Rede von Karl Hafen, Geschäftsführender Vorsitzender der IGFM zur Veranstaltung am 5. Juli in Frankfurt/Main, Deutschland gegen den Artikel 23 in Hongkong

Vor der Auslieferung Hongkongs an China am 1. Juli 1997 hatte ich das Auswärtige Amt gefragt, ob die Bürger Hongkongs nicht dazu befragt werden müßten, ob sie denn den Anschluß will. Man gab mir folgende Antwort: „Schwerpunkt der Debatte des Menschenrechtsausschusses war die Frage, ob die beiden grundlegenden Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte weiterhin Anerkennung finden. Beide Fragen hat der Ausschuß bejaht.“ (Fischer, Auswärtiges Amt, 341-2-SE-K-HK 97, vom 14.8.1996)

Wir wissen:
Am 1. Juli 1997 wurden Freiheit und Demokratie in Hongkong beerdigt. Die Hongkongbürger, die 156 Jahre nichts mit China zu tun hatten, wurden – wie wir wissen, ohne gefragt worden zu sein – an China ausgeliefert. China zählt zu denjenigen Ländern, in denen die Menschenrechte systematisch und brutal verletzt werden.

Die Einschränkung demokratischer Freiheiten und der Menschenrechte schreitet seit der Übergabe Hongkongs voran. Bereits am Tage der Wiedervereinigung mit China hat Peking wichtige Rechte außer Kraft gesetzt, die neue Verwaltung widerrief weitere und brach damit sowohl das Basic Law als auch die Chinesisch-Britische Rückübergabevereinbarung.

Versammlungsfreiheit

Die Versammlungsfreiheit wurde bereits in den Morgenstunden des 1. Juli eingeschränkt mit zur Mitternacht rückwirkenden „Gesetzen“. Zwar werden bis heute Demonstrationen erlaubt, aber wenn sie politischer Natur sind oder sich gegen rotchinesische Besucher richten, sind sie von massiven Polizei-Maßnahmen begleitet. In aller Welt sind rückwirkende Gesetze illegal, und auch in Hongkong verstoßen sie gegen die Verfassung (Art. 12) und das Basic Law (Art. 39)

Abhörmaßnahmen

Bürgerrechtler und Demokraten beklagen, daß ihre Telefone, Faxe und e-mails nachrichtendienstlich behandelt werden. Dies sei bei „öffentlichem Interesse“ möglich. Über diese polizeilichen Maßnahmen sind vom Gesetz geschützte Verwaltungsmaßnahmen ohne Unterrichtung der Datenschützer oder Richter möglich. Die Betroffenen haben dagegen keine Klagemöglichkeit.

Abhängige Rechtsprechung

Ein Kernstück des Sino-Britischen Vertrages war die Unabhängigkeit des Obersten Hongkonger Appellationsgerichts. Aber die Richter dieses Gerichtes werden nicht mehr vom Parlament gewählt, sondern von der Verwaltung ernannt. In Verfassungsfragen ist nicht mehr das Gericht, sondern das Zentralkomitee der kommunistischen Partei in Peking oberste Instanz. Dieses hat bereits Teile der „Hongkong Bill of Rights“ als unvereinbar mit dem Basic Law erklärt und außer Kraft gesetzt.

Sonderrechte für Kommunistische Partei

Die Kommunistische Partei und ihre Organisationen haben in Hongkong gesetzlich einen Sonderstatus erhalten, der sie und ihre Mitarbeiter vor rechtlichen Angriffen, auch vor strafrechtlicher Verfolgung bei Nichteinhaltung der Gesetze, ja sogar bei Betrug und Kleindelikten schützt. Besonderen Schutz genießt die Nachrichtenagentur der kommunistischen Partei Xinhua.

