): Ehemalige TU-Studentin erleidet Folter

Zu Falun Gong kam die 33jährige Xiong Wei während ihres Studiums in Berlin – oft hatte sie die Übungen dieser buddhistischen Meditationsbewegung im Tiergarten ausgeführt. Und oft staunten chinesische Touristen, die sie dabei beobachteten, darüber, daß sich Menschen trauen, diese Übungen in der Öffentlichkeit zu machen. In Berlin konnte Xiong Wei dies ohne Angst tun – zurück in Peking wurde sie dafür mit Haft und Zwangsarbeit bestraft.

An der Technischen Universität (TU) studierte sie von 1992 bis 1999 Wirtschaftsingenieurwesen. Ein chinesischer Mitstudent begeisterte sie für Falun Gong. "Ich war ein schwächliches Kind, litt oft unter Magen- und Kopfschmerzen", erzählt die kleine, zierliche Frau. Die Meditation, die körperlichen und geistigen Übungen hätten ihr geholfen.

In China soll der Kreis der Falun-Gong-Praktizierenden auf 70 bis 100 Millionen Menschen angewachsen sein. Anfangs erhielt die Bewegung Unterstützung von der chinesischen Regierung, wurde dann aber 1999 als Sekte bezeichnet, verboten und von der Partei in der Öffentlichkeit massiv angegriffen. Xiong Wei wußte das, als sie vor vier Jahren nach Peking zurückkehrte. Sie wußte auch, daß Praktizierende verfolgt und verhaftet werden. Ihre Eltern fürchteten sich und rieten ihr, mit den Meditationsübungen aufzuhören. "Das konnte ich aber nicht. Mein Gewissen ließ es nicht zu, diesen Lügen länger zuzuhören und anzusehen, wie Unschuldige verhaftet wurden." Politische Ziele habe sie mit ihrer Überzeugung nie verfolgen wollen. Ihre Übungen hat sie nur noch allein ausgeführt, hinter geschlossenen Vorhängen. Im Januar 2002 wurde sie aber verhaftet, weil sie Flugblätter über Falun Gong verteilte.

Sechs qualvollen Stunden in einer Stehzelle, die so eng war, daß sie darin weder sitzen noch stehen konnte, folgten zwei Monate im Untersuchungsgefängnis: 16 Frauen teilten sich auf engstem Raum eine offene Toilette. Für Neuhäftlinge gab es eine gemeinsame Zahnbürste. Das Essen war mit Maden durchsetzt. Ohne Verurteilung wurden Xiong Wei für zwei Jahren in ein Arbeits- und "Umerziehungs"-Lager gesperrt. Sie wurde zu Kniebeugen gezwungen, bis sie zusammenbrach. Und sie verpackte 6000 Eßstäbchen am Tag.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) weist über 1000 Foltertote und mehr als 100 000 Zwangslagerinsassen als Opfer der Falun-Gong-Verfolgung nach. Mit einer Unterschriften- sowie einer Postkartenaktion und einer Gala im Roten Rathaus setzte sich die IGFM für Xiong Weis Freilassung ein. Vor zwei Wochen konnten IGFM-Vertreter die junge Frau auf dem Frankfurter Flughafen begrüßen. Jetzt lebt Xiong Wei wieder in Berlin, bei einer Freundin aus Uni-Zeiten, und will gegen Menschenrechtsverletzungen in China kämpfen. "Ich möchte etwas für die vielen Gefangenen tun, die immer noch im Zwangsarbeitslager sitzen. Und möglichst vielen Menschen erzählen, was in China mit ihnen passiert."

Artikel erschienen am Di, 12. Oktober 2004

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