DiePresse.com: Falun Gong: Chinas unerwünschte Massenbewegung

20.07.2009

Vor zehn Jahren wurde die Meditationsgruppe Falun Gong von der Kommunistischen Partei Chinas verboten. Mehr als 70 Millionen Anhänger sahen sich danach mit Verfolgung konfrontiert.
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Das Verbot kam wie aus heiterem Himmel: Weniger als drei Monate zuvor, am 25. April, hatte der damalige Premierminister Zhu Rongji noch gegenüber Falun Gong-Representanten beteuert, sie hätten jedes Recht dazu, ihren Glauben zu praktizieren. Doch dann kam es anders. Am 20. Juli 1999 ordnete die Kommunistische Partei unter Staatschef Jiang Zemin das Verbot an.

Über Falun Gong

Falun Gong oder Falun Dafa, was so viel bedeutet wie "Der große Weg" oder "Der Weg des Falun", ist eine chinesische Meditationslehre, die 1992 von Li Hongzhi der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Falun Gong-Praktizierende versuchen nach den Werten "Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht" zu leben. Am 20. Juli 1999 hat die Volksrepublik Falun Gong verboten. Vorangegangen war eine Demonstration von 10.000 Anhängern im Pekinger Regierungsviertel Zhongnanhai gegen die Verhaftung von Studenten, die gegen einen Falun Gong-feindlichen Artikel demonstriert hatten. Falun Gong-Praktizierende werden seit dem Verbot systematisch verfolgt und laut Zeugenberichten gefoltert und für Organraub missbraucht. China dementiert die Anschuldigungen.

Folter in "Umerziehungslagern"

Seit diesem Datum sieht sich die Anhängerschaft der Glaubensgemeinschaft der Verfolgung ausgesetzt. So wird China vorgeworfen, dass Falun Gong-Mitglieder in "Umerziehungslager" festgehalten und gefoltert werden. Laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sind zwei Drittel der in chinesischen Arbeitslagern inhaftierten Menschen Anhänger der Falun Gong. Die massivsten Vorwürfe kommen von dem Menschenrechtsanwalt David Matas und seinem Anwaltskollegen David Kilgour: China lasse Falun Gong-Anhängern am lebendigen Leib Organe entnehmen, um sie für Transplantationszwecke zu verwenden.

Vor dem Verbot haben nach einer von der chinesischen Sportkommission erhobenen Statistik über 70 Millionen Menschen in China Falun Dafa, wie die Gruppierung ebenfalls genannt wird, ausgeübt. In den letzten zehn Jahren, so das Falun Dafa Informationszentrum, sollen hunderttausende Anhänger illegal verhaftet und eingesperrt worden sein. 500.000 müssten Zwangsarbeit verrichten und über 6000 seien zu einer Freiheitsstrafe von über 18 Jahren verurteilt worden. Und schließlich spricht die Organisation von 3292 Todesfällen durch Folter, die nachgewiesen werden konnten.

Eine Nacht- und Nebel-Aktion

Was auf das Verbot folgte, war eine Hexenjagd auf die Falun Gong-Praktizierenden. "Es war eine Nacht und Nebel Aktion", sagt Yong Wang vom Österreichischen Falun Dafa Verein auf einer Pressekonferenz der Organisation am Donnerstag. Er war damals selbst in Peking. "In den Gefängnissen war nicht Platz genug für alle Verhafteten. Ich kann mich erinnern, dass tausende Menschen sogar in Fußballstadien festgehalten wurden." Für ihn ist die Verfolgung der Falun Gong-Gemeinschaft "eine neue Art von Völkermord". Vor allem im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 seien über 10.000 Mitglieder verhaftet worden. "Im Westen kann man das nicht glauben. Viele wissen zwar, dass es Menschenrechtsverletzungen gibt, doch genaues Wissen haben sie darüber nicht."

Wei Liu, ebenfalls Falun Gong-Praktizierende, wurde selbst Opfer der Verfolgung. Auf der Pressekonferenz erzählte sie von ihrer 16-monatigen Gefangenschaft in einem "Umerziehungslager" in Peking. Die 37-Jährige hatte damals versehentlich Prospekte und Unterlagen über Falun Gong an ihrem Arbeitsplatz vergessen. Ein Kollege zeigte sie an, worauf sie ohne Gerichtsverfahren in ein Arbeitslager gebracht wurde. "Es war die Hölle auf Erden", beschreibt Liu ihr Martyrium. Sie musste stundenlang in unbequemen Positionen verharren, litt unter Schlafentzug und hatte keinen Kontakt zur Außenwelt.

