Rheinpfalz (Deutschland): Falun Gong hilft Folter und Zwangsarbeit überstehen

GERMERSHEIM: Chinesin Xiong Wei auch dank Hilfe von Germersheimer Studenten aus Haft befreit – Aktionen für Leidensgenossen

Von unserer Redakteurin Anja Stahler

Xiong Wei ist wieder frei. Das ist ein Erfolg für viele Menschen in Deutschland, die mit ihrer Unterschrift gefordert haben, dass die in China internierte ehemalige Studentin der Berliner Technischen Universität freigelassen wird – darunter viele Studenten in Germersheim. Wie zahlreiche ihrer Landsleute war Xiong Wei eingesperrt und gefoltert worden, weil sie Falun Gong praktiziert und zu der buddhistischen Meditationsbewegung auch öffentlich steht.

Über 70 Millionen Menschen im Reich der Mitte beschäftigen sich mit den yoga-ähnlichen fünf fließenden Übungen, die Körper und Geist mit dem Kosmos in Einklang bringen sollen. 1992 machte Meister Li Hongzhi Falun Gong der Öffentlichkeit zugänglich. Wegen ihrer gesundheitsfördernden Wirkung traten die Übungen innerhalb kürzester Zeit einen Siegeszug in China an – diese Massenbewegung sei den Machthabern ein Dorn im Auge, wie die 33-jährige Chinesin gegenüber der RHEINPFALZ sagt. Sie fürchteten vor allem die Grundsätze des Falun Gong, die da lauten: Barmherzigkeit, Toleranz – und Wahrhaftigkeit.

Der Wahrhaftigkeit fühlte sich Xiong Wei ganz besonders verpflichtet, als sie am 5. Januar 2002 in Peking Flugblätter verteilte, die ihre Landsleute auf die Verfolgung der Falun-Gong-Anhänger durch die Regierung aufmerksam machen sollte. Wohl wissend, dass sie mit ihrer Aktion Verhaftung und Folter riskierte, hatte sie zuvor ihre Arbeitsstelle bei der Niederlassung der deutschen Heiztechnik-Firma Buderus in Peking gekündigt.

Was folgte, war ein Martyrium: Von drei Zivilpolizisten festgenommen, die für die Verhaftung umgerechnet rund 30 Euro kassierten, wurde Xiong Wei zunächst für sechs Stunden in eine sogenannte Stehzelle gesperrt, in der ein Mensch direkt von den Wänden und Gitterstäben umschlossen ist – ohne Essen und Trinken, ohne auf die Toilette gehen zu dürfen.

Über zwei Monate saß sie dann in einem Untersuchungsgefängnis im Norden Pekings, wo 20 Frauen sich eine Zelle teilen mussten, eine Holzbank zum Schlafen für drei reichen musste, es fast nur mit Maden verseuchten stark gesalzenen Chinakohl zu essen gab. Zwei Wochen davon war Xiong Wei in einem Apartment mit sogenannten Umerziehungshelfern eingesperrt, die Tag und Nacht auf sie einredeten, sie nicht schlafen ließen, sie schlugen, ihr damit drohten, ihr jeden Finger einzeln zu brechen, wenn sie nicht unterschriebe, dass sie nie mehr Falun Gong praktizieren wolle.

Irgendwann erhielt sie ein Papier, auf dem stand, dass sie zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt sei. Eine Gerichtsverhandlung gab es nicht. In einer Sammelstelle musste sie harte Akkord-Arbeit verrichten, 16 Stunden an sieben Tagen in der Woche, in denen sie ohne Pause Essstäbchen mit Etiketten versehen und verpacken musste.

Im Umerziehungslager für Frauen, in das Xiong Wei am 18. April 2002 verlegt wurde, drohten Widerspenstigen 100 Kniebeugen. Auch psychisch wurden die Frauen, die meisten von ihnen Falun-Gong-Anhängerinnen, gefoltert: Sogar beim Toilettengang sei sie von den "Erste-Klasse-Häftlingen", drogenabhängigen Frauen, die für die Aufseher Spitzeldienste verrichteten, beobachtet worden. Umerziehungssendungen im Fernsehen seien auf die höchstmögliche Lautstärke gedreht worden und Tag und Nacht gelaufen. Auch die Foltermethode des sogenannten "Fliegens" hat Xiong Wei selbst erlebt: Dabei werden die Arme nach hinten gedreht und über dem Kopf zusammengebunden, was für starken Blutandrang im Kopf sorgt.

All das erzählt Xiong Wei ohne Hass auf ihre Peiniger – die meditative Technik des Falun Gong mit ihrer starken Öffnung zur Liebe habe ihr geholfen, die Zeit der Inhaftierung psychisch unbeschadet zu überstehen. Nach dem Haftende im Januar 2004 musste sie noch neun Monate Hausarrest erdulden, bis sie im September wieder nach Deutschland kam.

Xiong Wei hatte Glück. Durch ihre Studienzeit in Deutschland hat sie Freunde, die sich für sie einsetzten, Postkarten mit der Bitte um Freilassung an das Umerziehungslager schickten und Unterschriften für sie sammelten. Christine Gäckler von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte aus Pirmasens zum Beispiel, aber auch die Studentin Jing Wang und der Student Xu Wang, die beide an der Uni Germersheim eingeschrieben sind. Bundeskanzler Gerhard Schröder überreichte der chinesischen Regierung eine Petition für Xiong Wei und weitere Leidensgenossen.

Es sei nicht selbstverständlich, dass sie tatsächlich nach zwei Jahren freigelassen wurde, erzählt Xiong Wei. Und auch nicht, dass sie die Haft überlebte. Sie sei den Deutschen unendlich dankbar für ihre Hilfe. Sogar Pakete mit Schals, Handschuhen und Schokolade habe sie nach der Haftentlassung erhalten.

Xiong Wei möchte ein Stück der Unterstützung, die sie erhalten hat, an andere inhaftierte Falun-Gong-Anhänger weitergeben. Sie hält Vorträge in Deutschland, erzählt, wie es ihr ergangen ist. Sie will klarmachen, dass es sich bei Falun Gong um eine religiöse Richtung und nicht um eine Revolutionspartei handelt. Sie wünsche sich keine neue Regierung, sondern nur, dass die Menschen Falun Gong praktizieren dürfen, sagt sie. Und wie Xu Wang und Christine Gäckler hofft sie, dass sich die Deutschen weiter für die Menschenrechte in China einsetzen.

28.10.2004

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