FAZ (Deutschland): China vor Olympia – Du sollst nicht schlagen

Von Petra Kolonko, Peking

11. September 2007

Was passiert, wenn es während der Olympischen Spiele in Peking zu Demonstrationen kommt? Was werden die chinesischen Sicherheitskräfte tun, wenn Aktivisten aus dem Ausland vor laufenden Kameras Spruchbänder entfalten oder sich zu Demonstrationen und anderen Protestaktionen zusammenfinden? Wie wird die Reaktion sein, wenn Freiheit für Tibet gefordert oder die Verfolgung der Falun-Gong-Organisation in China angeprangert wird?

In normalen Zeiten werden in der Volksrepublik China öffentliche Äußerungen politischer Kritik schnell mit polizeilicher Gewalt beendet. Einen ersten Vorgeschmack darauf, wie die chinesischen Sicherheitsbehörden mit ausländischen Aktivisten umgehen werden, hat es schon vor kurzem gegeben, als Tibet-Demonstranten nach einer Protestaktion auf der Großen Mauer festgenommen und nach drei Tagen des Landes verwiesen wurden.

„Demonstrations-Ecke“

Doch für die Zeit der Olympischen Spiele hat Peking mehr Freiheit versprochen. Man weiß in Peking, dass etwas zu erwarten ist. Es wird auch eine „Demonstrations-Ecke“ auf dem Olympiagelände geben. Doch wie sich die Polizei verhalten soll, wenn die Aktivisten sich lieber anderswo bemerkbar machen wollen, bleibt geheim. Immerhin wurde jetzt schon einmal den Bürgern mitgeteilt, wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie während und vor den Olympischen Spiele Protestaktionen sehen.

„Es ist fast unvermeidlich, dass verschiedene Personen mit verschiedenen Wertvorstellungen die Chance nutzen werden und ihre eigene Meinung demonstrieren werden. Manche Meinungen sind in China nicht willkommen“, heißt es in einem Beitrag der Nachrichtenagentur Xinhua zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele. „Widerstehen Sie solchen Aktionen entschlossen, aber bleiben Sie gelassen. Melden Sie den Zwischenfall sofort an die Polizei oder andere offizielle Stellen.“

Es wird ausdrücklich davor gewarnt, sich auf eine Streiterei einzulassen. „Sich auf eine Schlägerei einzulassen wäre die schlimmste Option.“ Die Warnung kommt nicht von ungefähr. Im vergangenen Jahr kam es etwa zu einem Eklat, als bei einem Schwimm-Wettbewerb für Kinder in Thailand Medaillengewinner aus Taiwan eine taiwanische Flagge zur Siegerehrung tragen wollten. Sportfunktionäre aus der Volksrepublik nahmen ihnen die Flaggen weg.

„Gefärbte Brille“ westlicher Journalisten

Es war nicht ganz klar, ob die chinesischen Behörden auch solch ruppiges Vorgehen von Sportfunktionären im Sinn hatten, als sie schrieben: „Jeder Akt der Gewalt wird nur auf uns zurückschlagen, uns in ein ungünstiges Licht setzen und die Aktivisten als Opfer erscheinen lassen.“ Dies sei genau das, was diese Leute erreichen wollten.

Die Bürger sind auch schon angewiesen worden, den erwarteten 20.000 ausländischen Journalisten Gutes über China zu berichten. So warnte der chinesische Tischtennis-Star Deng Yaping im chinesischen Fernsehen vor Nestbeschmutzung. Wenn ausländische Reporter mit einfachen Leuten redeten, die „kein politisches Bewusstsein“ hätten, könnten Dinge leicht übertrieben werden. Man wisse doch, dass die westlichen Journalisten China durch eine „gefärbte Brille“ betrachteten. Deshalb müsse man allen Bürgern Chinas klarmachen, dass jeder Chinese in dieser Zeit ein Bote der Olympischen Spiele und Repräsentant Chinas sei.

„Keine Olympischen Spiele, sondern Menschenrechte“

Wer sich an solche Empfehlungen nicht hält, muss, so zeigte sich jetzt wieder, mit harten Maßnahmen rechnen. Ein Bürgerrechtler aus der Provinz Heilongjiang, der sich für enteignete Bauern eingesetzt hat und einen Aufruf mit dem Titel „Wir wollen keine Olympischen Spiele, sondern Menschenrechte“ im Internet veröffentlicht hatte, wurde im August der „Subversion“ angeklagt.

Und obwohl ausländischen Journalisten freie Berichterstattung versprochen wurde, kommt es weiter vor, dass Reporter bei ihrer Arbeit von Sicherheitskräften behindert wurden. So wurden mehrere Ausländer daran gehindert, die Frau des inhaftierten blinden Bürgerrechtlers Chen Guangsheng zu sprechen. Auch bei der Gerichtsverhandlung über den Fall des Umweltaktivisten Wu Lihong waren Ausländer nicht willkommen und wurden vor dem Gerichtssaal von zivilen Sicherheitskräften bedrängt.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung

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