Eine unwürdige Behandlung für friedliche Menschen (Teil 1)

Am Dienstag, den 20. November 2001, wurde ich zusammen mit 35 weiteren Falun Gong-Praktizierenden kurz nach 14 Uhr auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking festgenommen und einen Tag später des Landes verwiesen.

Wie war es dazu gekommen, was habe ich vor und nach meiner Festnahme erlebt?

Zunächst zu meiner Person: ich bin 60 Jahre alt, ein Sohn, zwei entzückende Enkelkinder, habe 30 Jahre lang als Cutterin gearbeitet und bin seit diesem Jahr in Pension.
Im Juni 1999, genau einen Monat vor dem Verbot in China, habe ich Falun Gong kennengelernt, habe von da an regelmäßig die dazugehörigen Übungen gemacht und das Buch „Zhuan Falun“ und die anderen Schriften von Meister Li Hongzhi gelesen. Ich war von Anfang an entschlossen, mich dieser Lehre zu öffnen, ohne dafür rationale Gründe nennen zu können, führe ein ganz normales Leben und bemühe mich, nach den grundlegenden Prinzipien von Falun Gong, nämlich Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht, zu leben.
Schon wenige Monate, nachdem ich mit Falun Gong angefangen hatte, bereitete mir die schwere Hüftarthrose ( ich stand vor einer beidseitigen Operation) keinerlei Schmerzen mehr, auch diverse andere Beschwerden sind seitdem verschwunden.
Meine augenblickliche Arbeit am PC betrifft ausschließlich Falun Gong, insbesondere die Verfolgung von Falun Gong-Praktizierenden in China, dann kommt in mir der Wunsch nach Berichtigung auf. Viele Berichte von perfiden Schikanen und von Folter haben mich wegen ihrer Unmenschlichkeit tief getroffen. Ich fühlte mich so hilflos, ich befand mich in sicherem Schutz und sah keine Möglichkeit, den Tausenden, Zehntausenden von schutzlosen Betroffenen, die nur verfolgt werden, weil sie einem moralisch hochstehenden Weg folgen, zu helfen. Ich nahm an vielen Informations-Veranstaltungen aktiv teil, in deutschen Städten und in Nachbarländern, vor der UNO und im Europäischen Parlament, es gab Gespräche mit Journalisten, Politikern, Menschenrechtsorganisationen und Mitgliedern der UNO-Menschenrechtskommission. In China hingegen wurde die Situation immer schlimmer, weil sich die chinesische Regierung dem Falun Gong Problem noch schneller entledigen wollte. Die Praktizierenden wurden nunmehr skrupellos als Selbstmörder hingestellt ( wie können sie eigentlich Selbstmord begehen, wenn sie doch so gut bewacht sind?). Wer das Pech hatte, in einem wegen seiner Brutalität besonders berüchtigten Umerziehungslager einzusitzen, wurde nach Beendigung seiner regulären Strafzeit einfach nicht entlassen, denn er hätte ja über das berichten können, was er während seiner Haft gesehen hatte.

Wo war ein Ausweg? Was konnte ich für die chinesischen Praktizierenden tun?
Ich buchte im September eine Touristenreise nach China, Endziel Peking. Im Nu schlossen sich 11 weitere Praktizierende aus Deutschland und der Schweiz an, Praktizierende aus 8 weiteren Nationen folgten. Die Idee zu einer Demonstration von „Weißen“ auf dem Tiananmen war geboren, es sollte eine friedliche Demonstration werden, die Gruppe größtenteils im Lotussitz, dahinter ein großes Transparent, auf dem in Chinesisch und Englisch „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht“ stehen sollte, Datum 20. November. Und so geschah es.

Der 20. November, strahlender Himmel, T-Shirt-Wetter.

Letzter Check-Up um 12 Uhr, genaue Festlegung der Position jedes Einzelnen in der Gruppe, wer sitzt, wer steht wo, wer entfaltet wann das 4 Meter breite Transparent mit den drei Prinzipien als Aufschrift. Getrenntes Mittagessen, Entschlossenheit, Ruhe. Bei mir der Gedanke: „Sie sollen uns einfach nicht sehen!“ Naiv?
Gegen 13h30 zu zweit auf den Tiananmen wie normale Touristen, alles normal. Drachen steigen, Touristen knipsen, Zivilpolizisten wollen keine sein. Letzte Gedanken, das Gefühl von Stärke und Schutz. Zugleich des Risikos bewußt, die Bilder der chinesischen Praktizierenden hier nicht vergessen. Gedankliches Vorgehen gegen das Übel, der tiefe Wunsch nach Beendigung der Horrortaten hier auf diesem Platz und überall in China.
Kurz vor 14 h schlendern wir in Richtung chinesischer Flagge, ich habe einen großen Sticker auf der Bluse in Schwarz-Rot-Gold und mit „Germany“; zwei Praktizierende kommen uns entgegen, ähnlich einem Brautpaar, sie mit einem großen Strauß weißer Blumen. Begrüßung, die Nächsten kommen, man lacht, man kennt sich, wir werden immer mehr, alles harmonisch und natürlich. Wie besprochen Aufstellung zu Gruppenfotos, Aufmerksamkeit gewinnen. Ein bißchen weiter erneute Aufstellung zu Fotos, jetzt schon präziser, jeder hat seinen Platz, mehrere halten Fähnchen mit ihren Nationalitätsfarben, dann ein kurzes Zeichen, die ersten drei Reihen so schnell wie nie im Lotussitz, wir in der letzten Reihe stehen, schützen das Transparent, das blitzschnell entfaltet ist, viele Neugierige um uns herum. „ Fa zheng qian kun….“, nicht abgesprochen, einer fängt an, alle fallen ein. Es hallt über den Platz, ich bin fast erschrocken über die den Worten auf diesem Platz innewohnende Kraft.

Außer unseren Rufen höre ich nichts, kein Sirenengeheul, kein Reifenquietschen der heranbrausenden Polizeikolonne, die zu der Zeit heranbrausten. „Fa zheng qian kun, xie e quan mie….“ als einziges in meinen Ohren und auf meinen Lippen, die Kolonne teilt sich vor uns, umstellt uns und entzieht uns den Blicken der Öffentlichkeit, dann kräftige Griffe von rechts und links, kein Mensch wahrgenommen, der kurze Gedanke, was tun? Mich fallen lassen, es ihnen schwer machen, widerstehen wie alle vor mir. Mein nächster Gedanke: die Würde eines Dafa-Schülers, so nicht. Männer in schwarzen Uniformen und silbernen Beschlägen, sie in der vielleicht aufgezwungenen Arbeit nicht noch zu üblen Handlungen herausfordern, kein zusätzliches Karma bei ihnen provozieren, in Gelassenheit in den Bus, unausweichlich, die Erste auf der letzten Bank. Neben mir das Fenster geöffnet, wird zugeknallt, ich kann draußen nichts konkret wahrnehmen, Gerangel, Schreie. Ich fühle mich auf diese Situation nicht vorbereitet, trotzdem keine Furcht, keine Panik. Was machen die anderen? Keine Wahrnehmung. In kürzester Zeit Ankunft irgendwo, Polizeistation Tiananmen? Wahrscheinlich. Grau in Grau das Gebäude, Aussteigen, alles voller Uniformen, Reingehen, Zusammenhalten.

Fortsetzung folgt……

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