Leserbrief, veröffentlicht im Tagesanzeigter (CH): Falun Gong im Visier der Justiz

Als direkt Betroffene des vielleicht schon bald gültigen Gesetzes gegen Hochverrat, Abspaltung, Aufwiegelung und Subversion in Hongkong mussten wir im Sommer einen 26-tägigen Gerichtsprozess über uns ergehen lassen. Der Urteilsspruch des Richters, der sich nicht scheute, während Jiang Zemins Besuch in Hongkong seine Zugehörigkeit zur roten Fahne durch Rotfärbung seiner Haare zu demonstrieren, ist um die ganze Welt gegangen.

Die Art von Demonstration, wie sie der Richter gemacht hat, wird in Hongkong wohl auch künftig ungestraft bleiben, denn er hat sich mit seinem stillen Protest für und nicht gegen das Regime ausgesprochen. Anders wird es bei Annahme des geplanten Artikels 23 für Falun Gong Praktizierende sein, die sich gegen Mord und Folter in China aussprechen. Es drohen Haftstrafen bis zu lebenslänglich, und unter was für Bedingungen solche abgesessen werden müssten, fragt man sich besser erst gar nicht.

Als wir uns am 14. März friedlich, mit geschlossenen Augen vor das Verbindungsbüro setzten, wussten wir von dem Artikel 23 noch nichts. Wir waren nur über die Legalität unseres Vorhabens im Bilde und hatten uns strikt an die dort herrschenden Gesetze gehalten. Am 11. Juli äußerte Bundesrätin Ruth Metzler in einem direkten Gespräch mit der Justizministerin Elsie Leung und der Sicherheitsministerin Regina Ip die große Besorgnis der Schweiz bezüglich unseres Prozesses. Die Antwort darauf war eine unverfrorene Lüge: nämlich, dass die Anklage auf Grund des Tatbestandes «Obstruktion» (Behinderung des Verkehrs und des Zugangs zu Gebäuden) geführt werde und nicht auf Grund der Zugehörigkeit zu Falun Gong. Wie die Situation jetzt zeigt, wusste Elsie Leung sehr genau, dass Hongkong an uns schon mal den Artikel 23 erproben will, was heisst: «Sämtliche Beweismittel unberücksichtigt lassen und in allen Punkten schuldig sprechen!» Als wir uns dann weigerten, die Buße zu bezahlen, war die Buße schnell durch einen «mysteriösen Anonymen» bezahlt. Wahrscheinlich war der internationale Druck auf die Regierung Hongkongs einigen Leuten in den oberen Reihen doch zu gross geworden.

Wird der Westen diesen Schuldspruch einfach akzeptieren? Einige westliche Regierungen haben Hongkong deswegen bereits scharf kritisiert, andere trauen sich nicht, vermutlich stehen Wirtschaftsinteressen im Vordergrund. Man könnte sich ein Beispiel an der Mongolei nehmen: Diesen Sommer wurde dem Dalai Lama von Russland wegen Gefallen zu China eine Einreiseerlaubnis verweigert. Die Mongolei hingegen hat sich mutig gezeigt und das Oberhaupt Tibets zu einem Besuch eingeladen. Jiang Zemin lässt Falun Gong aus Angst vor Machtverlust und aus Neid verfolgen. Um sein Ziel, die vollständige Ausrottung dieser Menschen zu erreichen, die innere Ruhe, Gesundheit und Frieden durch Praktizieren von Qi-Gong und durch Meditation suchen, werden 20% der Erdbevölkerung täglich mit verleumderischer Propaganda beeinflusst, und täglich wird Folter bis zum Eintreten des Todes angewendet. Es liegt an unseren westlichen Regierungen, ihren Kollegen in Hongkong und China, deutlich zu machen, dass der Holocaust, der heute in China stattfindet, sich nicht nach Hongkong ausweiten darf und endlich zu einem Ende kommen muss.

SIMONE SCHLEGEL – BERN, QUOC LAM – ZOLLIKOFEN, ROLAND ISENSCHMID – HERGISWIL, ERICH BACHMANN – KREUZLINGEN

Tages-Anzeiger; 2002-11-28; Leserforum

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