Glück im Unglück – Warum gerade ich?

1127 eroberten und plünderten die Jurchen (Mandschu) die damalige Hauptstadt Kaifeng der Song-Dynastie (960–1126). Es bedeutete das Ende der Herrschaft Huizongs (1100 – 1126), der als Kriegsgefangener verschleppt und nach einigen Jahren in Gefangenschaft den Tod fand. Anders erging es einem Studenten, der in die Hauptstadt gereist war, um sich ausbilden zu lassen.

Die Stadt Kaifeng während des Qingming-Festes (Bildanimation) Version der Qing-Hofkünstler um 1736.

In der Geschichte handelt es sich um einen Studenten, der einen weiten Weg auf sich genommen hatte, um in der Hauptstadt Bianliang ein Studium zu beginnen. Er hielt sich schon einige Wochen dort auf und begann sich einzuleben.

Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, regelmäßig in einem der Teehäuser, in dem er sich sehr wohlfühlte, zu entspannen. Beinahe jedes Mal, wenn der Student in dem Teehaus war, kam ein daoistischer Mönch herein und bettelte um Almosen. Auch wenn er nur wenig bekam, war der Mann sehr fröhlich. Wenn er mehr bekam, strahlte er wie ein Honigkuchenpferd vor Glück.

Der junge Student freute sich jeweils den Daoisten zu sehen und gab ihm eine Spende, wann immer er konnte. Eines Tages sprach ihn der Mönch an und fragte ihn, ob er anstatt einer Spende ihm einen Tee bestellen würde. „Das mach’ ich doch gerne“, erwiderte der junge Mann.

Der Mönch setzte sich zu ihm hin, nahm ein paar Schlucke aus der Teetasse und sagte dann eindringlich: „Ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen. Du solltest diesen Ort rasch verlassen und woanders dein Studium weiterführen. Diese Stadt wird bald ein schreckliches Schicksal ereilen und ich mache mir Sorgen darüber, dass dir dabei etwas zustoßen könnte.“

Die Nachricht hatte den jungen Mann in eine derartige Aufregung versetzt, dass er rasch nach Hause lief und seine Sachen zu packen anfing. Die anderen Studenten fragten, was mit ihm los sei und lachten über das, was ihm der Mönch geweissagt hatte. Nun war er plötzlich selbst nicht mehr sicher, ob er sich nicht lächerlich machen würde, wenn er ginge. Es gab weit und breit keine Anzeichen für ein schreckliches Ereignis. Er blieb also.

Als der Daoist einige Tage später den jungen Mann wieder im Teehaus antraf, war er erstaunt und fragte: „Warum bist du noch hier? Bianliang wird bald zerstört sein. Die Hälfte der Bewohner dieser Stadt wird den Tod finden.“ Während er dies erzählte, hielt er dem Studenten seinen Ärmel vor das Gesicht und bedeckte damit seine Augen.

Er ließ den jungen Mann die Zukunft sehen. Der Student sah Szenen einer brennenden und geplünderten Stadt. Er sah Straßen übersät mit toten Körpern, deren Arme, Köpfe und Beine abgeschnitten worden waren. Das Desaster war ein Krieg, der kurz davor war auszubrechen.

Als der Student die Bilder der Zukunft gesehen hatte, bekam er es erneut mit der Angst zu tun. Dieses Mal liess er sich durch nichts aufhalten. Er packte seine Sachen und rannte los. Einige Leute lachten ihn aus und riefen ihm Dinge nach, doch er achtete nicht mehr darauf.

Der Student war bereits zwei Tage unterwegs, als er auf einen Mann traf, der ihm von dem Einfall der Jurchen in Bianliang berichtete und dass die Armee Menschen töten und ihre Habseligkeiten plündern würden. Obwohl er das bereits wusste, war er dennoch schockiert als er es hörte. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Er rannte und hastete weiter, bis er sich innerlich sicher war, sich genügend weit von der Stadt entfernt zu haben.

So kam es, dass der Student von dem grausigen Ereignis verschont geblieben war. Die Überlieferung sagt, dass die Gottheiten auch in Zeiten von Desastern und Krisen sich um gutherzige Menschen kümmern.

Über das Gemälde „Bild einer Flussuferszenerie zum Qingming-Fest“

Das Gemälde stammt ursprünglich vom chinesischen Maler Zhang Zeduan* (1085–1145) und ist eines der bedeuteten Kunstwerke der Song-Dynastie. Es zeigt das tägliche Leben der Menschen in der Hauptstadt Bianjing, dem heutigen Kaifeng. Aufgrund der Beliebtheit des Werkes gibt es mehrere Versionen davon, die von späteren Malern erstellt wurden.

Die Stadt Kaifeng, die phasenweise auch Bianliang oder Bianjing genannt wurde, erlebte im 11. Jahrhundert seine absolute Blütezeit. Dank der Wasserstraßen (Kanälen) wurde Kaifeng damals zu einem wichtigen kommerziellen Zentrum, einer Metropolis mit mehr als einer Million Einwohnern. Auch die nachfolgenden Dynastien behielten Kaifeng als Hauptstadt und administratives Zentrum bei.

*Das Bild von Zhang Zeduan (Song), Qingming shanghe tu. Handscroll, ink and colors on silk, 24.8 x 528.7 cm. hängt im National Palace Museum in Beijing, China

Quelle für diesen Bericht:
– National Palace Museum Taipei, Taiwan (Verlinkung im Text)
– University of Washington (Verlinkung im Text)
– Aus dem Buch Treasured Tales of China Vol. 3, die Geschichte „the kind scholar faces disaster“ ab Seite 162, Classical Poets Publishing, Mount Hope New York
– Zur Stadt Kaifeng: https://www.britannica.com/place/Kaifeng, Recherche im Internet
– Eine weitere Animation des Bildes anlässlich einer Ausstellung im Mai 2010. https://youtu.be/mUMRWSMxx5A

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