news.ch: Ein Virus namens Freiheit

Die Hongkonger Proteste werfen mal wieder ein Schlaglicht auf China. Die Pekinger Führung hatte es eben erst geschafft, sich nach dem SARS-Desaster aus den Schlagzeilen zu verbannen, da beginnen die Bewohner des &#039duftenden Hafens&#039 aufzubegehren und wieder internationale Aufmerksamkeit anzuziehen. Die neuen Gesetze, die Peking für die ehemalige Kronkolonie einführen will, sind durchaus verständlich: Vorausgesetzt man ist Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas. Denn das Modell der zwei Systeme in einem Land macht der Führung in Peking immer mehr Mühe. Während im &#039alten&#039 China die Unfähigkeit der Staatsmacht mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht allzu offensichtlich ist und Proteste gegen Zwangsumsiedelungen, Arbeitsmangel und andere Mangelerscheinungen problemlos unterdrückt und totgeschwiegen werden, stellt Hongkong einen Stachel im Fleisch der Einheitspartei dar. Eine freie Presse, die den von Peking eingesetzten Gouverneur – und so auch die, die ihn beriefen – als unfähig bezeichnet und von der Staatsdoktrin abweichende Meinungen zu Tibet und Taiwan kundtut, schmerzt die Parteiführung. Widerspruch ist für diese Leute nicht tolerierbar, denn er stellt nicht die Grundlage einer Diskussion dar, sondern einen Versuch des Umsturzes. Die Welt ignoriert die chinesischen Menschenrechtsverletzungen ja geflissentlich und schliesst angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten, die das Reich der Mitte bietet, die Augen vor der Unterdrückung des Tibets und anderen ethnischen Minderheiten. Die Tatsache, dass aus Hongkong immer wieder ungeschminkt über China berichtet wurde, und die Welt auch auf diese Stimmen hört, scheint nun die Partei in Bewegung gesetzt zu haben. Allerdings nicht dahingehend, eine Diskussion über ihr Handeln zu eröffnen, sondern eine solche Debatte zu terminieren. Das neue Gesetz soll unliebsame Stimmen eliminieren und hat sie nun erst recht auf den Plan gerufen. Ebenso die Frage, ob ein Land zwei Systeme überhaupt ertragen kann. Oder sogar drei, rechnet man die Sonderwirtschaftszonen wie Shanghai mit ein. Scheinbar nicht. Das Gesetz zeigt nämlich, dass sich Peking von Hongkong bedroht fühlt. Das Schurigeln der im Vergleich zu Restchina winzigen Hafenstadt demonstriert, dass Peking Hongkong als eine Art Virus betrachtet, der jederzeit in China ausbrechen und das Begehren nach freier Information und Presse und sogar Demokratie verbreiten könnte. Wie schwer eine Demokratiebewegung wieder einzudämmen ist, war ja 1989 zu sehen. Vielleicht hat ja ausgerechnet die Erfahrung mit SARS in Peking zu der Erkenntnis geführt, wie mit einer solchen virulenten Gefahr umzugehen ist: Die Quelle ausmachen, isolieren und vernichten. Leider, kann man da nur sagen, scheinen die Betonköpfe was gelernt zu haben. Da kann man nur hoffen, dass die Rechnung nicht aufgeht.

Patrik Etschmayer

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