Erfahrungsbericht von Steffen Munter

Mein Entschluss nach Peking zu gehen, war sehr kurzfristig, den Wunsch hatte ich aber schon seit langem. Ich besprach die Angelegenheit mit meiner Frau und so haben wir die Sache entschieden.

Ich kam am Morgen des 13. Februar 2002 auf dem Flugplatz in Peking an… So musste es bei Hitler auch gewesen sein. Es wimmelte nur so von Polizei und Geheimpolizei auf dem Platz. Am nächsten Tag, den 14. Februar gegen 13 Uhr ging ich zum Platz. Im Gegensatz zum Vortag hatte sich das Polizei- und Armeeaufkommen drastisch verstärkt. Schon auf den Seitenstraßen waren alle 10-20 m Polizisten. Die 4 Eingänge waren 5-6fach besetzt, auf dem Platz patroulierten sehr viele Uniformierte und Geheimpolizei. Es waren auch mehr Kleinbusse vorhanden als am Vortag und auch diese PKWs mit den schwarzen Fenstern. Dann ging ich gegen 13.55 Uhr durch eine der Unterführungen, die auf den Platz führten. Der Treppenaufgang zum Platz war von mindestens 6 Polizisten und Armeeangehörigen besetzt. Ich wurde aufgehalten: Securitycheck. Nachdem sie mich kontrolliert und meinen Reisepass begutachtet hatten, konnte ich den Platz betreten. Dann machte ich noch ein Foto mit Mao und sah dann auch schon die anderen deutschen Praktizierenden.

Kaum hatten wir uns gesehen, brach etwa 50 m von uns schon ein Tumult aus. Die amerikanischen und kanadischen Praktizierenden hatten mit dem Protest begonnen. Sofort fuhren die Polizeibusse los und viele Polizisten rannten dorthin. Es bildeten sich Menschenknäuel aus schlagenden und tretenden Polizisten und am Boden liegenden Praktizierenden. Fünf Meter von uns entfernt standen viele Polizisten und beobachteten uns, sowie alle ausländischen Touristen, in diesem Moment schien ein Tourist ein potentieller Protestler. Wir entschlossen uns angesichts der kurzen Distanz zu den Polizisten, unser großes 5-Meter-Transparent nicht zu entfalten, sondern stattdessen kleinere Spruchbänder und unsere Stimmen zu verwenden. Ich rannte ein paar Schritte nach vorn und rief so laut ich konnte: „Falun Dafa Hao“. Was hinter mir mit den anderen deutschen Praktizierenden geschah, konnte ich nicht mehr wahrnehmen. Sofort griffen mich Polizisten von rechts und links unter den Armen. Ohne Widerstand zu leisten, ging ich mit ihnen zum etwa 30-40 m entfernten Polizeibus. Ich nutzte die Zeit, um immer wieder über den ganzen Platz laut zu rufen: „Falun Dafa Hao“. Dann kamen wir am Bus an.

Ich sah einen Polizisten der hinter Stefanie Körper aus Heidelberg stand. Er hielt ihr Mund und Nase zu und würgte sie mit dem Unterarm. Ihr Gesicht war bereits dunkelrot. Ich schrie ihn an, er solle aufhören und zog an seinem Unterarm, um den Griff zu lockern. In diesem Moment versuchten die Polizisten mich in den Wagen zu zerren, gleichzeitig zogen welche von Innen. Im Wagen lag ein Mädchen auf dem Boden. Doch das interessierte die Polizisten nicht. Sie waren wie wilde Tiere. Sie schrieen wild durcheinander und waren in Panik. Schieben und Zerren, alles über das Mädchen hinweg. Sie schrie die ganze Zeit. Ich schaffte ihr Platz, damit sie aufstehen konnte. Dann hing sie mit dem Bauch vor einer Chrom-Stange. Wieder Zerren und Schieben. Jemand zog mich gewaltsam an den Haaren, schließlich lag ich im Bus. Dann erhielt ich einen Schlag in die Rippen. Sie wiesen mich auf einen Platz. Später bemerkte ich eine Beule am Kopf, konnte mich aber nicht mehr erinnern, wie es dazu kam. Ich setzte mich neben eine gutgekleidete Chinesin mittleren Alters. Sie klopfte leicht mit der Handfläche auf meinen Oberschenkel und lächelte still vor sich hin, ohne mich anzusehen. Ich wusste sie ist eine Praktizierende und sie wird die Informationen über den „Protest der Westler“ mit ins Arbeitslager nehmen. Ein Lichtstrahl im Dunkel der Höhle.

Dann ging alles sehr schnell. Der Bus fuhr unter lautem Hupen vom Platz zur Polizeistation. Im Flur warteten schon etwa 20 Praktizierende. Die Polizisten versuchten Einzelne wegzuzerren. Wir hielten uns aneinander fest und sangen „Falun Dafa Hao“. Es kam zu einem Gerangel. Nachdem wir weiterhin friedlich blieben, aufrichtige Gedanken aussendeten oder sangen, entspannte sich die Situation, einige Praktizierende beruhigten die Polizisten.

