Eine unwürdige Behandlung für friedliche Menschen (Teil 3)

Irgendwann ein Ziviler, der mich auffordert, zu einem „Gespräch“ mitzukommen. Ich bleibe sitzen, sage entschieden „Nein“, er verschwindet. Holt er Verstärkung? Nach einer Weile ein anderer in Zivil: “Ich bin der Dolmetscher Ihres Reisebüros.“ Ich soll mitkommen. Wieder weigere ich mich mit Bestimmtheit. Auch er verschwindet. Dann erscheint zu meiner großen Verblüffung mein deutscher Reiseleiter. Instinktiv stehe ich auf und gehe auf ihn zu…
Wir betreten ein Zweibett-Hotelzimmer. Man stellt mir Fragen. Ich bitte darum, mir die Anwesenden vorzustellen, und das geschieht: außer meinem deutschen Reiseleiter und dem Reiseleitungs-Dolmetscher sind es der örtliche Reiseleiter der anderen deutschen Reisegruppe und ein Mann und eine Frau des Staatssicherheitsdienstes, beide in Uniform. Sie fragt, wann und wo ich eingereist bin, ist erstaunt über meine Einreise via Shanghai, wie ich zu der Gruppe gestoßen sei? Daraufhin erkläre ich ganz deutlich, daß mein Reiseleiter in keiner Weise über unsere Pläne informiert war, daß ich als Privatperson gehandelt habe und er in keiner Weise für meine Handlung verantwortlich sei. Ich erkläre unmißverständlich, daß ich hier bin für die Zehntausende, wenn nicht sogar Millionen Falun Gong-Praktizierenden, die schlimmsten Mißhandlungen ausgesetzt und vom Tode bedroht sind. Die Frau herrscht mich mit schneidender Stimme an, Politik nicht zu erwähnen. Aber da habe ich schon das Wichtigste gesagt. Die Frau herrscht mich zum wiederholten Male mit Drohgebärde scharf an, ich hätte mich gegen die Gesetze vergangen und man wolle mich hier nicht haben. Jedesmal schaue ich ihr mit Nachsicht in die Augen, versuche, den vielleicht verbliebenen Teil eines guten Kerns in ihr zu wecken, ich komme nicht durch, oder ist nichts mehr da? Von nun an schaue ich die Frau nicht mehr an und sage auf jede Frage stereotyp „No answer.“ Das Spiel geht nicht mehr lange. Die verhörende Staatssicherheitsfrau gibt dem Reiseleiter den von ihr auf Chinesisch ausgefüllten Bogen, er will ihn mir vorlesen, ich sage knapp, er braucht das nicht zu tun, ich werde nichts unterschreiben.
Zurück in „unserem“ Raum, alle schlafen, dösen zumindest. Ich suche mir den letzten leeren Sessel, neben mir steckt sich ein Polizist eine Zigarette an. Ich bedeute ihm, daß mich das stört, er geht. Ich versuche zu schlafen.
Der nächste Morgen. Kekse aus dem Gepäck, Trockenobst, ein Schluck Wasser, wir brauchen nicht viel. Es kommt Bewegung in uns. Kurze Unterhaltungen aufrichtige Gedanken. Einige Bewacherinnen versuchen, wie schon früher, immer wieder, uns dabei durch ihre Dafa herabwürdigende Rufe zu stören. Dann setzen sich einige im Kreis, wir machen die 5. Übung, geschlossene Augen, länger als eine halbe Stunde, es tut so gut. Warten.

Irgendwann, gegen 11 Uhr? das Kommando, alles zusammenpacken. Im Bus die hinteren Plätze und die Fensterplätze wieder von Uniformierten besetzt, neben mir eine junge Polizistin. Ich frage sie, ob sie Englisch spricht. Ihre leise Antwort sinngemäß „I will not speak.“ So nehme ich die Gelegenheit wahr und kläre sie auf über die Lügen ihrer eigenen Regierung auf. Sie muß zuhören, schaut aus dem Fenster, angespannte Situation.
Wir nähern uns einem Flughafengebäude, das wir nicht kennen. Meine junge Bewacherin weicht nicht von mir. Ich werde völlig separiert. Eine neue Variante. Nach einer Weile beruhigt sich die Situation. Andere kommen zu mir, wir setzen uns im Kreis auf den Boden, werden immer mehr, niemand hindert uns. Ich kann den deutschen Konsul erreichen (oder hat er mich erreicht?) und schildern, wo wir uns befinden. Er hat vergeblich versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen, uns im Polizeigebäude zu sprechen, es ist gegen internationale Konventionen, daß er nicht zu uns gelassen wird, die Vorschriften sind ausgehebelt. Die Zeit vergeht. Werden wir, acht Deutsche und vier Schweizer, die Maschine nach Frankfurt bekommen? Die Frage berührt mich wenig. Woher nehme ich, die sonst immer alles vorher genau wissen will, planen will, so viel Gelassenheit? Jedenfalls stelle ich dankbar fest, daß es so ist, wie es ist. Immer wieder tauchen die „Zivilen“ auf, wenn es etwas Neues zu regeln gibt. Kurze, oft messerscharfe Rufe, die „Karierte Jacke“, der unangenehmste Typ von allen, ordnet an, überwacht mit eisernem Auge, ist wütend, wenn etwas nicht klappt. Ankunft in einem Flughafentrakt, laufen durch lange Gänge, hoch und runter, sind sie sich nicht einig darüber, wohin? Es wirkt konfus. Wieviele Leute mischen hier mit? Von einigen Praktizierenden immer wieder der Ruf „Falun Dafa hao!“ [deutsch: Falun Dafa ist gut!] Ich kann mich nicht dazu durchringen, es ist nicht meine Sprache, aber als ich im Stockwerk unter uns einige Passagiere sehe, finde ich doch gut es zu sagen.

