Die Presse (A): Chinas Genossen sollen Jiang Zemins Theorie und Abgang absegnen

Beim 16. Parteitag der KP Chinas der seit heute, Freitag, in Peking läuft, werden personelle Weichenstellungen vorgenommen

PEKING. Unter starken Sicherheitsvorkehrungen ist in Peking der 16. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas eröffnet worden. Die mehr als 2000 Delegierten werden den Rechenschaftsbericht von Generalsekretär Jiang Zemin absegnen sowie Änderungen des Statuts beschließen. Dabei wird erwartet, daß Jiangs Theorie von den „drei Vertretungen“ aufgenommen wird, die die Partei künftig nicht nur für Arbeiter und Bauern, sondern auch für die wachsende Zahl von Privatunternehmern öffnen soll.

Der Kongreß, der am 14. November endet, wird in seiner Schlußphase auch wichtige personelle Veränderungen in der Führung bestätigen, die unter strenger Geheimhaltung bereits von der letzten ZK-Sitzung angenommen wurden. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei die Umbesetzungen in den eigentlichen Machtorganen, dem etwa 20köpfige Politbüro und seinem siebenköpfigen Ständigen Ausschuß. Über diese wird die erste Plenarsitzung des neuen ZK nach dem Abschluß des Parteitages befinden.

Kleiner Kreis entscheidet

Die Personalentscheidungen im Machtzentrum werden nach wie vor streng geheim von einem kleinen Kreis von Spitzenfunktionären vorgegeben und entziehen sich jeglicher demokratischen Kontrolle. Offiziell ist bisher nicht bekannt, wer aufrückt. Mit Sicherheit aber wird der derzeitige Generalsekretär Jiang Zemin (76) nach einer Amtszeit von 13 Jahren zurücktreten und bei der Neuwahl des Nationalen Volkskongresses (NVK) im März kommenden Jahres auch das Amt des Staatspräsidenten niederlegen.
Nachfolger in beiden Ämtern wird Hu Jintao (59), gegenwärtig Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros und stellvertretender Staatspräsident. In Peking wird davon ausgegangen, daß Jiang weiterhin an der Spitze der einflußreichen Zentralen Militärkommission der Partei bleibt und damit auch künftig wichtige Entscheidungen in der Führung beeinflußt.

Zahlreiche Veränderungen wird es im Politbüro geben. Sein Ständiger Ausschuß, der innere Führungskern, wird fast völlig neu besetzt. Dabei soll die so genannte vierte Führungsgeneration installiert werden, also eine Funktionärselite, deren Mitglieder zwischen 55 und 65 Jahre alt sind.

Öffnung der Partei

Bis auf die Öffnung der Partei für Privatunternehmer werden keine grundlegenden politischen Wandlungen erwartet. Die wirtschaftliche Liberalisierung soll auch in Zukunft weiter vorangetrieben werden. Die Öffnung der Partei könnte längerfristig zur Abkehr vom marxistischen Dogma und zur Aufgabe ideologischer Grundpositionen – wie etwa der Diktatur des Proletariats – führen. Allerdings ist mit dem hinhaltenden Widerstand des orthodox-kommunistischen Lagers zu rechnen, sodaß die neue Führung vorerst den Konsens suchen muß.

In Peking sind während des Parteitages außerordentliche Sicherheitsvorkehrungen in Kraft getreten. Die Führung will damit möglichen Terroranschlägen vorbeugen. Arbeiterproteste gegen Entlassungen und Lohnrückstände sowie Aktionen von Dissidenten, die eine Neubewertung des Massakers vom Frühjahr 1989 und die Freilassung der politischen Gefangenen fordern, sollen ebenso ausgeschlossen werden wie Aktionen der Falun-Gong-Meditationsgruppe.

In einem offenen Brief hat Lin Mu, der frühere Sekretär des 1987 gefeuerten Parteichefs Hu Yaobang, die Delegierten aufgefordert, die militärisch niedergeschlagene Demokratiebewegung von 1989 neu zu bewerten und den damals gestürzten KP-Chef Zhao Ziyang zu rehabilitieren.
Im Zuge einer Kampagne gegen die Kriminalität hat sich vor dem Parteitag, wie stets zu derartigen Anlässen, die Zahl der Hinrichtungen erhöht. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international meldete, daß in der vergangenen Woche allein an zwei Tagen 46 Personen exekutiert wurden.

Die Presse 08.11.02

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