Um Falun Gong-Praktizierende "umzuerziehen", werden sie laut Liu einer permanenten Gehirnwäsche unterzogen. Nachdem sie Falun Gong offiziell widerrief, um wenigstens mehr als zwei Stunden schlafen zu können, wurde es noch schlimmer. Vor laufender Kamera habe sie tausende Anschuldigungen gegen Falun Gong vorlesen müssen. Außerdem habe sie 15 Stunden am Tag Zwangsarbeit verrichten müssen. "Die Produkte werden dann billig ins Ausland exportiert."

Vorwurf des Organraubes

Laut eines Berichtes des Menschenrechtsanwalts David Matas und dem ehemaligen kanadischen Parlamentsabgeordneten und ehemaligen Staatssekretär David Kilgour sollen seit 1999 bis zum Jahr 2005 rund 41.000 Falun Gong-Mitglieder im Zusammenhang mit Organraub getötet worden sein. Liu Wei hat diesbezüglich auch Erfahrungen gemacht. "Bevor ich in das Arbeitslager kam, war ich in einem Pekinger Untersuchungsgefängnis. Dort musste man sich zahlreichen körperlichen Untersuchungen unterziehen. Man nahm mir Blut ab, maß den Puls." Warum man das tat, erfuhr sie nie. Bis sie vom Untersuchungsbericht der zwei Kanadier hörte.

Laut den vier Teilen der Dokumentarreihe "A Decade of Courage", die sich mit der Verfolgung der Falun Dafa auseinandersetzt, gibt es keine tatsächlichen Beweise für den Organraub. Der Sender NTDTV, der den Film produziert hat, geht trotzdem davon aus, dass es sich um Tatsachen handle. Seit dem Verbot der Falun Gong habe sich nämlich die Zahl der für Transplationszwecke zur Verfügung stehenden Organe verdreifacht, wie es im dritten Teil der Filmreihe erklärt wird. Trotzdem ist der Wahrheitsgehalt der Vorwürfe umstritten.

China ein „Gefängnis ohne Wände"

Wei Liu hatte Glück. Sie kam frei. Ihre Organe schienen für eine vermeintliche Spende nicht geeignet. Die chinesischen Behörden waren außerdem überzeugt, die junge Frau hätte der „gefährlichen Sekte", wie sie von offizieller Seite genannt wird, abgeschworen. Heute lebt sie in Deutschland. Liu: „China ist wie ein Gefängnis ohne Wände".

Katharina Grieb, Präsidentin der Österreichischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kann den Bericht von Liu Wei bestätigen. „Ich kann Ihnen versichern, dass es keine Menschenrechtsverletzungen gibt, die in China noch nicht begangen worden sind", sagte sie auf der Pressekonferenz. Sie geht mit dem „Westen" hart ins Gericht: „Wir sitzen hier und kaufen chinesische Produkte, die unter schlimmsten Bedingungen hergestellt worden sind." Deswegen seien sie auch so billig. Man müsse sich dem entgegenstellen. „Denn wer ist der Markt? – Wir!"

Demo von 10.000 als Auslöser

Als Auslöser für die intensive Verfolgung der Falun Gong gilt der Vorfall von Zhongnanhai. Das ist der Name des Regierungsviertels in Peking, wo am 25. April 1999 eine Demonstration von rund 10.000 Mitglieder der Meditationsgruppe stattfand. Als Regierungschef Jiang Zhemin damals in einem Autokonvoi vorbeifuhr, soll er außer sich vor Wut gewesen sein, wie Augenzeugen berichteten. Der friedliche Protest richtete sich gegen die Verhaftung dutzender Falun Gong-Praktizierender, die an der Universität Tianjin nach einem Zeitungsartikel der Uni-Zeitung mit der Redaktion sprechen wollten. Der Zeitungsartikel hatte Falun Dafa in ein negatives Licht gerückt.

Hao Fengjun, ein späterer Beamter des „Büro 610", das extra dafür eingerichtet wurde, Falun Gong-Mitglieder zu verfolgen, sagte später über „Zhongnanhai": „Wir wussten alle nichts über Falun Gong, dennoch sollten wir Kriegsrecht anwenden und die Gegend abriegeln."

Chinesische Botschaft dementiert

Lin Shengke von der Chinesischen Botschaft in Wien hat die Vorwürfe an sein Land gegenüber diepresse.com zurückgewiesen. Er bezeichnet Falun Gong als "Irrlehre-Sekte, die jahrelang Gerüchte und Verleumdungen vertreibt". Zu dieser Meinung seien die "meisten Länder, einschließlich der USA und der europäischen Länder" gekommen. Falun Gong ist allerdings nur in China verboten. In 144 Ländern, einschließlich Österreich, ist das Praktizieren von Falun Dafa erlaubt.

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