NZZ (CH): Hongkong modifiziert das Sicherheitsgesetz


Der Chief Executive Tung Chee-hwa in Bedrängnis
Die Hongkonger Regierung hat am Samstag einige substanzielle Änderungen am umstrittenen neuen Gesetz für interne Sicherheit angekündigt. Die Konzessionen befriedigen die grundsätzlichen Gegner des Gesetzes jedoch nicht. Der Chief Executive Tung Chee-hwa gerät immer mehr unter Druck.

us. Tokio, 6. Juli

Vor fünf Tagen, am sechsten Jahrestag von Hongkongs Rückkehr nach China, hat beinahe eine halbe Million Hongkonger auf der Strasse gegen ein neues Gesetz, das Subversion, Landesverrat und Aufruhr scharf bestraft, demonstriert. Am Samstag nun kündigte Hongkongs Chief Executive gegenüber Medienvertretern an, dass die endgültige Vorlage, welche die Regierung am kommenden Mittwoch der Legislative zur Verabschiedung unterbreiten wolle, in einigen Punkten revidiert werde. Nachdem Tung Chee-hwa und seine Mannschaft über Monate hinweg eine harte Linie verfochten hatten, scheint sie das Ausmass des öffentlichen Protests, das wohl auch in Peking mit Besorgnis registriert wurde, zu Konzessionen veranlasst zu haben.

Gestärkte Opposition

Die von Tung Chee-hwa bekannt gegebenen Modifikationen am Gesetzestext betreffen drei Punkte. Als Erstes wird vom Verbot von Hongkonger Ablegern von Organisationen, die in China ungesetzlich sind, Abstand genommen. Unter anderem betrifft dies die Bewegung Falun Gong. Als Zweites soll «öffentliches Interesse» als Rechtfertigung akzeptiert werden, wenn Journalisten das Verbot der Veröffentlichung von klassifizierten Informationen missachten. Als Drittes wird die Bestimmung, dass die Polizei ohne Durchsuchungsbefehl Hausdurchsuchungen vornehmen kann, fallen gelassen. Während aus Peking verlautet, dass die Zentralregierung keine Einwände gegen diese Modifikationen habe, erklärten in Hongkong Vertreter von mehreren Nichtregierungsorganisationen, dass die bekannt gegebenen Änderungen nicht ausreichten.

Angeschlagenes Selbstvertrauen

Die Tatsache, dass die Regierung weiterhin am 9. Juli als Stichdatum für die abschliessende Lesung des Gesetzes in der Legislative festhält, veranlasste Oppositionsvertreter dazu, vor übereilter Hast bei der Verabschiedung des Gesetzes zu warnen. Das Hongkonger Grundgesetz sieht den Erlass eines Gesetzes vor, das die Bestrafung von staatsgefährdenden Delikten regelt, welche die Sicherheit nicht nur Hongkongs, sondern auch Chinas gefährden können. Von Anfang an hatten die demokratische Opposition in der Legislative und ein breites Spektrum der öffentlichen Meinung die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes bestritten und kritisiert, dass dadurch die bei Hongkongs Rückkehr nach China vereinbarte Rechtsautonomie des ehemaligen britischen Territoriums ausgehöhlt werde.
Die Regierung gab sich im Wissen um eine solide Mehrheit in der nur zur Hälfte direkt gewählten Legislative bis vor kurzem siegesgewiss. Die grösste Demonstration seit dem Abzug der Briten scheint dieses Selbstvertrauen angeschlagen zu haben. Zudem liess James Tien, der Führer der üblicherweise regierungsnahen Liberalen Partei, am Freitag verlauten, dass die liberalen Abgeordneten in der Legislative für eine Aufschiebung der Gesetzgebung bis zum Jahresende eintreten würden. Tien scheint dazu auch von Peking, wo er vor kurzem den Direktor des dem Staatsrat angeschlossenen Büros für die Angelegenheiten von Macao und Hongkong, Liao Hui, getroffen hatte, grünes Licht erhalten zu haben.

Ungeschicktes Vorgehen

Die Entwicklung ist für den Chief Executive Tung Chee-hwa politisch äusserst schädlich. Bereits seit längerem und nicht nur im Zusammenhang mit dem Sicherheitsgesetz befindet sich Tungs Popularität im Keller. Inzwischen mehren sich die Forderungen nach einem Rücktritt des Chief Executive, der erst im letzten Jahr für eine zweite Amtsperiode bestätigt worden war. Der farblose und auch nach sechs Jahren Amtsführung politisch unbedarfte Tung pflegt den Pekinger Machthabern jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Doch mit seinem ungeschickten Vorgehen, das die Emotionen in Hongkong hochgehen lässt, wird er mehr und mehr auch für China zu einer Belastung.

Neue Zürcher Zeitung; 2003-07-07

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