Bericht aus The Guardian: Die Dramatik des chinesischen Journalismus

Jonathan Watts, Reporter der englischen Zeitung ’The Guardian’, veröffentlichte am 14. Mai einen Artikel über chinesischen Journalismus. Um zu zeigen, wie chinesische Zeitungen kontinuierlich mit starren, sterilen Inhalten gefüllt werden, wurden die täglichen Ausgaben aus einer Woche verglichen. In seinem Artikel beschreibt Watts, dass den chinesischen Journalisten bei ihrer Arbeit die Hände gebunden seien. Er meint, dass es für die Medien schwieriger geworden sei, anschaulich und originell berichten.

Jonathan Watts vertritt die Auffassung, dass die mit starren, sterilen Inhalten gefüllten staatlichen Zeitungen (z.B. alle großen Publikationen in China) zwar gehaltvoll erscheinen, die Leser jedoch allzu oft mit einem Gefühl der Leere und dem Hunger auf etwas Frischeres, Würzigeres und Nahrhafteres hinterlassen

Er nahm die größte Schlagzeile auf dem Festland China der letzten Woche, um mehrere Zeitungen zu vergleichen: Den Besuch des Premierministers Wen Jiabao in Europa. In fast jeder Zeitung wurde nahezu identisch darüber berichtet. Es gab unbedeutende Differenzen bei der Platzierung und der Berichtsgröße – der ‚Peking Youth Daily’ brachte die Reise Wen Jiabaos groß auf der ersten Seite, wohingegen der ‚Guangzhou Daily’ den Artikel dezent im Innenteil unterbrachte, jedoch mit dem gleichen Inhalt. Es wurde zumeist trockene, vorhersehbare Kost über Handelsabkommen und Geschäftsübereinkommen geboten, mit einer einzigen Überraschung, nämlich der losgelösten Bemerkung Wen Jiabaos, dass China ein neues Gesetz erwäge, das die Wiedervereinigung mit Taiwan zum Inhalt hätte.

Der Grund für das Fehlen an Originalität wurde darin gesehen, dass die Xinhua Nachrichtenagentur als einzige Quelle verwandt wurde. Ein Netzwerk von Auslandskorrespondenten können sich nur wenige Zeitungen leisten; doch das Problem in China besteht eher in der Zensur, als in den mangelnden Ressourcen: Viele haben zwar Zugang zu internationalen Nachrichtenquellen, wie Reuters oder die Associated Press, doch werden diese Quellen nur für bestimmte Berichte zugelassen.

Somit nutzten der ‚Peking Youth Daily’ und der ‚China Daily’ in dieser Woche ausländische Nachrichtendienste für Titelseitenberichte über den Skandal in irakischen Gefängnissen. Es würde jedoch keine dieser Zeitungen auch nur davon träumen, diese Agenturen für Berichte über die Blockade demokratischer Reformen in Hongkong oder über die von tibetischen Aktivisten aufgebrachten Fragen während des Besuchs Wen Jiabaos in London heranzuziehen.

Die Hauptnachrichtenthemen der Woche waren ein Babymilchskandal, der zu mindestens einem Dutzend Todesfällen durch Fehlernährung führte. Die falschen Milchprodukte beinhalteten weniger als 1/10 der erforderlichen Vitamine, Mineralien und Proteine. Verschiedene Zeitungen einschließlich der Pekinger Times, berichteten über die Inhaftnahme von 24 Verantwortlichen, die diese gefährlichen unzulänglichen Produkte geliefert hatten. Um die Nachricht zu übermitteln, dass die Behörden eher zur Lösung als zur Verursachung des Problems beigetragen hätten, konzentrierte sich die Berichterstattung nicht auf die Firmen und Beamten, die in den Skandal involviert waren, sondern auf eine öffentliche Kundgebung der betreffenden Bürgermeister, Gesetzeshüter und den Vertretern von wirtschaftlichen Unternehmen. Nahezu jede Zeitung brachte Listen genehmigter Babymilchprodukte und informierte über den aktuellsten Stand der Untersuchungen.

Neben diesem wichtigen Beitrag bestanden die schmackhaftesten Bissen, die der nachrichtenhungrigen Nation vorgesetzt wurden, aus politisch korrekten Wirtschaftsberichten, Berichten über die Olympiade und über die Behauptung der Regierung, in der Menschenrechtsfrage Fortschritte gemacht zu haben.

Besorgnisse, dass die chinesische Wirtschaft zu schnell wachse, entstanden Mitte des letzten Jahres. Der ‚Guangzhou Daily’ berichtete über Bestrebungen von örtlichen Regierungen, die Investitionen zu zügeln und den Markt für Beton, Immobilien und Grundbesitz und Einkaufszentren abzukühlen. Nachrichtenblätter informierten landesweit über die offiziellen Hoffnungen, dass die fallenden Stahlpreise und steigenden Ölpreise wie eine Bremse auf die Expansion in den überhitzten Sektoren der Wirtschaft wirken würden.

Dies scheint nicht die Autoindustrie einzuschließen, die weiterhin schneller wächst, als neue Straßen gebaut werden können. Mit der Sorge, dass der entsetzliche Verkehr die Olympischen Spiele 2008 verderben könnte, rühmte die ‚Peking Youth Daily’ die Regierung dafür, „Olympische Straßenzüge“ anzulegen, die für Fahrzeuge, die mit dem Ereignis zu tun haben, zugänglich wären.

Dennoch ist das Meiste dieser inländischen Nachrichten milde Kost und viele chinesische Journalisten bekennen unter vorgehaltener Hand, dass sie gerne über interessantere Ereignisse berichten würden. Es gibt den kommerziellen Anreiz, das so zu tun, da der Medienmarkt wettbewerbsbetonter wird. Sogar der ‚People´s Daily’, das Sprachrohr der kommunistischen Partei, erkennt, dass es eine Grenze für die Propaganda gibt, die seine Leser verkraften kann. In dieser Woche verkündete er, dass die unansehnliche regionale Werbeseite nicht mehr fortgeführt werden würde, die von den örtlichen Behörden verwendet wurde, um ihr Image aufzupolieren und die Tugendhaftigkeit ihrer Bezirke hoch zu loben.

Trotz all diesem scheint es für die Medien schwieriger geworden zu sein, frisch und originell zu berichten. Dieses Jahr begann mit dem Bericht über der Festnahme von drei Journalisten in der ‚Southern Metropolitan Daily’, die die behördliche Verschleierung von Sars und polizeiliche Gewalttätigkeiten aufdeckte. Zwei davon wurden später in Haft gesetzt. Die Behörden machten deutlich, dass sie keine Berichterstatter dulden, die gelegentliche Schärfe in die Xinhua Pampe einfließen lassen wollen.

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