Prager Post: Eine Frau erzählt über ihr Leben in einem chinesischen Arbeitslager

Xiong Wei verbrachte zwei Jahre in einem chinesischen Arbeitslager. Ihr „Delikt“ war ihre Zugehörigkeit zur in China verbotenen, spirituellen Falun Gong Bewegung.

In Prag, anlässlich einer Ausstellung und einer Kerzenlichtmahnwache zum Gedenken an den zehnten Jahrestag des 20. Juli, dem Tag, an dem die chinesische Regierung Falun Gong verbot, erzählte Xiong Wei ihre Geschichte. Darüber, wie sie von ihrer Arbeit in Deutschland nach Peking kam und kurzerhand bei Tageslicht und auf offener Straße gekidnappt wurde.

Falun Gong hat seine Wurzeln im Buddhismus und Taoismus und umfasst eine Reihe von geistigen und körperlichen Übungen. Falun Gong wurde 1992 von Li Hongzhi begründet und öffentlich verbreitet, wobei er die Prinzipien „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Toleranz“ erklärte. Falun Gong scheint für manche wie eine Religion, vermeidet aber tägliche Anbetung. Außer in China wird in keinem der über 144 Länder und Regionen der Welt, in denen Falun Gong praktiziert wird, diese Praktik verfolgt. Es gibt zirka 100 Millionen Falun Gong-Praktizierende, die chinesische Regierung hingegen zählt 70 Millionen Mitglieder. Laut der Vereinten Nationen richten sich zwei Drittel der Folterfälle in China gegen Falun Gong Praktzierende.

Wegen ihres Glaubens und weil sie Informationsblätter über Falun Gong verteilte, wurde Xiong Wei festgenommen und in ein chinesisches Frauenarbeitslager gebracht. Zwei Jahre später, im Januar 2004, konnte sie dank der massiven öffentlichen Beachtung und der Kampagne für ihre Freilassung, geleitet vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder, das Lager verlassen.

Xiong hatte schon vorher zehn Jahre lang in Deutschland gelebt. Sie studierte an der Technischen Universität in Berlin und arbeitete dann für das deutsche Energieunternehmen Buderus, welches sie nach Peking entsandte. Während ihres vorerst letzten Aufenthaltsjahres in Deutschland lernte sie Falun Gong kennen und stellte fest, dass ihr das Praktizieren von Falun Gong half, ihr Heimweh, ihre Depressionen und zahlreiche Krankheiten in den Griff zu bekommen.

“Meine Haut war in keinem guten Zustand und ich war wirklich angespannt. Nach nur wenigen Wochen Praktizierens von Falun Gong fühlte ich mich wesentlich besser, ich konnte es kaum glauben“, sagte sie.

Zurück in Peking, war Xiong so begeistert über die Wirkung, dass sie es der ganzen Welt erzählten wollte. Sie besorgte sich einen Drucker und Software, die ihr ermöglichte, auf Falun Gong Webseiten zuzugreifen, die ja in China verboten waren. Sie begann Informationsblätter zu produzieren – was später zu ihrer Festnahme führen sollte.

Am Tag ihrer Verhaftung erwiesen sich drei Männer als Geheim-Polizeibeamte; bei vollem Tageslicht packten sie Xiong und steckten sie in den Kofferraum eines Autos.

“Sie haben mir überhaupt nicht gesagt, dass sie Geheimpolizisten waren“, sagte Xiong und ergänzte, dass die chinesische Polizei Geldprämien für die Verhaftung von Falun Gong-Praktizierenden bot.

Nachdem sie acht Stunden in einer Zelle verbracht hatte, die so klein war, dass sie nur an einer Wand stehen konnte, wurde Xiong in das Frauenarbeitslager in Daxin, einer Vorstadt Pekings, gebracht. Dort musste sie täglich 6000 bis 8000 Essstäbchen verpacken. Strafmaßnahmen für Fehlverhalten steigerten die Härte dieser zwei Jahre und reichten von Schlafentzug bis zum Sitzen in einer Hockposition für bis zu 18 Stunden wobei die Benützung des Badezimmers verweigert wurde.

Das amerikanische Außenministerium schätzt, dass die Hälfte aller Chinesen, die sich in Arbeitslagern befinden, Verbindungen zu Falun Gong haben. Da Xiongs Fall von Anfang an große Bekanntheit in der Öffentlichkeit hatte, was eine Welle von Briefen auslöste, und sie Unterstützung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte erhielt, wurden an Xiong die schlimmsten Foltermethoden vermieden.

“Die Wächter wussten, dass sie keine erkennbaren Zeichen von Folter an meinem Körper hinterlassen durften, weil dies wieder internationale Aufmerksamkeit erregen würde”, sagte Xiong.

Trotzdem strapazierten die Jahre im Arbeitslager sie sehr und hinterließen ihre Spuren. „Ich verlor 14 Kilogramm (31 Pfund) an Gewicht. Als mich mein Bruder nach meiner Entlassung sah, fragte er mich, ob ich an meinem Gesicht eine Operation erhalten hätte.“

Heute, fünf Jahre nach ihrer Freilassung, lebt Xiong in Frankfurt. Sie sagt, China sei wie „ein großes Gefängnis“. Sie spricht über ihre Erfahrungen auch in Tschechien und dem früheren Ostdeutschland, denn, so sagt sie, die totalitäre Vergangenheit ermöglicht den Menschen, gleiche Erfahrungen zu bemerken und ihre Geschichte aus ihrer Perspektive nachzuvollziehen.

29. Juli 2009

Prager Post:
http://www.praguepost.com/tempo/1868-woman-tells-of-life-in-chinese-labor-camp.html

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