Die einfache Wahrheit über schöne Architektur

Ein New Yorker Architekt teilt zeitlose Lektionen über Architektur der Welt

James Howard Smith wuchs inmitten der Natur und den prächtigen Landschaften Australiens auf. Sein Vater war Pilot und als Junge reiste Smith ausgiebig nach Asien und Europa. Dort inspirierten ihn klassische Gebäude dazu, Architekt und Architekturfotograf zu werden.

Der Architekt James Howard Smith spricht über die Bedeutung einer schönen Architektur. Foto mit freundlicher Genehmigung von James Howard Smith.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal zur klassischen Architektur hingezogen gefühlt?

Ich erinnere mich daran, als ich als Junge durch Athen in Griechenland spazierte und mir die schönen Skulpturen und architektonischen Verzierungen auffielen. Ich war erstaunt, dass auf den öffentlichen Plätzen die antiken Ruinen 10 bis 20 Fuß (ca. 6 m) unter dem Straßenniveau lagen.

Einen bleibenden Eindruck hinterließ die Athener Architektur, die in das Stadtbild eingebettet war. Diese wunderschöne Kunstform und die antike Weisheit darin fielen mir sofort ins Auge. Der Parthenon war ein besonders beeindruckendes Beispiel dieser Architektur. Es war atemberaubend und eindrucksvoll, auf der Akropolis zu sitzen und auf die Stadt zu blicken.

„Schönheit ist das Element, das dem Design eine Verbindung zum menschlichen Geist verleiht. Sie verbindet die Menschen mit der Wahrheit, und die Menschen können sie erkennen, wenn sie sie sehen.“ –  James Howard Smith

Welche Rolle spielt die Schönheit in der Architektur?

Schönheit bereitet den Menschen Freude. Nachdem ich viele Jahre darüber nachgedacht habe, was Schönheit für mich bedeutet, denke ich, dass diese Zeilen von John Keats in seinem Gedicht „Ode on a Grecian Urn“ („Ode an eine griechische Vase“) es perfekt zusammenfassen:

„‚Schönheit ist wahr, und Wahrheit schön,‘ – nur das
Weißt du auf Erden und größern Wissens bedarfst du nicht.“ – John Keats (1795–1821)

In gewisser Weise ist das Konzept sehr einfach – Schönheit ist ein Ausdruck von Wahrheit. Die Wahrheit in ihrer rohen Form ist schön. Es funktioniert in beide Richtungen: Schönheit und Wahrheit koexistieren. Sie bringen die Menschen zu einer reinen und einfachen Sichtweise zurück, und erinnern uns daran, dass das Leben in seiner wesentlichen Form einfach und dennoch schön sein kann.

Die schlichte Schönheit des neoklassizistischen französischen Pavillons von Ange-Jacques Gabriel in den Gärten von Versailles. ©Foto von J.H.Smith/Cartiophotos

Wie lässt sich diese Philosophie auf das Design übertragen?

Bei der Gestaltung eines Gebäudes oder eines Raums muss man eine Vielzahl von Aspekten berücksichtigen. Die praktische Nutzung muss intuitiv und benutzerfreundlich sein, während die Konstruktion widerstandsfähig und stabil sein sollte, damit sie über lange Zeit Bestand hat.

Schönheit ist das Element, welches das Design mit dem menschlichen Geist verbindet. Sie verbindet die Menschen mit der Wahrheit und die Menschen können es erkennen, wenn sie sie sehen.

Hat sich Ihre Auffassung von Design im Laufe der Jahre verändert?

Wenn man im Designbereich anfängt, will man gleich alle Tricks aus dem Ärmel schütteln und etwas Erstaunliches erschaffen. Aber wenn man reifer wird, erkennt man, dass der Feinsinn wichtig ist, um einen ruhigen, erbaulichen Raum zu schaffen.

Durch das Studieren von Architektur werden meine Wertschätzung und mein Verständnis für Schönheit ständig erweitert. Es ist vergleichbar damit, wenn man anfängt, die verschiedenen Instrumente eines Orchesters kennenzulernen und zu erleben. Beim Hören eines klassischen Musikstücks erkennt man die verschiedenen Elemente, die die Musik ausmachen, und weiß ihre Komplexität besser zu schätzen.

Das spirituell inspirierende Innere der Kathedrale von Florenz. Foto: Wikipedia/Paolo Villa, CC BY-SA 4.0

Florenz war die Geburtsstadt des Goldenen Zeitalters des Westens. Wie fühlten Sie sich, als Sie die Architektur dort sahen?

Als ich den Eingang des Doms von Florenz betrat, kam ich in diese riesige Leere im Hauptschiff, die mich sehr beeindruckte. Als ich weiter das Kirchenschiff hinunterging, kam ich in die majestätische Gegenwart der Kuppel.

Die Gemälde im Inneren beeindruckten mich mit ihren unglaublichen Darstellungen der Schichten der Existenz, die von der Hölle zum Himmel aufstiegen. Ich fühlte mich in diesem Raum mit dem Universum verbunden. Es war so bewegend.

Versuchen Sie, die Konzepte architektonischer Meisterleistungen wie des Doms in Ihre eigenen Entwürfe zu übertragen?

Noch habe ich nicht an einem Gebäude dieser Größenordnung gearbeitet. Aber die Technik, die mich fasziniert und die ich sowohl in der klassischen italienischen als auch in der chinesischen Architektur gesehen habe, ist die Fähigkeit, über einen Innenhof natürliches Licht in den Raum zu bringen.

