Soll und Haben müssen bei jedem ausgeglichen sein

Eine Geschichte als Beispiel für den Kreislauf der Karmavergeltung

Symbolbild einer Gebirgslandschaft Foto: Jingwu Kang /Pixabay

Die Geschichte ist aus der Zeit der Sui Dynastie. Damals gab es einen Mann namens Shanyou, der sehr nett war und sich bemühte, anderen Menschen zu helfen. Seine Frau, Lishi, war da ganz anders. Sie war geizig und achtete stets darauf, was sie von anderen bekommen konnte.

Neben dem Haus von Shanyou und Lishi lebte Tingyu. Er war arm, und als seine Mutter starb, brach er in das Haus von Shanyou ein und stahl 50 Silbermünzen, um die Beerdigung bezahlen zu können. Shanyou bemerkte den Einbruch zwar, da er aber noch genug Silbermünzen hatte, nahm er sich den Diebstahl nicht sehr zu Herzen. Seine Frau hingegen war sehr erbost, hätte sie mit dem Geld doch noch viele schöne Sachen für ihr Haus kaufen können.

Lishi konnte ihren Mann nicht verstehen. Während sie noch über den Verlust diskutierten, klopfte ein Mönch an die Wohnungstüre. Shanyou hieß ihn willkommen und fragte ihn, woher er denn käme. „Ich komme vom Wutai Berg und sammle Spenden für die Reparatur unseres Tempels. Inzwischen habe ich 100 Silbermünzen, die schwer zu tragen sind. Ich habe gehört, dass du ein ehrlicher Mann bist. Darf ich die Silbermünzen bei dir deponieren, bis ich vom Spendensammeln zurück bin?“

Shanyou antwortete ihm, dass er die Silbermünzen gerne für ihn aufbewahren würde. Falls er nicht zu Hause sei, würde seine Frau ihm die Münzen aushändigen. Als Lishi die große Menge an Silbermünzen sah, wurde sie ganz aufgeregt und überlegte sich, wie sie sich diese unter die Nägel reißen konnte. Einige Tage vergingen, ohne dass der Mönch zurückgekommen wäre. Shanyou beschloss, seine Reise zum Dongyue Tempel nicht länger aufzuschieben, wo er beten und Räucherstäbchen anzünden wollte.

Bevor Shanyou sich auf den Weg machte, schärfte er seiner Frau nochmals ein, dem Mönchen, wenn er vorbeikäme, die Silbermünzen auch ja auszuhändigen. Seine Frau versprach, dies zu tun. Nur wenige Stunden nachdem Shanyou weggegangen war, kam der Mönch und wollte seine Münzen abholen. Doch Lishi wimmelte ihn ab: „Wir haben keine Silbermünzen. Du musst dich im Haus geirrt haben.“ Als Shanyou zurückkehrte und seine Frau nach den Silbermünzen des Mönches fragte, sagte sie ihm, dass sie diese ausgehändigt habe.

Zwei Jahre später gebar Lishi einen Sohn und nochmals drei Jahre später, einen weiteren Sohn. Der Familie ging es sehr gut und Shanyou war sehr glücklich. Mit der Zeit jedoch bemerkten er und seine Frau, wie unterschiedlich die beiden Kinder waren. Der ältere Sohn war arbeitsam und fleißig, der Jüngere ein Taugenichts und Faulenzer. Als die Söhne älter wurden, mergelte der ältere Sohn vom vielen Arbeiten aus und starb früh. Der jüngere Sohn verprasste das ganze Geld der Familie, war dabei aber robust und sehr gesund. Trotzdem starb er ein Jahr später. Lishi war darüber so traurig, dass sie ebenfalls starb.

Shanyou war tief betrübt und wanderte zum Dongyue Tempel, um seine Trauer zu bewältigen. Vor der Statue des Berg Tai Gottes kniend, beschwerte er sich über sein unfaires Schicksal. Als er so lange betete, fiel er in eine Ohnmacht. Während er auf dem Tempelboden lag, holte ihn ein Bote der Unterwelt ab und sagte zu ihm: „Yama will dich sehen!“

Als Shanyou vor dem Gott der Verstorbenen Yama stand, fragte ihn dieser: „Warum beschwerst du dich beim Gott des Berg Tai über mich?“ Shanyou antwortete: „Meine Frau und meine beiden Söhne haben sich nichts zuschulden kommen lassen, warum hast du sie mir genommen?“

Yama befahl, dass die beiden Söhne in die Halle gebracht wurden. Shanyou war so froh, sie zu sehen. Er fragte den älteren, ob er mit ihm nach Hause käme. Da antwortete dieser: „Ich bin nicht dein Sohn. Ich bin Tingyu, der Nachbar, der die 50 Silbermünzen entwendet hat, um die Beerdigung der Mutter zu bezahlen. Als dein ältester Sohn habe ich dir diese Schuld zurückgezahlt und bin darum nicht länger dein Sohn.“

Als Shanyou das hörte, war er sehr traurig und wandte sich an seinen jüngeren Sohn. Er wiederholte seine Frage und wollte, dass er nun mit ihm nach Hause käme. Doch dieser antwortete: „Ich bin nicht länger dein Sohn. Ich bin der Mönch vom Wutai Berg, der die 100 Silbermünzen bei dir deponiert hat. Du hast mir die Schulden zurückbezahlt und alles ist jetzt ausgeglichen. Darum bin ich nicht länger dein Sohn.“

Shanyou war schockiert. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass er jemandem 100 Silbermünzen schuldig geblieben war. Er fragte Yama: „Was war passiert?“ „Öffnet die Pforten der Hölle“, befahl Yama. Seine Frau Lishi erschien. Sie schlurfte auf ihn zu, ganz gebeugt wegen der schweren Ketten, die sie an beiden Händen trug. Sie weinte bitterlich und bereute es zutiefst, dass sie damals dem Mönch die 100 Silbermünzen nicht zurückgegeben hatte. Shanyou rief aus: „Das habe ich nicht gewusst. Du hast dir diese Bestrafung durch dein Verhalten selbst zugefügt.“

Dann gab es einen lauten Knall und Shanyou wachte auf, immer noch vor der Statue des Gottes des Berges Tai liegend. Er konnte sich an alles erinnern. Er verstand, dass alles in seinem Leben das Resultat der karmischen Vergeltung war. Die Vergeltung konnte gut oder schlecht sein und mit Gewissheit sehen die Gottheiten auch, was Menschen im Verborgenen und Geheimen tun. Er war nicht länger traurig. Er kümmerte sich um seine Kultivierung, half weiterhin seinen Mitmenschen und kam fleißig voran.

Quelle: Übersetzung der Geschichte „Die Schuld muss beglichen werden“ aus dem Buch Treasured Tales of China Vol.3, ab der Seite 71, Classical Poets Publishing, Mount Hope, New York, 2020.

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