Nach einiger Lauferei ein Stopp. Die konfiszierten Handys werden zurückgegeben. Meinen „Wegnehmer“ habe ich immer im Auge, Namen werden aufgerufen, Pässe zurückgegeben, einer nach dem anderen geht auf die Gangway, jeder ausgestattet mit einer ordentlichen Boarding Card. Ich bin dran, Pass zurück, Handy zurück, auf die Gangway. Telefon funktioniert nicht, Chip steckt in der Umhüllung. Sie müssen große Angst gehabt haben, etwas falsch zu machen. Ich glaube, alles wird an uns zurückgegeben. Und wo ist unser Transparent? Ein Praktizierender hatte es im Hotelraum unter dem Tisch entdeckt. War es Absicht, sollten wir es wiederbekommen? Er hat es heimlich einem deutschen Praktizierenden in den Rucksack gestopft mit der Anweisung, nicht öffnen! Nun wird es uns also begleiten. Ein wunderbares Gefühl. Wenn man nach nichts strebt……..
Im Stillen aufrichtige Gedanken. Konnten wir, ein kleines Häufchen und doch so stark, eine Wende einläuten? Veränderung muß eintreten!

Bei der Ankunft in Frankfurt wird schon klar: eine Wende ist bereits eingetreten! Mein Sohn signalisiert mir per Handy, wer und was alles uns erwartet. Mich beschleicht ein mulmiges Gefühl. Ich freue mich immer, wenn mein Sohn mich nach einem längeren Auslandsflug erwartet, ansonsten gilt: bitte auf dem Teppich bleiben! Jeder von uns hat seinen ganz speziellen Einsatz gebracht, in der Vorbereitung, in der Durchführung. Manches hat sich ohne Ordnung so gut geordnet, z.B. unsere Kontakte nach draußen: “zufällig“ waren es bei dem einen die Journalisten, beim anderen Botschaft und Konsulat, und beim Dritten die hilfreichen Praktizierenden zu Hause. Mich hat außerdem eine große innere Kraft getragen, Dafa im Herzen. Ich habe nur etwas getan, was getan werden mußte, was Chinesen in ihrem eigenen Land nur noch unter Lebensgefahr tun können und trotzdem noch immer tun. Es fiel mir leicht, die paar Stunden Unsicherheit zählen nicht. Ich habe vielleicht in den Augen anderer, aber nicht in meinen eigenen etwas Besonderes getan. Wir haben gefühlt als ein Ganzes, wir haben gehandelt als ein Ganzes, wir sind durchgekommen als ein Ganzes! Mit bescheidener Freude zeigen wir das „gerettete“ Transparent vom Tiananmen bei der anschließenden Pressekonferenz. Ich habe keine Aussagen vorbereitet, aber alles steht mir in meinem Kopf zur Verfügung. Ich merke, ich sage in Kameras, Mikrofone, Schreibblöcke und fragende Gesichter genau das, was gesagt werden muß, es geht wie von alleine, und wieder bin ich dankbar! Das Ergebnis unserer Aktion wird greifbar.

Vor meiner Abreise hatte ich mir einen Stempel mit chinesischen Schriftzeichen machen lassen: „Wir Weißen wissen alle, dass Falun Dafa wirklich gut ist“. Diesen Satz wird mancher Chinese an besonderem Ort finden, und vielleicht sogar den Stempel, den ich zuletzt unter einem Stein bei unserem Hotel verstecken mußte.

„Wir Weißen wissen alle, dass Falun Dafa wirklich gut ist“

Eine Bitte habe ich an alle: stellt uns nicht auf ein Podest, stülpt uns kein Heldentum über, wie ich es schon mehrmals bemerkt habe. Ich hatte eine Vision, ich bin der Vision gefolgt. Sie hat sich erfüllt in unserer Aktion auf dem Tiananmen, dem Platz des Himmlischen Friedens, der diesen Namen in naher Zukunft wieder zu Recht tragen muß.

Ende

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