Wahlgesetze

Die Zahl der frei wählbaren Abgeordneten wurde ebenso reduziert wie die Zahl der Wahlberechtigten. Die sehr schwierig zu durchschauenden Wahlgesetze haben zu einem Parlament geführt, in dem die frei gewählten demokratischen Abgeordneten weniger als 20 von 60 Abgeordneten stellen können, egal wie viele Stimmen sie erhalten.

Heute geht es um den Artikel 23.

Dieser Artikel sieht vor, daß das Parlament Hongkongs Gesetze schafft, um Landesverrat, Aufwiegelung, Staatsgefährdung und Diebstahl von Staatsgeheimnissen sanktionieren und die Zusammenarbeit örtlicher Gruppen mit ausländischen Gruppen untersagen zu können. Schon 1997 hatten die Bürgerrechtler in Hongkong Angst, daß man sie mit diesem Paragraphen finanziell austrocknen will. Finanzielle Hilfe aus dem Ausland, die die Bürgerrechtler brauchten, um frei zu bleiben und frei zu berichten, war plötzlich strafbar.

Die Bürgerrechtler hatten sich seit 1997 langsam auf diesen Tag vorbereitet. Sie wußten, daß der Tag kommt und sie wußten, daß es gegen sie angewendet wird. Die Glaubensgemeinschaften und Meditationsgruppen, die aus Normalbürgern wie Sie und ich bestehen, konnten das nicht sehen. Jetzt müssen auch sie damit rechnen, wie Kriminelle behandelt zu werden.

Die letzte Zuflucht für von Verfolgung bedrohten Bürgern Chinas fällt mit Inkrafttreten der neuen Gesetze.

Aber werden die Politiker nun wach werden? Ich versichere Ihnen – Sie sind wach, aber sie sagen es nicht. Der UN-Menschenrechtsausschuß, der sich feige vor der Verantwortung gedrückt hat, einen Sonderbeobachter – wie von den Menschenrechtsorganisationen gefordert – nach Hongkong zu schicken, besteht heute aus Staaten, von denen viele wie China, Rußland, Kuba, Simbabwe, Algerien und Libyen selbst schwerste Menschenrechtsverletzungen begehen. Glauben Sie, daß diese Staaten über Unrecht richten können – und vor allem wollen?

Wir wenden uns an die Bundesregierung, Hongkong nicht nur als Wirtschaftsstandort zu sehen, sondern schnellstens darauf zu drängen, daß die Menschenrechte in Hongkong wieder hergestellt werden. Nachhaltiges Ermahnen, Erinnern und Bohren schützen die Bürger Chinas und Hongkongs vor der Einschränkung ihrer Rechte. Wenn es als „Ritual“ abgetan wird, dann endet es wie mit dem Transrapid: Abkommen geschlossen, aber Vertrag nicht eingehalten! Menschenrechte gehen vor wirtschaftliche Vorteile und Geschäfte! Das sagen wir auch der Börse und den Banken in Frankfurt.

Die Bundesregierung muß eine Strategie der europäischen Staaten für die nächste Tagung der UN-Menschenrechtskommission entwickeln und endlich und deutlich die schweren Menschenrechtsverletzungen in China auf die Tagesordnung bringen und benennen. Die IGFM bietet dazu ihre Hilfe an.

Die Bundesregierung muß den Menschen in Hongkong, die in Not geraten, Hilfe und Schutz anbieten. Aus Hongkong und aus China geflohene Falun Gong (Praktizierende) und andere dürfen nicht zurückgeschickt werden.

Die Bundesregierung und der deutsche Bundestag sollten gerade jetzt die Vertreter von Betroffenen wie z.B. die Falun Gong (Bewegung) demonstrativ einladen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte hat den Prozeß der Auslieferung Hongkongs an China sehr aufmerksam begleitet. Was uns Bürgerrechtler wie Emily Lau und Martin Lee seit Jahren berichten, bereitet uns große Sorgen. Ich versichere Ihnen, wir stehen an der Seite der Verfolgten und Unterdrückten. Wir stehen an Ihrer Seite!

Karl Hafen
FFM, 4.7.2003

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