Obersee Nachrichten (schweizer Zeitung): Das fehlte noch: China spielte am Seenachtfest Rapperswil Weltpolitik

Erst war es nur eine Anekdote, doch das Lachen ist den Beteiligten im Halse stecken geblieben: Das Konsulat der Volksrepublik China wollte dem Tibeterverein und dem Seenachtfest-OK verbieten, Tibet-Fahnen zu hissen. Doch das lässt sich die Schweizer Bevölkerung nicht gefallen. Was hat Weltpolitik an unserem Fest zu suchen? Was hat uns China in der Schweiz vorzuschreiben?

Vergangener Freitag, das Seenachtfest kommt ins Rollen. Die 27 Vereinsbeizli richten sich ein. Jedes hat ein Land als kulinarisches Vorbild genommen. Der Männerchor Russland, die Guggenmusik Hawaii, die SVP die Benelux-Länder, der Veloclub China, und der Tibeter-Verein natürlich Tibet, usw. Das Fest konnte beginnen.

Doch dann erhält OK-Präsident Reto Klotz (51) einen Anruf vom Konsulat der Volksrepublik China in Zürich: «Mit aggressiver Stimme verlangte eine Frau, dass die Fahnen am Tibet-Stand entfernt werden.» Nun werde das Seenachtfest noch Teil der Weltpolitik, schmunzelte Klotz und schaute bei den Tibetern vorbei. «Kein Problem, dem Frieden zuliebe», hiess es dort gleich. Klar ist allerdings, dass die Fähnlein einen Tag später wieder hingen. Doch die Chinesen blieben hartnäckig. Am Sonntag tauchte eine Delegation unter der Leitung von Herr und Frau Konsul persönlich auf. Das «Einziehen» der Fahne wurde sogar auf Video dokumentiert – wohl zu Propaganda-Zwecken. Und noch mehr: Bei Reto Klotz beschwerten sie sich, dass auch bei einem privaten Marktstand eine Tibet-Fahne hing.

Empörung bei den Schweizern
Jetzt hörte der Spass für Reto Klotz definitiv auf. «Ich habe keine Zeit für solche Kindergartenspiele», wurde er deutlich. Doch das Ganze entwickelte bereits eine Eigendynamik. Wo nämlich die friedliebenden Tibeter noch einlenkten, brausten die Schweizer auf. Aus Wut entfernte der benachbarte Veloclub «Stadtrose» an seinem Stand die China-Fahnen, gar schriftlich wurde die Solidarität ausgesprochen. «Auch vom OK hätten wir mehr Courage erwartet», meinte eine am China-Stand Arbeitende. «Zugegeben, heute würde ich noch schroffer reagieren», blickt Reto Klotz zurück. Er betont aber, dass er die Tibeter zu nichts gezwungen habe. Diese hätten die Fahnen freiwillig abgenommen.

Zurück bleibt dennoch Wut. «Wer hat das Recht, uns in der Schweiz vorzuschreiben, welche Fahne wir hissen dürfen?», ärgert sich eine Augenzeugin. Kommt dazu, dass die allermeisten dieser Tibeter längst Schweizer Bürger sind. Dass sie dabei ihre ursprüngliche Kultur nicht ganz aufgeben, stört niemanden. Im Gegenteil: Der Tibetererein Rapperswil-Jona ist beliebter und ständiger Gast an den Festen. Stets sitzen ganze Familien zusammen, sie bereiten ihre typischen Speisen vor und bieten sie den Passanten an. Der Erlös kommt bedürftigen Landsleuten in aller Welt zugute. Und immer schon war die Tibet-Fahne mit dabei. «Unsere Fahne stammt aus dem 9. Jahrhundert», erklärt Sherab Karutshang (49) aus Jona als Sprecher des Vereins. Das Emblem Chinas hingegen sei gerade mal 50 Jahre alt. Allerdings sei ihr Verein nicht politisch tätig. Karutshang ist es wichtig festzuhalten, dass sie sich sehr wohl in der Schweiz fühlten. Nie hätten sie Ärger mit Behörden oder Bevölkerung gehabt. Allein in Rapperswil-Jona würden 43 Haushalte mit etwa 200 Menschen tibetischen Ursprungs leben. «99 Prozent davon sind eingebürgert und fühlen sich als Schweizer», fügt Karutshang an.

Bitte keine Weltpolitik am Volksfest
Und genau als Schweizer Bürger mit allen Rechten und Pflichten sind auch sie – aller Friedfertigkeit zum Trotz – empört. Damit finden sie bei den «Ur-Schweizern» volle Unterstützung. Das Konsulat mag seine Gründe und seine Befehle für das unverfrorene Vorgehen haben. So soll die Tibet-Fahne für die Exilregierung des Dalai Lama stehen. Doch das gehört einfach nicht an ein Volksfest wie das Seenachtfest.

Die Volksrepublik China hat sich damit sogar einen Bärendienst erwiesen. Sherab Karutshang schmunzelt: «Ohne diese Intervention wären sie nie aufgefallen. Wir danken dem Konsulat für diese Popularität.» Dann allerdings wird der Familienvater, der 1980 als Familiennachzug in die Schweiz kam, wieder ernst: «Wenn China bereits in der Schweiz solchen Druck aufsetzt, können Sie sich dann vorstellen, wie gross dieser erst in Tibet ist?»

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