Prima Sonntag (D): Ein undemokratischer Staatsbesuch und seine Folgen – Eine Würzburgerin klagt gegen das Land Sachsen (06.07.03)

Veitshöchheim/Leipzig – Es war am 9. April 2002, als der damalige chinesische Staatschef Jiang Zemin seinen Staatsbesuch in Deutschland mit einem Besuch beim Bundeskanzler startete. Wer in der Nähe des Berliner Hotels Adlon, in dem der Staatsgast residierte, gelbe Kleidung trug oder als Asiate vorbei spazierte, war in diesen Tagen unerwünscht. Später auch in den ostdeutschen Städten Potsdam und Dresden, die Jiang Zemin ebenfalls besuchte. Für wenige Tage zogen im demokratischen Deutschland Praktiken ein, die in China gang und gäbe sind – auf Weisung des asiatischen Staatschefs und mit Hilfe der deutschen Polizei. Eine Berliner Mutter, die mit ihrem Kleinkind in der Nähe des Hotels Adlon in Berlin unterwegs war, durfte die Straße nicht weiter entlang laufen, sondern musste umkehren: Weil sie einen gelben Schal trug. 14 Kläger strengen nun einen Prozess gegen Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen wegen Verletzung der Grundrechte an. Darunter auch Jing Tang-Wiesberg, eine gebürtige Chinesin mit deutscher Staatsbürgerschaft, die in Veitshöchheim lebt.

Demokratie außer Kraft gesetzt?
Am 10. April 2002 fand sich auch Jing Tang-Wiesberg in Potsdam vor dem Schloss Sanssouci ein, wo Jiang Zemin erwartet wurde. Von einem Chinesen, vermutlich einem Polizisten oder Geheimdienstler, angesprochen, ob sie Journalistin sei, wurde sie, als sie verneinte, aufgefordert den Platz zu verlassen. ”Er sprach immer lauter, so dass ein deutscher Polizist auf uns aufmerksam wurde und mich vom Platz verwies. Andere Chinesen durften bleiben.” In Dresden wollte sie während des Jiang Zemin-Besuchs am 11. April 2002 mit zwei anderen Falun Gong-Praktizierenden vor dem Hotel Kempinski auf die Verfolgung von Falun Gong aufmerksam machen. ”Wir befanden uns 200 Meter entfernt vom Hotel, dieser Bereich gehörte nicht zum Sicherheitsgebiet. Weil ich ein gelbes T-Shirt mit Aufschrift “Falun Dafa” und “Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht” trug, verwiesen uns drei deutsche Polizisten des Platzes und begleiteten uns zu einem etwa 100 Meter entfernten Ort – kurz bevor Jiang Zemin das Hotel verließ. Ein Polizist sagte, wenn wir nur einen Schritt nach vorne träten, würden wir verhaftet.” Bücher und Transparente von Falun Gong-Anhängern wurden beschlagnahmt. “In einem demokratischen Land wurden meine Grundrechte verletzt”, sagt sie.

Polizei schritt nicht gegen Angreifer ein
Ein besonders gravierender Fall ereignete sich außerdem in Dresden: Als die Autokolonne des chinesischen Staatspräsidenten am Hotel Kempinski vorbeifuhr, rief eine Frau unter den Zuschauern ”Falun Gong ist gut”. Ein Mann des chinesischen Geheimdienstes stürzte zu ihr und drückte ihr die Kehle zu. Statt sich gegen den Angreifer zu stellen, schleppten die deutschen Polizisten die Frau weg. ”Dies ist bedenklich, denn die Polizei hätte sich gegen den Angreifer durchsetzen müssen, nicht gegen die friedliche, nur rufende Frau”, urteilt Dr. Frank Selbmann, Anwalt für Polizeirecht aus Leipzig. Er vertritt Jing Tang-Wiesberg und die 13 weiteren Personen wegen Grundrechtsverletzung und Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot bei Polizeieinsätzen.
Die Stimmen der Menschen, die die Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Staatsregierung kritisierten, sollte der chinesische Staatschef nicht hören. Die deutschen Behörden hielten sie, von den chinesischen Behörden beeinflusst, vom Staatsgast fern: ”Es gab während des Deutschlandbesuches zahlreiche Fälle, bei denen gegen einzelne Personen nur aufgrund der Annahme vorgegangen wurde, sie könnten Demonstranten oder Falun Gong-Praktizierende sein. Aus Gesprächen mit Polizeibeamten konnten wir entnehmen, dass Jiang Zemin großen Druck in Bezug auf die Sicherheitsvorkehrungen ausgeübt hat”, bemängelt Waltraud Ng, Sprecherin des Falun Gong Informationszentrums Deutschland. ”Menschenwürde und Gerechtigkeit sind die Basis jeder Demokratie. Sie wurden im Dienste eines ausländischen Staatsgastes verletzt.”

USA klagt gegen Jiang Zemin
Jiang Zemin, im März 2003 zurück getreten, muss sich voraussichtlich in Kürze in den USA für die Menschenrechtsverbrechen am chinesischen Volk verantworten. Kläger sind amerikanische und chinesische Falun Gong-Praktizierende. Die Anwältin der Kläger hat vor dem Bezirksgericht Illinois Beweise für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter und Völkermord des chinesischen Diktators vorgelegt. Das Gericht prüft derzeit diese Beweise. Parallel dazu wurden in weiteren europäischen Ländern Klagen eingereicht. Amnesty International unterstützt die Kläger bei der strafrechtlichen Klage gegen Jiang Zemin. Der Gerichtsgang hat chinesische Behörden offensichtlich alarmiert. ”Jiang Zemin sei bereit, jeden Preis zu zahlen, um zu verhindern, dass dieser Fall weiter verfolgt werde”, so die Informationen des Falun Gong Informationszentrums Deutschland. Jiang Zemin ist noch immer Chef der Militärkommission Chinas.

Verfolgte Meditierende
Falun Gong ist eine Meditationspraxis aus China. Sie wird in über 60 Staaten der Welt praktiziert.
Neben körperlichen Übungen wird Wert auf ein Leben nach den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht gelegt.

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