Eine Praktizierende erzählte später, dass sie gesehen hatte, wie einem Polizisten die Tränen kamen, als wir sangen. Er ging sofort in einen Nebenraum. Manche Polizisten sahen nachdenklich aus, manche waren wütend, manche hochmütig. Nachdem man uns Pass, Geld, Handy usw. abgenommen hatte, machten sie noch ein Polaroid-Foto und steckten alles in eine Plastiktüte. Jetzt kamen große Reisebusse. Außen saßen Polizisten, Innen saßen wir. Es ging zu einem Hotel in der Nähe des Flughafens. Ich saß neben meiner Schwester im Bus. Als wir aus dem Bus ausstiegen, kamen sofort Polizisten zu uns und versuchten uns zu trennen. Wir hielten uns aneinander fest, aber nachdem noch mehr Polizisten kamen und ein Soldat sich auf unsere Arme warf, wurden wir getrennt. Dann gingen wir ruhig in das Haus. Das „Airport Garden Hotel“ war ein Hotel ohne Gäste, aber mit vielen Polizisten. Wir kamen zum Einzelverhör. Sie wollten einige Daten wissen: Name, Alter, Einreisetag, Grund der Reise, etc.. Ich forderte Kontakt zur deutschen Botschaft. Die Polizisten verstanden gut englisch, nur das Wort „Botschafter“ schien ihnen fremd. Stattdessen nur ein „You have no rights“. “Here is China”. ich sprach mit ihnen über Falun Gong, unterschrieben hatte ich nichts. Dann wurde ich wieder zu den anderen Praktizierenden gebracht. Nach einer Weile wurde ich mit einem anderen Praktizierenden zusammen in einen Tagungsraum gebracht. Nach und nach kamen noch einige Praktizierende dazu. Es waren auch etwa 10 Polizisten anwesend. Wir lehnten das angebotene Essen und Trinken ab. Der Mann mit der Kamera hatte keinen Erfolg. Dann wurde ein amerikanischer Junge weggebracht. Später kam er zurück. Er wirkte sehr schwach und blutete im Gesicht. Er erzählte, dass sie in seinem Hotelzimmer waren, um seine Sachen zu holen. Dabei haben ihn die Polizisten zwei Stunden lang verprügelt. Selbst er lehnte das angebotene Wasser ab. „Ich bin ein Dafa-Praktizierender“, sagte er leise und lächelte.

Später kam noch ein amerikanischer Junge dazu, er konnte chinesisch. Es kam zu einer Konversation mit den jungen Polizisten. Sie sprachen über Football. Nach einer Weile dann über Falun Gong. Sie dachten wohl, dass Falun Gong außerhalb Chinas auch verfolgt und verboten sei. Sie hatten keine Ahnung von der Wahrheit. Sie wussten nichts von den Morden. Sie kannten nur die Propaganda-Version, sie lebten wie in einer Scheinwelt, einer dunklen Scheinwelt. Später dann machten wir die Übungen, um uns vom stundenlangen Sitzen auf dem Boden zu erholen und um sie den Polizisten zu zeigen. Ich glaube, dass einige der Polizisten angefangen haben nachzudenken.

In der Nacht fuhr ich dann mit einigen Praktizierenden und Polizisten zum Hotel, um meine Sachen zu holen. Ich hatte am Vortag in meinem Hotelzimmer einen Brief mit der Wahrheit über die Verfolgung hinterlegt. Niemand durchsuchte das Zimmer. Ich hatte meine Sachen zur Abreise vorbereitet. Beim Gehen sagte ich leise zu der Hostess: „Falun Dafa Hao“ und lächelte sie an. Sie reagierte angesichts der Polizisten nicht darauf. Nachdem alle ihre Sachen geholt hatten, fuhren wir zum „Airport Garden Hotel“ zurück. Wieder im Tagungsraum angekommen, waren noch einige andere Praktizierende dazugekommen.

Morgens zehn Uhr wurde ich in ein Polizeiauto verfrachtet und mit Blaulicht zum Rollfeld gefahren. Kaum in der Air France-Maschine angekommen, startete sie schon. Ich traf dann noch ein paar andere Praktizierende aus Brasilien, England und den USA. Die Stewardessen waren sehr freundlich. Nachdem wir etwas gegessen und getrunken hatten, unterhielten wir uns. Es war auch ein Afrikaner mit verhaftet und verhört worden. Er hatte überhaupt nichts mit Falun Gong zu tun. Er war nur mit den Amerikanern zusammen am Flugplatz angekommen. Er konnte es noch gar nicht richtig fassen, dass sein Urlaub beendet war, aber irgendwie schien er doch ganz tief im Innern glücklich zu sein. Nachdem er mehr über Falun Gong erfahren hatte, wollte er sogar das Buch lesen.

Wieder in Deutschland angekommen, erfuhr ich, dass die Medien hier sehr ausführlich und sehr positiv über die Protestaktion berichteten. Die nachfolgenden Presseartikel und Interviews waren auch sehr gut. Viele Menschen in Deutschland haben von der Wahrheit über die Verfolgung von Falun Gong erfahren. Auch die Menschen, die ich später traf, alle hatten es mitbekommen. Die Reaktionen meiner Mitmenschen war sehr positiv. Viele verstanden nun besser die Zusammenhänge und bezeugten Sympathie. Ich hoffe, dass diese dunkelste Zeit der Geschichte bald ein gutes Ende findet. Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen, wie damals bei Hitler. China ist nicht weit weg, weniger als 10 Stunden.

Attest von Steffen Munter:

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