Die Presse (A): China: Ein Hauch von Volksmacht weht durch Hongkong

Durch ein umstrittenes Sicherheitsgesetz kommt der Regierungschef der chinesischen Sonderverwaltungsregion unter Druck.

Von unserer Korrespondentin JUTTA LIETSCH

Peking. Nach den Demonstrationen in der Vorwoche, bei denen etwa 500.000 Menschen aus Protest gegen die Regierung auf die Straße gingen, haben die Behörden in Hongkong am Montag ihren Versuch aufgeschoben, ein umstrittenes Sicherheitsgesetz durchzusetzen. Die letzte Lesung war für Mittwoch vorgesehen. Regierungschef Tung Chee-Hwa stellte sie auf unbestimmte Zeit zurück. Er wolle das Gesetz aber später verabschieden lassen, kündigte er an.

Dies sei ein „Sieg des Volkes, das auf die Straße gegangen ist und seine Forderungen auf mutige und friedliche Art und Weise ausgedrückt hat“, erklärte der Chef der oppositionellen Demokratischen Partei, Yeung Yum. Offenkundig hatte der Massenprotest selbst regierungsnahe Politiker in Hongkong beeindruckt. So trat der Chef der Liberalen Partei, James Tien, zurück. Er ist einer der wichtigsten Verbündeten der vorwiegend aus konservativen Unternehmern und Peking-freundlichen Politikern bestehenden Führungszirkels der „Sonderverwaltungsregion“. Zuvor hatte der Textilunternehmer verlangt, das Gesetz erneut zu beraten.

Damit war für Regierungschef Tung die erforderliche Mehrheit im 60-köpfigen Legislativrat nicht mehr gesichert. Denn nicht nur die 24 direkt gewählten Mitglieder dieses Gremiums, sondern auch einige Vertreter der nach einem komplizierten System aus „Berufsgruppen“ und regionalen Wahlkreisen zusammengesetzten Rats hatten sich zuvor dafür ausgesprochen, mehr Zeit für eine Debatte über das Gesetz zu erlauben.

Die Kritiker des Gesetzes gegen „Landesverrat, Abspaltung, Aufwiegelung und Umsturz“ hatten Tung vorgeworfen, die politischen und religiösen Freiheiten Hongkongs zu untergraben. Sie waren der ehemaligen britischen Kolonie vor ihrer Rückkehr unter chinesische Herrschaft am 1. Juli 1997 garantiert worden. Er sei, so der Vorwurf, bloßer Erfüllungsgehilfe des Pekinger Regimes und gefährde die Rolle Hongkongs als freier Wirtschaftsmetropole.

Bis zum Wochenende hatte die Hongkonger Regierung noch hektisch versucht, das Gesetz zu retten, indem sie einige der am schärfsten kritisierten Paragrafen aus dem Entwurf nahm. Dazu gehörte unter anderem der Plan, alle Organisationen zu verbieten, die auf dem chinesischen Festland nicht erlaubt sind. Das betraf zum Beispiel die Falun-Gong-Meditationsbewegung und die vatikantreuen Katholiken, aber auch unabhängige Gewerkschafter und Menschenrechtsgruppen.

Offen ist nun, ob der von der kommunistischen Führung in Peking eingesetzte Verwaltungschef Tung auch an einen Rücktritt denkt.

08.07.2003

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