Gu Kaizhi und die Frauen

In der frühen chinesischen Geschichte finden sich einige Persönlichkeiten, die halb historisch und halb mythologisch überliefert sind. Fakt von Fiktion zu unterscheiden, ist nach mehr als Tausend Jahren oft nicht mehr möglich.

Gu Kaizhi (344 bis 405 n. Chr.) gehört in diese Kategorie. Er lebte während der Östlichen Jin-Dynastie (265 bis 420 n. Chr.) und wird als Begründer oder Vater der Schriftrollenmalerei verstanden.

Die ältesten biografischen Niederschriften über ihn werden auf 430 n. Chr. datiert, ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod. Schon zu dieser Zeit entwickelte sich eine Legende um seine Persönlichkeit. Er war nicht nur Maler und Kalligraf, er verfasste auch Schriften zu selbigen Themen.

Seine ihm zugeordneten Werke inspirierten nachfolgende Maler bis in die Song-Zeit (960–1279 n. Chr.) hinein. Dank dem, dass er der erste große Künstler in der chinesischen Geschichte war, sind in den Kopien anderer Maler seine Werke erhalten geblieben.

1’600 Jahre zurück in die Vergangenheit

Nachfolgend werden die drei Gu Kaizhi zugeordneten Werke und deren Besonderheiten beschrieben.

Die erste der Bildrollen mit dem Titel „Kluge und gütige Frauen“ bezieht sich auf ein Buch, das gegen Ende der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 8 n. Chr.) publiziert wurde. „Biografien von beispielhaften Frauen“ ist das früheste erhaltene Buch in der chinesischen Tradition, das ausschließlich der moralischen Erziehung von Frauen gewidmet ist. Es enthält mehr als 100 Einträge und bietet eine große Auswahl an Motiven für Kunstschaffende verschiedener Disziplinen.

Gu Kaizhi. Wise and Benevolent Women, a 13th Century Song Dynasty (960–1279) copy of the 4th century original work. Palace Museum, Beijing. Wikimedia Commons

Die Auswahl an Darstellungen, die für jenes Werk getroffen wurden, deuten auf ein wachsendes Interesse an den intellektuellen Qualitäten der Frauen hin, selbst im damaligen Umfeld der konservativen Tradition. Das Besondere an dieser Bildrolle ist, dass der Künstler die Frauen nicht mehr wie sonst üblich schematisch oder symbolisch malte, sondern die Gesichtsausdrücke und die Kostüme sorgfältig zeichnete. Mit der Anwendung von dunklen und hellen Tuschelavierungen wirkten die wallenden Kleider überzeugend plastisch. Nicht nachvollziehen lässt sich, wie getreu der Kopist aus der Song-Zeit den Malstil Gu Kaizhi’s wiedergegeben hat. Möglicherweise hat er stilistische Attribute ergänzt.

Das zweite Werk, mit dem Namen „Ermahnungen der Lehrerin an die Hofdamen“ entspringt, wie das Erste, der konfuzianischen Morallehre für Frauen. Die Bildrolle visualisiert die Schrift von Zhang Hua (232 bis 300 n. Chr.), der die Inhalte nicht erzählte, sondern sie in poetischer Form niederschrieb. Aus diesem Grund konnte der Maler nicht alles aus dem Text bildlich wiedergeben und entschied sich für ein Motiv des jeweiligen Abschnittes. So steht neben der Dame, die sich im Spiegel betrachtet, die Ermahnung nicht nur das Gesicht, sondern auch den Charakter zu verschönern.

Admonitions of the instructress to the court ladies, from the British Museum. Traditionally ascribed to Gu Kaizhi, created between the 5th to 8th Century, Wikimedia Commons

Die Bildrolle wird während sechs Monate im Jahr im Britischen Museum ausgestellt. Man geht davon aus, dass die Kopie während der Tang-Zeit entstanden ist. Bemerkenswert ist, dass die Abbildungen der Damen einerseits ästhetisch, aber auch alltagsnah und lebendig wirken.

Am Ende der Bildrolle wird die Lehrerin der Hofdamen porträtiert. Als Betrachter der Bildrolle (wird von rechts nach links gelesen) könne man meinen, dass man selbst ihre Instruktionen gelehrt bekommt.

Beim dritten Werk „Nymphe vom Luo Fluss“ handelt es sich um die bildliche Umsetzung des Gedichtes von Cao Zhi (192 bis 232). Thema ist eine erdachte romantische Begegnung zwischen dem Poeten, der auch ein Prinz war, mit einer Nymphe bzw. Gottheit des Flusses Luo.

Die Flussnymphe des chinesischen Malers Gu Kaizhi (345-406), tragbare Rolle, Tinte und Farbe auf Seide, Abschnitt (a) Version des Liaoning Provincial Museum, Quelle: Dreitausend Jahre chinesische Malerei. Herausgeber: Éditions Philippe Picquier. ISBN: 2877303411. passage: 54. Wikimedia Commons

In dieser erzählenden Schriftrolle sind die Figuren im Verhältnis zur Landschaft, in der stilisierte Elemente kaum mehr als Kulissen für verschiedene Handlungen sind, unverhältnismäßig groß und stehen am Anfang der Entwicklung der chinesischen Landschaftsmalerei. In diesem Abschnitt besteigt die Göttin ihren von einem Drachen gezogenen Wagen und fährt über die Wellen, begleitet von einem Gefolge fantastischer Kreaturen. Credit Line: Gift of Charles Lang Freer, National Museum of Asian Art

Wird die Schriftrolle geöffnet, sieht der Betrachter als Erstes den Poeten am Flussufer stehen. Die Nymphe befindet sich über dem Gewässer. Dann folgen die romantischen Szenen. Zuletzt fährt der Poet in einem Wagen vom Flussufer weg, zurückblickend, als wäre es ein Traum gewesen. Das Besondere an dieser Bildrolle ist, dass eine ganze Geschichte am Stück erzählt wird und die gleichen Charakteren in mehreren Szenen erscheinen. Der landschaftliche Hintergrund ist szenisch miteingebunden und gibt diesen ihren Rahmen.

Der Poet beschreibt das Aussehen der Nymphe mit Metaphern. Gänse, Drachen, Chrysanthemen, Wolken und dergleichen. Bei diesem Werk geht es nicht mehr um die Tugenden der Frauen, sondern um deren Schönheit, einer Schönheit, die (Männer) inspiriert (in diesem Fall zu einem Gedicht) und romantisches Sehnen auslöst. Dieses Werk schuf, auch aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen, neue Darstellungsformen (Linien, Gesten) von Frauen, aber auch von royalen Personen. Diese neue Ikonografie beeinflusste die Maler der Tang-Zeit, die Gu Kaizhi für seine Künste in höchsten Tönen lobten.

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Quellen für diesen Bericht: Three Thousand Years Of Chinese Painting ab Seite 47, zweiter Abschnitt bis Seite 55. Yale University Press 1997. Bilder wie jeweils angegeben.

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