In den alten Tempeln, die ich in Taiwan besucht habe, geben die Innenhöfe dem Gebäude einen Mittelpunkt. Das Gebäude empfängt den Besucher und erzeugt einen Schatten unter dem Dach, der wie eine Schwelle wirkt. Das Licht, das vom offenen Innenhof einfällt, zieht den Besucher an, und wenn er erst einmal da ist, lenkt es seine Aufmerksamkeit nach oben.

In der traditionellen chinesischen Architektur wird die Öffnung des Innenhofs als „Tian Jing“ oder „Himmlisches Fenster“ bezeichnet. Es ist, als ob der Innenhof eines Tempels mit dem Himmel verbindet. Wenn man viele chinesische und italienische Häuser betritt, strahlt aus dem Innenhof ein helles Licht. Das Licht ist einladend, zieht einen hinein und verbindet einen mit dem Kosmos.

Das „Tian Jing“, das „Himmlische Fenster“, ermöglicht den Bewohnern des Hauses eine direkte Verbindung mit dem Himmel. Auf dem Foto ist es in einer Residenz von Fengcheng zu sehen. Foto: Wikipedia/Symane, CC BY-SA 4.0

Haben Sie dieses traditionelle Merkmal – den Innenhof – in Ihren eigenen Entwürfen verwendet?

Der Innenhof war eines der wichtigsten Konzepte bei der Gestaltung meines „Fo-Tang-Hauses“. Dieses architektonische Element wurde während der Tang-Dynastie, – Chinas goldenem Zeitalter der Kunst und Kultur -, in großem Umfang verwendet.

Durch die großen Fenster und die gläserne Eingangstür des Hauses wird der Raum des Atriums von natürlichem Licht erfüllt, als wäre es ein Innenhof. Das Atrium fungiert auch als Übergang zwischen den verschiedenen Teilen des Hauses, ähnlich wie ein Innenhof.

Ein alltäglicher Blick aus den Straßen von Siena, Italien. Die Innenhöfe der Häuser und öffentlichen Plätze laden zum Entdecken ein. ©Foto von J.H.Smith/Cartiophotos

Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Entwurf gekommen?

Ich habe dieses Haus mit dem Gedanken an einen imaginären Kunden entworfen, der sich zu östlichen spirituellen Traditionen hingezogen fühlt.

Der Name „Fo Tang“ kommt von „Fo“, was auf Chinesisch Buddha bedeutet, und „Tang“, was Raum bedeutet. Mit anderen Worten: Es ist ein Buddha-Raum, und da Buddha „Erleuchteter“ bedeutet, ist es ein erleuchteter Raum.

Wenn Sie das Haus betreten, können Sie entweder zu den weltlichen Wohn- und Schlafräumen auf der linken Seite gehen oder das Atrium durchqueren und ein paar Stufen hinauf in den heiligen Raum, den Fo Tang, gehen. Das ist ein Raum für Menschen, die täglich meditieren und Lehren studieren, um sich spirituell zu verfeinern.

Der „Fo Tang“, der Raum der Erleuchtung, lädt die Bewohner mit seinen leuchtenden Shoji-Schirmen zu einem spirituellen Leben ein. © Fotos von J.H.Smith/Cartiophotos

Wenn sie morgens aufwachen, duschen und den Flur hinunterschauen, sehen sie auf der anderen Seite des Atriums den Fo-Tang-Raum mit dem leuchtenden Reispapier des Shoji-Schirms, der sie anlockt. Sie werden von diesem Raum angezogen, um zu meditieren, da der Raum durch die vielen Fenster und die großen Glastüren des Balkons, der sich zur Natur hin öffnet, mit natürlichem Licht gefüllt ist.

Am Eingang des Hauses befinden sich zwei große Holzpfosten mit Konsolen an der Spitze, die für die starke, aufrechte, hölzerne Tang-Architektur stehen. Auch der Dachüberstand ist größer als bei einem typischen amerikanischen Haus und erinnert an die Tang-Dynastie.

So kam es, dass sich eine junge Familie, die ein spirituelles Leben führt, von der Gestaltung meines Fo-Tang-Hauses angezogen fühlte. Sie fanden, dass es zu ihrem Lebensstil passte. In gewisser Weise habe ich es für sie entworfen, auch wenn ich das damals noch nicht wusste.

Das Fo-Tang-Haus empfängt die Gäste mit seinen horizontal überhängenden Traufen und kühnen Tang-Säulen. © Fotos von J.H.Smith/Cartiophotos

Das spirituelle Leben scheint Ihnen wichtig zu sein.

Als junger Mann erforschte ich verschiedene spirituelle Lehren. Eines Tages machte mich ein guter Freund mit Falun Dafa bekannt, einer alten chinesischen Meditationsmethode. Das hat mein Leben verändert.

Damals hatte ich mir den Rücken gebrochen, aber ich konnte die sanften Übungen von Falun Dafa trotzdem machen. Wie durch ein Wunder heilte sich mein Rücken innerhalb eines Monats von selbst. Meine Haltung richtete sich auf und auch mein Schlaf verbesserte sich.

Nicht nur mein Körper wurde gesund, sondern Falun Dafa klärte auch meinen Geist. Allmählich verschwanden die Hintergrundgeräusche der geschäftigen Gedanken. Es ist so ähnlich wie beim Leben in der Stadt. Man gewöhnt sich an die hupenden Autos und die Geräusche der Stadt. Aber sobald man aufs Land hinausfährt, ist es auf einmal so friedlich.

Die geistige Verbesserung, die ich erlebte, klärte und öffnete meinen Geist. Als der Dunst verschwand, war ich empfänglicher für die Schönheit um mich herum.

Dieser friedliche Geisteszustand hat mich geleitet und mir ermöglicht, die Schönheit und Kraft der klassischen Architektur tiefer zu erfahren.

Quelle: Magnifissance Magazin

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