Die Umgangsformen der Gesellschaft beachten

Anfang Oktober fand eine Veranstaltung statt, auf die auch einige Politiker geladen waren.

Ich traf mich mit einigen Praktizierenden vor Ort, und wir wollten gemeinsam zu dieser Veranstaltung gehen und je nach Gelegenheit mit den anwesenden und z.T. einflussreichen Persönlichkeiten über Falun Gong und die Verfolgung in China sprechen.

Als wir mit der S-Bahn am Veranstaltungsort ankamen, waren überall schwer bewaffnete Polizisten, die „unseren“ Eingang abriegelten. Sie erwarteten eine Demonstration und seit den Terroranschlägen in New York galt überall die höchste Sicherheitsstufe. Wir fragten die Polizisten an der S-Bahn-Station höflich, ob wir denn durchlaufen dürften. Sie verneinten. Wir erkannten, dass nur diejenigen, die zu dieser Veranstaltung eingeladen waren oder den entsprechenden Presseausweis besaßen, auf das Gelände durften. Wir bekamen jedoch von einem Besucher einen Hinweis, dass es mehrere Eingänge in das Gebäude direkt neben dem Veranstaltungsort, eine Messehalle, gäbe und wir bräuchten nur über einen kleinen Umweg zum anderen Eingang laufen. Dort war der Parkplatz auch schon bewacht, aber plötzlich musste ich dringend auf die Toilette. Ich erkundigte mich bei den Parkwächtern und die schickten mich von einem Ort zum anderen. Irgendwann landete ich in der Messehalle. Und von da aus konnte man direkt zum Eingang des Parteitages gehen.

Ich rief die anderen an und sagte ihnen Bescheid, dass sie nachkommen sollten. Danach gingen wir gemeinsam zum Eingang. Dort standen auch schon viele Presseleute und Sicherheitsbeamte. Einer von uns fragte jemanden am Eingang, ob wir vielleicht hinein gehen dürften. Aber niemand durfte ohne den entsprechenden Ausweis in das Gebäude hinein. Nach einer Weile sagte eine Praktizierende, dass das so keinen Sinn hätte und die anderen entschieden sich zu gehen. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass noch irgendetwas unerledigt war, deshalb sagte ich zu den anderen, dass ich noch hier bleiben würde. Ich stand so vor diesem Eingang und überlegte. Nach einer kurzen Zeit war ich allein auf diesem Platz. Da ich für längere Zeit dort stehen blieb, fiel ich einem Sicherheitsbeamten auf. Als ich dann auch noch in meiner Info-Mappe herumsortierte (ich faltete gerade eine SOS-Zeitung zusammen, um sie bei entsprechender Gelegenheit jemandem zu geben) bemerkte ich, dass mich ein Polizeibeamter dabei fotografierte.

Anfänglich beachtete ich dies nicht besonders. Aber nach kurzer Zeit kam mir das ganze merkwürdig vor. Ich setzte mich und begann nachzudenken. „Wieso fotografiert mich der Polizist? Was mache ich denn hier? Ich bin doch hier, um den Menschen etwas über Falun Gong und die Verfolgung zu erzählen und sie um Unterstützung zu bitten. Das ist doch nichts Schlimmes. Wieso werde ich dann von dem Polizisten als jemand betrachtet, der für die anderen Menschen ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte? Wie kann ich als Praktizierende bei anderen solch einen Eindruck hinterlassen?“

Plötzlich kam mir der nächste Gedanke: „Was wäre gewesen, wenn wir einfach in den Parteitag hineingekommen wären (sicherlich wären wir irgendwie hineingekommen), wir hätten wahrscheinlich mit den Politikern gesprochen und sie hätten uns dann irgendwann gefragt, wie wir denn hier herein gekommen sind? Wir hätten dann sagen müssen, dass wir keine Einladung haben und das wir eigentlich nicht hineinkommen durften, es aber trotzdem getan hätten. Sieht das denn nicht wie ein „Überfall“ aus. Auf einmal verstand ich auch, warum sich einige Politiker beschwert haben, dass sie auf der Straße von Falun Gong Praktizierenden „überfallen“ worden wären.

In diesem Zusammenhang erkannte ich die verschiedenen Erscheinungsformen eines Eigensinnes. Oberflächlich gesehen war es eine Art Ungeduld, die sich einfach über die gewohnte Umgangsform der menschlichen Gesellschaft hinwegsetzte. Diese Ungeduld entpuppte sich jedoch als ein Eigensinn, der an schnellen Erfolgen bzw. Ergebnissen festhielt, so dass wir nicht „umsonst“ die ganzen Schwierigkeiten überwunden hätten, um überhaupt vor diesen Eingang zu kommen. Von einem anderen Standpunkt aus gesehen, haben wir nicht die Umgangsform der Gesellschaft der gewöhnlichen Menschen eingehalten und zum Beispiel vorher einfach nach einem Termin oder einer Besucherkarte gefragt.

Sicherlich ist die Form für uns als Dafa-Praktizierende nicht so wichtig. Aber wie ist das denn für unsere Mitmenschen? Für sie ist das doch etwas sehr Entscheidendes und es kann auch in einem sehr kurzen Moment über Sympathie oder Ablehnung entscheiden.

Schnell legte ich mein Herz ab und beschloss nun endlich auch zu gehen. Ich wollte nur noch kurz dem Mann, der neben mir saß, eine SOS-Zeitung geben.

Ganz unerwartet kamen wir ins Gespräch. Wie sich herausstellte, war er ein Politiker. Er war sehr nett. Er gab mir eine Empfehlung, an wen wir uns in der Parteispitze wenden könnten und stellte mir interessiert einige Fragen über Falun Gong und die Verfolgung. Zum Schluss fragte er mich noch nach meiner Adresse, an die er sich wenden könnte, wenn sie etwas gegen die Verfolgung unternehmen möchten und meinte noch, dass man doch jemanden, der sich mit seinem Herz so einsetzen würde, doch unterstützen müsste.

Anmerkung über eine spätere Erkenntnis: Die Wurzel des Eigensinnes

Von einem anderen Standpunkt aus gesehen, bemerkte ich noch, dass versucht wurde einen inneren Konflikt zu umgehen und zu vermeiden. Nämlich den, nicht im Büro des Politikers anrufen zu müssen. Er hätte es ja ablehnen können, mit uns sprechen zu wollen. Hier war die Wurzel des Eigensinnes: Die Angst vor Ablehnung. Denn um allein diese Situation zu vermeiden, wäre der Eigensinn bereit gewesen, sämtliche Schwierigkeiten zu überwinden.

Nach unterschiedlichen Erfahrungsaustauschen mit anderen Praktizierenden könnte man sich sehr gut vorstellen, dass auch dieser grundlegende Eigensinn ein Arrangement der negativen Kräfte war, der im Laufe unendlich langer Zeiten gezielt hinterlegt wurde, um heute die Fa-Berichtigung [u.a. Bewahrung der universellen Eigenschaften Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht und Entlarvung der unmenschlichen Verfolgung in China] auf diese Art und Weise zu behindern und zu stören.

Eine Praktizierende aus Deutschland
15.10.2001

Alle Artikel, Grafiken und Inhalte, die auf Yuanming.de veröffentlicht werden, sind urheberrechtlich geschützt. Deren nicht-kommerzielle Verwendung ist erlaubt, wenn auf den Titel sowie den Link zum Originalartikel verwiesen wird.

Das Neueste

Archiv